Witterungsunbilden, als man das Wort Klimawandel noch nicht kannte

Von Inge Grohmann

Der Gellershäuser Pfarrer Buchenröder begann 1844 damit, ältere Aufzeichnungen seiner Vorgänger und anderer befreundeter Amtsträger auszuwerten und in einem Bericht zu verfassen. Im Mittelpunkt standen die Unbilden des Wetters und die damit verursachte Not der Menschen. Ertragsausfälle infolge von Trockenheit oder Verwüstungen durch Unwetter brachten einen Mangel an Nahrungsmitteln wie auch deren Verteuerung mit sich, die zu Elend und Hungersnöten führten. Epidemien und Seuchen folgten, durch die viele Menschen dahingerafft wurden.

Berichtet wird über eine besonders warme Periode im ausgehenden Mittelalter. 1182 sollen schon im Februar reife Früchte an den Bäumen zu ernten gewesen sein, auch vier Jahre später blühten die Bäume schon im Januar, und die Ernte konnte im Mai gehalten werden. Reifer Wein wurde im August gelesen. 1290 sollen die Bäume gar am Dreikönigstag schon geblüht haben und 1384 blühten am 1. März Korn und Wein.

Auch 150 Jahre später war es im Winter so warm, dass sich die Jungfrauen für den Kirchgang zu Weihnachten mit Kränzen aus lebenden Blumen schmückten. 1540 war es im Eisfelder Gebiet außerordentlich heiß und trocken, und es regnete 19 Wochen lang nicht mit der Folge, dass schwere Waldbrände entstanden. 1599 war ein solch großes Hochwasser, wie es noch niemand erlebt hatte. Das Heu wurde von den Wiesen geschwemmt, und es herrschte Futternot für das Vieh.

Auch 1585 reifte das Getreide bereits nach Ostern, doch verdarb es in der nachfolgenden anhaltenden Nässe. Pest und Ruhr breiteten sich aus, unzählige Menschen starben erbärmlich. Fünf Jahre später regnete es 38 Wochen lang nicht. Brunnen versiegten und Bäche trockneten aus. Die Mühlen konnten ohne Wasser nicht mehr mahlen. 1611 trauerte die kleine Gemeinde Lindenau um 71 Personen, die an der Pest verstorben waren. 1613 sollen sintflutartige Regengüsse nieder gegangen sein, bei welchen in Thüringen mehrere Menschenopfer zu beklagen waren. 1617 mussten die Bauern den Flachs und das Grummet auf ihren Haus- oder Scheunenböden trocknen, weil es nicht aufhörte, zu regnen. 1624 folgte eine große Trockenheit. Das erste Mal hatte es am 2. Mai des Jahres geregnet, und das war viel zu wenig. Als Folge der anschließenden Hitze und Dürre gab es wieder Waldbrände, für die 200 Männer aufgeboten wurden, um Gräben zu ziehen. Sie sollten eine Ausbreitung des Feuers verhindern.

1626 gab es eine Hungersnot, nachdem vom 15.-20 Mai ein derart harter Frost herrschte, wodurch Obst, Wein, Hopfen und alle Feldfrüchte erfroren. Periodisch wechselten sich in den Jahren von 1612 bis 1629 Epidemien wie die Rote Ruhr, das Fleckfieber und die Blattern(Pocken) ab. Ein Jahr später verwüstete ein großer Sturm mit Hagelschlägen die Kulturen im Oberland. Dabei wurde auch der Herrenhofstadel in Eisfeld in die Werra gestürzt, so dass er quasi auf dem Kopf stand.

1630 war nur ein dürftiger Wein gewachsen. Durch die Wirren des 30jährigen Krieges war man nicht dazu gekommen, den Wein zu lesen. Zwar schneite es bald, dennoch war der Winter relativ mild. Erst nach der Schneeschmelze im Frühjahr konnten die Tauben geerntet werden. Dieser ergab einen besonders vorzüglichen Wein, an den man sich noch Jahrzehnte danach erinnern sollte. Vielleicht hatte man damit in Heldburg schon zweihundert Jahre früher als in Bingen-Dromersheim den Eiswein erfunden.

Die vielen Missernten, der daraus folgende Hunger sowie die Mangelernährung machten die Menschen anfällig für Krankheiten und Seuchen. 1635 starben allein in Heldburg 326 Personen, die meisten an der Pest. Das war ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Stadt. Im 17. Jahrhundert schien es insgesamt wieder kälter geworden zu sein. 1658 erfroren im kalten Winter viele Menschen wie auch Vieh. 1695 war im Heldburger Unterland ein ungewöhnlich kalter Sommer. In der Nacht vom 14. zum 15 August hielt bereits Frost Einzug, so dass weder Getreide noch Wein reifen konnten. 1705 erstreckte sich der Winter bis in die Pfingstwoche, starke Fröste vom 25.-27. Mai ließen sogar Vögel in der Luft oder auf den Bäumen erfrieren, so dass sie tot herabfielen. 1709 erfroren in der Eiseskälte vom 5.-26 Januar erneut Menschen und Vieh.

Dem trockenen Sommer des Jahres 1731 folgte ein harter Winter, wobei in Eisfeld die Brunnen einfroren. Es gab kein Trinkwasser. Das Gleiche ereignete sich dort im Jahr 1740. Starke Schneefälle kamen hinzu. Es konnte kein Getreide gemahlen werden, das Wild fand weder Futter noch Wasser und kam bis zu den Wohnstätten der Menschen. Weil auch kein Futter für die Nutztiere aufzubringen war, wurde das Stroh, mit welchem Dächer vor 10 – 20 Jahren gedeckt worden waren, herunter genommen. Auch die Strohfüllungen der Betten mussten als Futter für die hungernden Tiere herhalten.

1732 und 1737 gab es im Heldburger Unterland schlimme Kieselunwetter. 1732 sollen hühnereigroße Hagelkörner Fensterscheiben und Dächer eingeschlagen und außerdem eine halbe Elle(ca 35 cm) hoch auf den Kulturen in der Flur gelegen haben. Besonders schlimm hat es 1737 die Orte Albingshausen, Gompertshausen, Völkershausen und Holzhausen getroffen. Bei den Stürmen wurden Obstbäume ausgerissen, Wägen umgeworfen und Gänse auf der Wiese vom Hagel erschlagen. Im Januar 1740 war es derart kalt, dass im Unterland von erfrorenen Nasen, Fingern und Beinen berichtet wurde. Am 6. und 7. August fiel Schnee, der 24 Stunden liegen blieb. Es folgte frühzeitiger Frost, so dass das Getreide nicht geerntet werden konnte. Die Bauern fegten den Schnee ab und trockneten das Getreide auf ihren Stubenöfen. Dort, wo der Schnee die Getreidehalme vollends bedeckt hatte, konnte das Getreide erst Ende des kommenden Februars geerntet werden, wobei die Körner so vortrefflich gewesen sein sollen, dass es ein gutes Brot gab. Auch im August 1742 fror es wieder arg.

Bei einem starken Gewitter im August 1748 wurde in Gompertshausen ein Mann vom Blitz erschlagen. In Rieth, Poppenhausen und Käßlitz gab es große Überschwemmungen, die nicht nur große Schäden in der Flur anrichteten, sondern auch Holz, Reißig und Ställe wegschwemmten. Hilflos trieben Schweine und Gäse in den Fluten. Der Hund des Poppenhäuser Pfarrers ertrank an seiner Kette im Hochwasser, weil sich niemand um ihn kümmern konnte, denn alle waren damit beschäftigt, das Vieh aus den Ställen und ihre Habseligkeiten aus den Häusern zu bergen.

Große Regenmassen brachten auch in den Folgejahren viel Unheil. 1752 gingen Wolkenbrüche nieder, deren Wassermassen das Heu auf den Wiesen fortschwemmten und das Getreide sowie andere Feldfrüchte mit Schlamm und Kies bedeckten, so dass sich Fäulnis und Schimmel ausbreiteten, was zu einer Viehseuche führte. Gellershausen hatte allein in diesem Jahr sechs große Überflutungen hinzunehmen. 1753 war in Sachsenbrunn das Hochwasser so groß, dass sogar ein ganzes Wohnhäuschen von den Fluten mitgerissen wurde.

Ab 1770 führten die Wetterkapriolen erneut zu Not und Armut. Noch lange nach Pfingsten konnte auf ausdauerndem Schnee mit dem Schlitten gefahren werden. Es folgte eine große Dürre. Die Missernte von 1771 führte zu einer drastischen Verteuerung sämtlicher Nahrungsmittel. Getreide musste aus anderen Gebieten eingeführt werden, damit die Menschen nicht verhungerten. 1772 verkauften die Menschen alles was sie hatten, um Brot zu erwerben. In Hildburghausen versuchte man sogar, aus Stroh Brot zu backen, doch niemand konnte es essen. Auch in den Folgejahren gab es erneute Missernten. Bei den schweren Gewitterstürmen des Jahres 1784 wurden Dächer abgedeckt, und Bäume entwurzelt. In einem Garten in Eisfeld sollen es so viele Bäume gewesen sein, dass es 3 Klafter(ca. 6 fm) Brennholz ergab.

Von der Kälte im Februar und März 1785 wurde überliefert, dass sie alle Kälteperioden seit Menschengedenken übertroffen haben soll. Als Seuche grassierte zu dieser Zeit das sogenannte epidemische Faulfieber, das die ausgemergelten Menschen befiel und dahinraffte. Im Jahr 1772 verdoppelte sich die Zahl der jährlichen Sterbefälle in Heldburg durch diese Art von Pest. An Typhus, Schwindsucht und Auszehrung sollten Menschen im besten Lebensalter noch bis ins 20. Jahrhundert sterben. Die Kindersterblichkeit war ebenfalls zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr hoch, wobei Infektionskrankheiten wie Diphterie, Keuchhusten, Scharlach, Ruhr und Masern kaum einzudämmen waren.

Stadt und Veste Heldburg, Stahlstich um 1860

Das Jahr 1835 war gekennzeichnet von schweren Gewittern mit zahlreichen Blitzeinschlägen in Kirchen- und Burgtürmen. Als am 3. März Blitze in die Türme von Vierzehnheiligen schlugen, wurden auch die Kirchtürme von Veilsdorf und Ummerstadt heimgesucht. Im Winter 1843/44 lag der Schnee sehr hoch. Das anschließende Tauwetter und üppige Regengüsse führten zu einem großen Hochwasser im Heldburger Unterland, wobei das Wasser in Stuben, Kammern, Stallungen und Scheunen drang. Das Vieh musste aus den Dörfern auf nahe gelegene Anhöhen gebracht werden. An dieser Stelle enden die Aufzeichnungen des Gellershäuser Pfarrers. Ob er die große Dürrekatastrophe von 1847/48 und die darauf folgende Hungersnot noch erlebt hat, ist nicht bekannt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 27.3.2021 im WochenSpiegel, Hildburghausen. Wir danken der Autorin für die freundliche Genehmigung zum Abdruck des Textes hier im dkS-Blog.

Teilen: