Do it yourself: Ein Vademecum für Klima-Querdenker

Wir werden fast täglich bombardiert mit Klima-Neuigkeiten. Manche klingen spektakulär, andere scheinen schon fast selbstverständlich. Wir wollen hier ein kleines „how to“ an die Hand geben, wie man solche Nachrichten selbst überprüfen kann. In der Redaktion bekommen wir auch viel Post dazu; wir bedanken uns bei allen, die sich eigene Gedanken machen. Es geht hier darum, wie man Daten findet, bearbeitet und sie einordnen kann in das, was schon bekannt ist. Ist eine Theorie, die der Eine oder Andere auch fachfremde Querdenker entwickelt, mit dem kompatibel, was bekannt ist und wird sie durch Beobachtungen gestützt? Wie findet man Literatur zu diesem Thema und wo bekommt man die Daten her, die man braucht?

Wir beginnen mit dem Ersteren: Literatur zum Thema. In Zeiten des Internets ist das gar nicht so schwer. Nehmen wir an, wir interessieren uns für die Frage, ob die Eisbildung zwischen Asien und Nordamerika von natürlichen Schwankungen beeinflusst wird. Die Fragestellung könnte also lauten:  „ Beeinflusst die Pazifische dekadische Oszillation (PDO) die Eisbildung in der Bering-See?“. Wir sind bestimmt nicht die ersten, die sich darüber Gedanken gemacht haben. Wir gehen also in eine beliebige Suchmaschine und geben ein: „Google scholar“. Der erste Treffer ist garantiert der richtige, wir gehen also dahin. Es  ist eine spezielle Suchmaschine, die wissenschaftliche Veröffentlichungen verlinkt. Wir begrenzen damit die Suchergebnisse auf veröffentlichte Studien zu einem gegebenen Thema. Die Sprache der heutigen Wissenschaft ist allerdings Englisch und wir geben unsere Suchphrase dort auch so ein in die Maske:

Es erscheinen dann viele Treffer. Manche könnten überholt sein, wir engen den Zeitraum links oben auf „seit 2015 erschienen“ ein und nun haben wir mit Sicherheit relevante neuere Ergebnisse, das sieht dann so aus:

Gleich den ersten Hit schauen wir uns genauer an, am besten verwendet man den Link rechts, er führt zur kompletten Arbeit im pdf-Format. Dort finden wir schon einen Teil der Antwort auf unsere Frage, in der Zusammenfassung (Conclusion) steht es geschrieben:

„Variations in the sea ice area from year to year are large; however, no trend in a reduced ice area over the last 39 years could be observed. This is in contrast to the sea ice area measurements from the greater Northern Hemisphere…Hence, the ice area of the Bering Sea is strongly dependent on the water temperature of the Pacific Ocean, to the PDO is related.”

In der Arbeit sehen wir auch die Ergebnisse, sie bildeten die Grundlage für die zusammengefassten Sätze am Ende:

„Positive PDO values in summer correspond to above normal water temperatures, and increased water temperatures negatively impact the formation processes and overall amount of sea ice in autumn, as the water takes more time to cool to the freezing point.”

Die Arbeit ist aus 2019, damit sollte sichergestellt sein, dass auch aktuelle Daten verarbeitet wurden. Also führen positive PDO-Werte im Sommer zu weniger und verspäteter Vereisung der Beringsee. Ein Langzeittrend dort ist in den letzten 39 Jahren nicht zu beobachten. Das ist Stand der Wissenschaft (Daten  bis 2017), selbst recherchiert. Wir vergleichen das mit einigen Meldungen aus den Medien. In 2012 titelte der „Spiegel“: „ Eisige Straßenverhältnisse“ und stellte heraus, dass es in der Beringsee ungewöhnlich viel Eis gab.  Im April 2019 nun die NZZ: „Zwischen Russland und Amerika herrscht Tauwetter, das bereitet Klimaforschern Sorge“. Nach 2014 gab es tatsächlich unternormal viel Eis, das finden wir auch in Fig. 3 unserer gefundenen begutachteten Arbeit (Wendler et al (2019).

Um das Bild zu runden, wollen wir  Daten selbst auswerten. Hier empfehlen wir als Datenquelle Nr. 1 den „KNMI Climate Explorer“ . Nach seinem Aufruf erscheint die Startseite, wir werden als „anonymer Benutzer“ begrüßt. Sehr viel kann man da schon in diesem Status finden, wer mag kann sich auch registrieren mit Namen, Email Adresse und Institution, (dort genügt auch die Angabe „private“) und es stehen noch mehr Features bereit, wie z.B. die Untersuchung selbst hochgeladener Zeitreihen. Auf der rechten Seite findet sich eine Navigation, man findet z.B. „Monthly climate indeces“, etwas darunter auch „Monthly observations“ ect.

Auf der Suche nach „unseren“ PDO-Daten klicken wir daher die „Monthly climate indeces“ an und es öffnet sich eine recht lange Auswahlseite. Wir klicken „PDO based on HADSST3“ an, die Reihe ist sehr lang und reicht bis heute. Nun generiert der „Climate Explorer“ zwei Diagramme. Das obere sind die reinen Daten, das untere rechnet einen Jahresgang heraus und zeigt die Anomalien. Es sieht so aus:

Unterhalb des Diagrammes sind wieder viele Möglichkeiten der Bearbeitung aufgeführt, wir benutzen zunächst die oberste und geben (zur besseren Übersicht) die uns besonders interessierenden Jahre 2010-2019 ein. Wir klicken nun die Schaltfläche „select“ und bekommen als Ergebnis das Diagramm mit monatlichen Daten ab 2010. Unsere oben gefundene Arbeit zur Wirkung PDO- Eis in der Beringsee stellte die sommerlichen PDO- Werte in den Vordergrund. Das wollen wir also prüfen und finden rechts in der Navigation des „Climate Explorer“ ein Angebot: „Investigate this timeseries“ und gleich darunter:“View per month, seasons….“ Wir wollen ja die Jahreszeiten und benutzen den  Link „seasons“. Bei den 4 Jahreszeiten erscheint dann auch der Sommer (JJA):

Das ist das was wir suchen: Die PDO in den Jahren ab 2010 im Sommer und siehe da: Bis 2014 waren die Werte negativ, danach stets positiv. Die grüne Linie (eine 15-jährige Glättung mit einem gleitenden Mittelwert)  interessiert hier nicht.

Am Ende wundern wir uns nicht mehr, dass es 2012 sehr viel Eis in der Beringsee gab, was „Spiegel“ verdutzte und wir sind auch „nicht in Sorge“, wie die NZZ transportierte. Wir sehen nämlich, dass in 2012 (und schon vorher) eine recht stark negative Sommer- PDO vorherrschte und in 2019 und davor ab 2014 lange Zeit eine positive PDO am Werke war und die Aussagen unserer gefundenen Studie bestätigt sind. Alles mit wenigen Klicks an den richtigen Stellen.

Wir wollen noch ein paar mehr Fähigkeiten des „Climate Explorer“ vorstellen, die vielleicht auch für Sie als „Klimaquerdenker“ interessant sind. Wir werden immer wieder konfrontiert mit solcherart Überschriften: „Zu erwartende Klimaänderungen bis 2100“, hier vom gewissermaßen „amtlichen“ Umweltbundesamt. Dort werden lokale Szenarien für Europa mit den üblichen Horrorzahlen, abgeleitet aus Klimamodellen,  propagiert.

Können das die Modelle überhaupt? Wie konnten sie das für die Zeit 1900-2018 retrospektiv? Wir machen uns an einen Vergleich, wie die flächenmäßig aufgelöste  (oder „spatiale“) Korrelation des Modellmittels mit den beobachteten Temperaturen abschneidet. Hierzu wählen wir vom Startpunkt des „Climate Explorers“ unten rechts in der Auswahl unter „select a field“ den Link zu „Monthly CMIP5 scenario runs“, das sind die Modellprojektionen . Es erscheint eine lange Tabelle mit diesem Anfang:

Wir haben ausgewählt das „CMIP5 mean“ mit dem „rcp8.5“ (für die in diesem Zeitraum beobachteten Emissionen) und die Modellvariable „tas“ für die Lufttemperatur am Boden, vergleichbar gut mit den meteorologischen Mitteltemperaturen. Wir klicken im Anschluss die Schaltfläche „select field“ ganz oben. Nun erscheint eine neue Seite, uns kümmert nichts weiter als die rechte Auswahl, dort finden wir u.a. unter „investigate this field“ den Punkt:“ Pointwise correlation with a field—only observations“, diesen Link benutzen wir. Es erscheint nun eine Auswahl mit den verfügbaren Beobachtungen, wir interessieren uns für die Landtemperaturen (das ergibt einen guten Vergleich mit „tas“ der Modellwelt) und wir benutzen die arrivierte Reihe CRUTEM4 des britischen Metoffice.

Zu jeder im „Climate Explorer“ verwendeten Datenreihe findet sich unter „i“ rechts der Link zu den Primärdaten, alles ist sehr gut dokumentiert. Nun müssen wir weiter nach unten scrollen und die Optionen ausfüllen:

Unter „Options“ wählen wir jährliche Daten, indem wir „together“ und „averaging over 12 months“ eintragen, nun fehlt noch der Zeitraum, wir tragen unter „Years“ 1900-2018 ein, bevor wir unten die Ausführung starten mit dem Klick auf „Correlate“. Nun kalkuliert  für uns eine beachtliche Rechenkapazität und nach einiger Zeit sehen wir das Ergebnis:

Oben unter „Plot options“ wählen wir „correlation“, unter „Region“ tragen wir die ungefähren Koordinaten Europas ein: 30-65°N; 15 W(=-15°E)-30°E , die Plotkonturen legen wir auf Korrelation R=0,5…1 fest und die Farben als grau-rot (grey-red)Verlauf. Achtung: das Dezimalzeichen ist im Englischen ein Punkt! Unter „Options“ wählen wir jährliche Daten, indem wir „together“ und „averaging over 12 months“ in den Klickboxen eintragen, nun fehlt noch der Zeitraum, wir geben unter „Years“ 1900-2018 ein, bevor wir unten die Ausführung starten mit dem Klick auf „Correlate“. Nun kalkuliert  für uns eine beachtliche Rechenkapazität und nach einiger Zeit sehen wir das Ergebnis:

Wir sind noch neugieriger geworden und schauen uns die Modell-Performance für den Niederschlag an, denn es gibt solche Prognosen aufgrund von Modellprojektionen: z.B.: „Brandenburg versteppt!“. Nur das Ergebnis dargestellt( der Weg ist der gleiche wie bei den Temperaturen, nur wählten wir satt „tas“ „prcp“ und als beobachteten Vergleich die Niederschlagsreihe des niederländischen KNMI ab 1950) frustriert nun wirklich:

Und das ernüchtert: in ganz Deutschland war die Korrelation nicht über 0,7 (was bedeutet: nur 49% der Variabilität der Beobachtungen wird durch das Modellmittel  erklärt), im Norden unter 0,6. Über Skandinavien, das Baltikum und das östliche Mittelmeer breiten wir lieber den Mantel des Schweigens: Korrelation unter 0,5! Ein wenig besser sieht es um das westliche Mittelmeer herum aus, R zwischen 0,7 und 0,8. Wir sind noch neugieriger geworden und schauen uns die Modell-Performance für den Niederschlag an, denn es gibt solche Prognosen aufgrund von Modellprojektionen: z.B.: „Brandenburg versteppt!“. Nur das Ergebnis dargestellt( der Weg ist der gleiche wie bei den Temperaturen, nur wählten wir satt „tas“ „prcp“ auf der Modellauswahlseite und als beobachteten Vergleich die Niederschlagsreihe des niederländischen KNMI ab 1950) frustriert nun wirklich:

Wir mussten die Korrelation auf unterirdische Bereiche einstellen, 0…0,5! Gerade mal mit R=0,1 sah das Modellmittel den Niederschlag in Brandenburg im Vergleich zu den Beobachtungen, das ist der blanke Zufall. In weiten Teilen gibt es überhaupt keine Korrelation. Jede Prognose („Versteppung!“) aufgrund solcher Werte ist nichts wert. Außer man versucht, Propaganda zu machen darauf hoffend, dass es keiner nachrechnen wird.

Daraus ist abzuleiten: Wenn Modelle die Vergangenheit nur so gering korreliert zu den Beobachtungen räumlich aufgelöst abbilden konnten (man muss schon länger suchen um solche Vergleiche zu finden) , was genau soll uns Vertrauen in ihre Fähigkeiten die Zukunft betreffend geben?

Wir hoffen, dem geneigten Leser ein wenig Mut für eigene datengestützte Untersuchungen gemacht zu haben. Die Möglichkeiten des „Climate Explorer“ gehen noch viel weiter, alle Daten und Ergebnisse sind auch für die eigene Weiterverarbeitung herunter zu laden. Wenn man bedenkt, dass das „Entwicklerteam“ aus einem einzigen Menschen besteht (Geert-Jan v. Oldenborgh), der 20% seiner Gesamtkapazität (1 Arbeitstag /Woche) dafür zur Verfügung hat, so staunt man noch mehr. Dank an Geert-Jan für seine Arbeit!

Wer als „Klimaquerdenker“ also Ideen hat und Sachverhalte, denen er mit wissenschaftlichen Methoden  auf den Grund gehen möchte, so sei er eingeladen, die beschriebenen Hilfsmittel rege zu nutzen. Viel Erfolg!           

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