Steckt die Energiewende in der Falle des sozialen Dilemmas?

Beitrag eines Gastautors

Lob und Kritik leiten wir gerne an den Autor weiter

Zu Energiewende und Klimawandel überschlagen sich momentan die Ereignisse in atemberaubender Geschwindigkeit. Eine Studienveröffentlichung jagt die nächste. Die Forderungen der unbedingt zu erreichenden Klimaziele übertreffen sich mit Superlativen. Schneller, höher, weiter. Die Inhalte der Studien weisen unerfüllbare Wünsche aus, zu denen in den meisten Fällen kein praktikabler Umsetzbarkeitsplan mitgeliefert wird. Bitte, liebe Studienersteller: sagt uns zukünftig nicht mehr nur wie es geht, sondern liefert überdies die Blaupause dazu wie man es richtig macht. Sonst vermitteln  Studien lediglich die Bilanz: Heute stehen wir ungesichert am Abgrund und machen Morgen  einen gewaltigen Schritt nach vorne.


Seit ungefähr 20 Jahren wird nun die Energiewende mit riesigen Subventionssummen betrieben. Mit dem Ergebnis, dass bis Ende 2019 zum gesamten Stromverbrauch in Deutschland die sogenannten Erneuerbaren gerade einmal 39,7 % beigetragen haben. Und nun soll mit großem Hau Ruck in 10-30 Jahren alles, aber auch wirklich alles anthropogen-erzeugte CO2 in Deutschland und Europa auf >Null< dekarbonisiert  werden. In den letzten Jahren hat sich trotz aller Aktivitäten nichts zum Positiven verändert (s. Chart). Das vorrangige Ziel im Pariser Klimaabkommen war es doch, den weltweiten CO2-Ausstoß auf allen Entstehungsebenen nach unten zu regulieren. „Nix iss passiert“. Also finden erst einmal weitere Klimagipfel statt. Wieso kommen wir dann zu dem Resümee, dass alle in der Vergangenheit abgehaltenen Klimagipfel im Grunde meist erfolglos, oder nur mit einem unbefriedigenden Ergebnis zu Ende gegangen sind? Liegt das daran, dass die Gesellschaft desinteressiert ist, die in Klimagipfeln formulierten Ziele umzusetzen? Oder ist sie gar als renitent einzuordnen, wenn sie gegenüber getroffenen Ergebnissen eine kritische Meinung vertritt?

Die Erklärung liegt in der unbeachteten natürlichen Gesetzmäßigkeit begründet: Das soziale Dilemma. Es können ungezählte Klimagipfel stattfinden. Sie werden immer erfolglos bleiben wenn es nicht gelingt, den Menschen mit ausführlichen Fakten zu belegen und aufzuzeigen, dass sie für die Umsetzung von Maßnahmen, wie auch immer geartet, belohnt werden. Ein Erklärungsversuch frei nach Prof. Dr. Riek, Frankfurt University of Applied Sciences:

Stellen wir uns ein öffentliches Gut vor, zu dem alle etwas beitragen müssen, damit das Gut schön groß wird und damit wir am Ende alle davon etwas haben. Zu dem muss ein jeder zum Gelingen natürlich auf etwas verzichten, z. B. durch Aufwendung von Kosten. Als so ein öffentliches Gut können hier stellvertretend die Rentenkassen oder Krankenversicherungen genannt werden, die uns irgendwann im Leben hilfreich sind. Es machen alle dabei mit, weil der Nutzen erkennbar ist.

Beim Thema Klima verhält es sich bislang etwas anders. Informierte Menschen erkennen schnell, ob sie etwas zur CO2-Vermeidung beitragen oder nicht. Unser gesamter CO2-Ausstoß in Deutschland gemessen an der Welt ist geringer als 3 % vom Gesamten. Wenn wir davon nur die Hälfte reduzieren, dann hätten wir 1,5 % vom Gesamten gerettet. Das aber wird im asiatischen Raum im Laufe von ein paar Wochen aufgeholt und unser geschaffener Vorteil ist sofort zunichte gemacht (s. Chart). Das frustriert. Im Ergebnis der Welt betrachtet ändert sich erkennbar nichts. Alle Bemühungen zeigen in Summe keine Wirkung. Das sehen viele Menschen so. Man macht ihnen dann zu allem Überfluss noch ein schlechtes Gewissen, in dem ihnen unterstellt wird, in der Vergangenheit versagt zu haben. Eine erfolgreiche Umsetzung von geforderten Anstrengungen stellt sich so nicht ein. Und damit ist klar, was passiert: Keiner hält sich an irgendwelche getroffenen Abmachungen. Jedes strategisch so angegangene öffentliche Gut wird scheitern. Immer! Selbst, wenn es zu Beginn mit der größten Kooperationsbereitschaft gestartet wird. Am Ende kooperiert keiner!!! Und materialistisch betrachtet erscheinen letztendlich alle in gut gemeinte Projekte investierten Gelder als sinnlos verplempert.

Nun wird uns gesagt, weil das so ist, müssen wir zumindest mit gutem Beispiel voran gehen. Das Argument sollten wir am Besten sofort vergessen. Es ist nur der irrsinnige Versuch andere Leute von etwas zu überzeugen, von dem man sie nicht überzeugen kann, weil es gegen ihre ureigenen Interessen verstößt. Zum besseren Verständnis: Die Energiewende mag gut gemeint sein. Sie wird scheitern, weil in der Bevölkerung die Erkenntnis wächst, dass sie, so wie politisch gewollt, einfach nicht machbar ist. Es fehlt ein überzeugend vorgetragenes Bekenntnis zur Machbarkeit, sowie vorbildliche Handlungsweisen.

Kommen wir zurück zu dem übergeordneten Ziel einer globalen CO2-Vermeidung. Die einzige Chance zu überzeugen läge darin, einen erkennbaren Vorteil  zu schaffen. Wer hier aber nur naiv mit Beispielen wie z. B. die Story mit der berühmten Kugel Eis voran geht und suggeriert so, dass sich ein Erfolg einstellt, in dem wir eben nur auf eine Kleinigkeit verzichten müssen. Wenn dazu im Nachgang, quasi als unumgängliche Belohnung, dafür der Preis für mehrere Eisbecher anfällt, dann werden nur zwei Dinge erreicht:

1.) wir werden in Kürze arm sein

2.) die Anderen werden sehen, wenn sie das genau so machen, dann werden sie am Ende auch arm sein. Also machen sie von vorne herein gar nicht erst mit.

Wir erreichen bei dieser Vorgehensweise daher das genaue Gegenteil von dem, was wir eigentlich erreichen wollen. Ja, aber wie kann es denn anders gehen? Es gilt bei alledem vorrangig aufzuzeigen, dass nicht unbedingt wesentlich auf Wohlstand verzichtet werden muss, oder das gar Volksvermögen durch Unsummen an Subventionszahlungen vernichtet wird, sondern es müssen Technologien entwickelt werden, mit denen nachweislich CO2 reduziert werden kann und das dabei, gewissermaßen als Belohnung, eine gesteigerte Lebensqualität herauskommt. Genau das wäre eine Vorbildfunktion für einen Weg, auf dem viele folgen werden.

Doch es wird, begleitet von großem Unverständnis der Öffentlichkeit, anders gehandelt. Das Geld, welches gegenwärtig in nicht zielführende Technologien gesteckt wird, scheint vergeudet. Es wäre besser angelegt, wenn es für Forschung und Entwicklung von bezahlbarer CO2-freier Speichertechnologie verwendet würde. Denn so lange die nicht existiert, kann realistisch betrachtet mit Wind und Sonne eine gesicherte Stromversorgung nicht einmal ansatzweise erreicht werden. Auch fehlender Netzausbau blockiert ebenfalls den Durchbruch. Der angestrebte Erfolg, CO2 einzusparen und zu reduzieren, bleibt aus. Wir begeben uns darüber hinaus noch in die Abhängigkeit unserer Nachbarn, in dem wir deren aus Kernenergie oder Kohlekraftwerken erzeugten Strom zur Stabilisierung/Glättung unserer Netze einkaufen. Als gelungenen Nebeneffekt schieben wir so ganz nebenbei die Entstehung von CO2 unseren Nachbarn in die Schuhe und feiern das als unseren Erfolg. „So what.“

Mit dem jetzt aus dem Keller hoch geholten Wasserstoff wird bei aller entgegengebrachten Wertschätzung hier zu Lande aus eigener Kraft die Speicherlücke beim besten Willen nicht zu füllen sein. Somit hat die natürliche Gesetzmäßigkeit des sozialen Dilemmas bereits heute erkennbar voll zugeschlagen. Jetzt sollen Gesetze nach dem Motto „Knüppel aus dem Sack“ die zu wendende Energie vor der Kapitulation retten. Nach der zuvor beschriebenen natürlichen Gesetzmäßigkeit wird sich die Situation nur verschlimmern.

Es empfiehlt sich daher bei allen Klima- und Energiefragen mehr Gelassenheit zu bewahren, vor allen Dingen aber realistisch zu agieren. Wir stehen bei der Energiewende bekanntlich erst am Anfang. Für den Fall, dass unser Stromverbrauch zu 100 % CO2-frei hergestellt wird, hätten wir gerade einmal 20 % der Energiewende geschafft. Bei dem derzeitigen Strommix bewertet das Umweltbundesamt in einer Schätzung für 2019 den CO2-Ausstoß für die Erzeugung von 1 kWh Strom zwischen 401 und 485 g. Genau mag man sich wohl nicht festlegen, weil unterschiedliche, teuer bezahlte Institute zu unterschiedlichen Bewertungen ihrer Berechnungen kommen.

Bei dem in 2019 angefallenen Strombedarf von 611,5 Mrd. KWh betrug der CO2-Ausstoß somit ca. 245-295 Mio. Tonnen. Und so lange sich das nicht ändert, stößt ein e-Auto bei einem Verbrauch von realen 20 kWh/100 km hinten „saubere“ ca. 8 – 9,7 kg CO2 aus. Hinzuzurechnen ist noch (nach Prof. Sinn) der CO2-Rucksack aus der Akkuherstellung von ca. 7 kg CO2/100 km. Vergleichbare Verbrenner kommen da auf ca. 12 kg/100 km. Man kann sich nur wundern. Da ist es doch noch ein langer Weg bis e-Autos mit Null-Emission fahren. Es gibt noch viel zu tun. Aber bitte mit Vernunft und Augenmaß.

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