Ludwig-Erhard-Stiftung: Der politische Moralismus in der deutschen Klima- und Energiepolitik

Auf der Webseite der Ludwig-Erhard-Stiftung veröffentlichten Prof. Dr. Fritz Söllner (Technische Universität Ilmenau, Fachgebiet Finanzwissenschaft) und Regierungsdirektor Dr. Rupert Pritzl (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie Lehrbeauftragter an der FOM Hochschule, München) am 22. April 2021 einen höchst lesenswerten Artikel:

Der politische Moralismus in der deutschen Klima- und Energiepolitik

In der deutschen Klima- und Energiepolitik lassen sich alle vier der von Hermann Lübbe genannten Merkmale des politischen Moralismus wiederfinden: die Identifikation des moralischen Verfalls als Problemursache; die Argumentation ad hominem; die Selbstermächtigung zum Regelverstoß; moralische Appelle und Symbolpolitik als Versuche der Problemlösung. Auf diese Weise wird eine ökonomisch irrationale Politik betrieben, die enorme Kosten verursacht und zu einer deutlichen Einschränkung der Handlungsfreiheit führt, aber so gut wie nichts zur Lösung des Klimaproblems beiträgt.

1 Heute aktueller denn je: Hermann Lübbes „Politischer Moralismus“

Die Warnung Hermann Lübbes vor einer zunehmenden „Neigung, auf die Herausforderungen von Gegenwartsproblemen moralisierend zu reagieren“, die dieser schon 1984 aussprach, ist heute aktueller denn je.1) Denn der gesellschaftliche Diskurs in Deutschland wird in vielen Politikbereichen von einem politischen Moralismus geprägt, der eine unvoreingenommene, kritische und sachlich geführte Diskussion behindert bzw. unmöglich macht. Dies wird ganz besonders in der Klima- und Energiepolitik sichtbar, die durch hohe Emotionalisierung und Moralisierung gekennzeichnet ist. Sie beruht auf wenigen emotionalen Großentscheidungen: der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000; dem Ausstieg aus der Kernenergie nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011; dem im Gefolge der „Klimahysterie“ von 2019 beschlossenen Ende der Nutzung der Kohleenergie im Jahr 2020.

Wenn man – wie Hermann Lübbe – den politischen Moralismus als die Aufforderung interpretiert, „dem Verstand zu gebieten, doch endlich den Mund zu halten“2), so wird schnell klar, dass sich eine moderne Gesellschaft mit einem politischen Moralismus in eine unheilvolle Selbstbeschränkung hineinmanövriert, in der Argumente nicht zählen und eine sachliche gesellschaftliche Diskussion in vielen Bereichen nicht mehr möglich ist. Der politische Moralismus kann daher als Paradebeispiel für die schon von Max Weber kritisierte Gesinnungsethik gelten,3) was schon aus dem Untertitel von Lübbes Essay deutlich wird. Der politische Moralismus stellt gewissermaßen die typische Erscheinungsform der Gesinnungsethik im Bereich der Politik dar.

Der enge, ja unauflösliche Zusammenhang zwischen Gesinnungsethik und politischem Moralismus wird auch im Folgenden deutlich werden, wenn wir den politischen Moralismus in der Klima- und Energiepolitik analysieren (Teil 2). In Teil 3 zeigen wir die Auswirkungen einer moralisierenden Klima- und Energiepolitik für Wirtschaft und Gesellschaft auf. Im Anschluss daran stellen wir das Phänomen des politischen Moralismus in einen weiteren Zusammenhang und skizzieren, wie der Rückweg zu einer vernunftorientierten Politikgestaltung aussehen könnte (Teil 4).

2 Die vier Aspekte des politischen Moralismus und ihre Rolle in der aktuellen Klima- und Energiepolitik

Lübbe identifiziert vier wesentliche Charakteristika des politischen Moralismus. Alle vier lassen sich unschwer in der aktuellen Klima- und Energiepolitik wiederfinden. Mehr noch, sie prägen diese Politik so stark, dass dieselbe als der Idealtyp einer moralisierenden Politik gelten kann.

2.1 Moralischer Verfall als Problemursache

Erstens gehört zum politischen Moralismus „die zivilisationskritische Praxis, die Folgelasten moderner Zivilisationen, die in etlichen Lebensbereichen inzwischen rascher als ihre Lebensvorzüge wachsen, statt als entwicklungsbegrenzende Kosten als Beweis für die geschichtsphilosophische These zu interpretieren, dass die moderne Zivilisation das Endstadium einer bis in die Moral unseres kulturellen Naturverhältnisses hinreichenden Verfallsgeschichte sei“.4) Als Ursache für die Klimakrise wird in der öffentlichen Diskussion häufig die niedrige Gesinnung vieler Menschen genannt. Das Klima werde destabilisiert, weil böswillige und rücksichtslose Menschen das Klima absichtlich gefährden oder eine Gefährdung desselben zumindest in Kauf nehmen würden, um ihre egoistischen Ziele zu verfolgen – zulasten ihrer umweltbewussten und gutwilligen Zeitgenossen und zulasten künftiger Generationen. Typisch für diese Art der Schuldzuweisung ist die wütende Anklage von Greta Thunberg: „How dare you!“ Die Aussage, dass der Klimawandel „menschengemacht“ sei und die zumindest zum Teil auch zutrifft, wird weitergehend interpretiert und in dem Sinn gebraucht, dass der Klimawandel das Produkt von Vorsatz und Fahrlässigkeit, also ein Produkt absichtlichen Handelns sei. Eine solche Kausalattribution ist einfach und bequem; sie schafft ein klares Feindbild, und sie motiviert die „Klimaaktivisten“ durch emotionale Appelle an die Verworfenheit der anderen und die eigene moralische Überlegenheit. Aber sie ist falsch.

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[Update: momentan scheint der Sever der LES ein Problem zu haben. Bei Interesse, bitte bei uns melden, dann können wir die Vollversion zur Verfügung stellen.]

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Pressemitteilung der University of Maryland Baltimore County vom 19.4.2021:

People have shaped Earth’s ecology for at least 12,000 years, mostly sustainably

New research published today in the Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) shows that land use by human societies has reshaped ecology across most of Earth’s land for at least 12,000 years. The research team, from over ten institutions around the world, revealed that the main cause of the current biodiversity crisis is not human destruction of uninhabited wildlands, but rather the appropriation, colonization, and intensified use of lands previously managed sustainably.

The new data overturn earlier reconstructions of global land use history, some of which indicated that most of Earth’s land was uninhabited even as recently as 1500 CE. Further, this new PNAS study supports the argument that an essential way to end Earth’s current biodiversity crisis is to empower the environmental stewardship of Indigenous peoples and local communities across the planet.

„Our work shows that most areas depicted as ‚untouched,‘ ‚wild,‘ and ’natural‘ are actually areas with long histories of human inhabitation and use,“ says UMBC’s Erle Ellis, professor of geography and environmental systems and lead author. He notes that they might be interpreted like this because in these areas, „societies used their landscapes in ways that sustained most of their native biodiversity and even increased their biodiversity, productivity, and resilience.“

Mapping 12,000 years of land use

The interdisciplinary research team includes geographers, archaeologists, anthropologists, ecologists, and conservation scientists. They represent the U.S., the Netherlands, China, Germany, Australia, and Argentina, pooling their knowledge and expertise into a large-scale study that required a highly collaborative approach. They tested the degree to which global patterns of land use and population over 12,000 years were associated statistically with contemporary global patterns of high biodiversity value within areas prioritized for conservation.

„Our global maps show that even 12,000 years ago, nearly three-quarters of terrestrial nature was inhabited, used, and shaped by people,“ says Ellis. „Areas untouched by people were almost as rare 12,000 years ago as they are today.“

The maps created for the study are available to view interactively online.

The cultural practices of early land users did have some impact on extinctions. However, by and large, land use by Indigenous and traditional communities sustained the vast majority of Earth’s biodiversity for millennia. This finding comes at a critical time of heightened need to develop long-term, sustainable answers to our biggest environmental problems.

„The problem is not human use per se,“ explains professor and co-author Nicole Boivin, of the Max Planck Institute for the Science of Human History in Jena, Germany. „The problem is the kind of land use we see in industrialized societies—characterized by unsustainable agricultural practices and unmitigated extraction and appropriation.“

To truly understand terrestrial nature today, it is necessary to understand the deep human history of that nature. Outside of a few remote areas, „nature as we know it was shaped by human societies over thousands of years,“ says Ellis. He believes that efforts to conserve and restore „won’t be successful without empowering the Indigenous, traditional, and local people who know their natures in ways that scientists are only beginning to understand.“

Supporting Indigenous land use practices

The authors argue that their findings confirm that biodiversity conservation and restoration will benefit by shifting focus from preserving land in a form imagined as „untouched“ to supporting traditional and Indigenous peoples whose land use practices have helped sustain biodiversity over the long term.

„This study confirms on a scale not previously understood that Indigenous peoples have managed and impacted ecosystems for thousands of years, primarily in positive ways,“ says Darren J. Ranco, associate professor of anthropology and coordinator of Native American research at the University of Maine. „These findings have particular salience for contemporary Indigenous rights and self-determination.“

Ranco, a citizen of the Penobscot Indian Nation, notes that Indigenous people currently exercise some level of management of about 5% of the world’s lands, upon which 80% of the world’s biodiversity exists. Even so, Indigenous people have been excluded from management, access, and habitation of protected lands in places such as the U.S. National Parks.

„We must also assure that new attempts to protect lands and biodiversity are not just a green-grab of Indigenous lands,“ says Ranco. „We cannot re-create the worst of colonial policies meant to exclude Indigenous people, which would undoubtedly make the situation much worse for the environment and humanity.“

A sustainable future

„Our research demonstrates the connections between people and nature that span thousands of years,“ says Torben Rick, study co-author and curator of North American Archaeology at the Smithsonian National Museum of Natural History. „These connections are essential for understanding how we arrived at the present and how to achieve a more sustainable future.“

This research represents a new form of collaboration across archaeology, global change science, conservation, and scholars of Indigenous knowledge. The co-authors hope this work will open the door to increasing the use of global land use history data by natural scientists, policymakers, activists, and others. Leaders in a range of fields can use these data, they note, to better understand and collaborate with Indigenous, traditional, and local peoples to conserve biodiversity and ecosystems over the long term.

„It is clear that the perspectives of Indigenous and local peoples should be at the forefront of global negotiations to reduce biodiversity loss,“ says Rebecca Shaw, chief scientist at World Wildlife Fund and another study co-author. „There is a global crisis in the way traditionally-used land has been transformed by the scale and magnitude of intensive human development. We have to change course if we are to sustain humanity over the next 12,000 years.“

Paper: Erle C. Ellis el al., „People have shaped most of terrestrial nature for at least 12,000 years,“ PNAS (2021). www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.2023483118

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Infosperber am 22.4.2021:

In der NZZ schreibt der Velolobbyist übers Velogeschäft

Journalismus und Kommerz sind in den Medien säuberlich getrennt. Schön wär’s. Hier ein besonders krasser Fall von Interessen-Filz.

Weiterlesen bei Infosperber

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Buchtipp:

Der heutige Klimawandel: Eine kritische Analyse des Modells von der menschlich verursachten globalen Erwärmung (Mitteilungen Agrarwissenschaften), von Kluas-Petr Dahm und Wolfgang Merbach:

Auszug aus der Buchbeschreibung:

Der vorliegende Band 27 der Mitteilungen Agrarwissenschaften befasst sich mit dem heutigen Klimawandel und greift damit ein sehr aktuelles Thema auf. In der öffentlichen Diskussion wird die derzeitige Klimaerwärmung – auf der Grundlage des vom Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change –IPCC) vertretenen AGW-Modells (Anthropogenic Global Warming Model) –fast ausschließlich den menschlichen Aktivitäten und dabei insbesondere der Emission von Kohlendioxid (CO2) angelastet. Kritik an dieser Hypothese findet weit weniger Beachtung und wird vielfach ausgesprochen negativ bewertet. Das vorliegende Heft enthält eine solche kritische Analyse. Die Autoren zeigen an Hand der Klimageschichte der Erde, dass der heutige Klimawandel weder dramatisch noch beispiellos ist. Es handelt sich vielmehr um eine ganz normale Erscheinung in unserer Holozän-Warmzeit innerhalb der Eiszeitperiode des Quartärs, die sich genauso wie alle vergangenen Klimawandel-Ereignisse auf natürliche Ursachen (insbesondere die Sonnenaktivität in Verbindung mit der Hydrosphäre) zurückführen lässt.

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Ein Hinweis in eigener Sache: Mehrere Leser schrieben uns, dass ihr Newsletter-Versand unterbrochen ist. Wir prüfen gerade, woran es liegen könnte. Wir hoffen das Problem in den kommenden Tagen lösen zu können. Auch ohne Newsletter gibt es natürlich weiter täglich bei uns um 7:30 Uhr morgens einen neuen Blogartikel.

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