Wird es durch ständige Wiederholung richtiger? Die penetrante Golfstrom-Masche

Die Reaktionen rund um eine Pressemeldung vom PIK hat eigentlich alles, was man braucht, um Bingo zu spielen. Statt Zahlen, kommen hier Worte vor. Und wer zuerst eine Reihe auf der Bingokarte voll hat, der hat gewonnen. Das passiert hier ziemlich schnell. Die Worte lauten: Klimawandel, Kipppunkte, Golfstrom, Erliegen, Zusammenbruch. Etliche Medien wie die Tagesschau, die Süddeutsche oder die FAZ brachten die Meldung und garnierten sie mit entsprechenden Schlagzeilen. Der Golfstrom ist so etwas wie ein Evergreen in den Meldungen, auch beim PIK. Aber ist die Meldung über die Studie tatsächlich so unumstritten, dass die o. g. Medien nicht einmal selber recherchiert haben?

Keineswegs. In der Klimaschau war der erlahmende Golfstrom bereits dreimal das Thema und es gibt dort einige Studien, die die PIK Ergebnisse keinesfalls bestätigen, im Gegenteil. Da viele Medien also nicht mehr kritisch hinterfragen:

STREIT UM DEN GOLFSTROM: Hat das PIK-Institut den Wind vergessen?, Klimaschau 22

KEIN LANGZEITTREND: Aktivität des Golfstroms oszilliert im 70-Jahrestakt, Klimaschau 13

DISPUT BEENDET: Golfstrom ist stabil, Klimaschau 1

Und wer noch weitere Informationen wünscht: Eine Studie bei EGU (European Geoscience Union) hat der AMOC (Atlantic meridional overturning circulation) im letzten Jahr bescheinigt, dass es eine mehrjährige Variabilität gibt.
“A 30-year reconstruction of the Atlantic meridional overturning circulation shows no decline”

“Increasing the resolution of the observed AMOC to approximately annual shows multi-annual variability in agreement with RAPID observations and shows that the downturn between 2008 and 2012 was the weakest AMOC since the mid-1980s. However, the time series shows no overall AMOC decline as indicated by other proxies and high-resolution climate models.”

Niklas Boers hat mit dieser zweiten Klimaschreckensnachricht innerhalb weniger Wochen im Vorfeld der Veröffentlichung des 6. IPCC-Berichts „ganze Arbeit“ verrichtet. Sechs Jahre nach seiner Promotion sollte er nun endlich vom PIK eine Dauerstelle angeboten bekommen. Dort passt er bestens hin. Momentan ist Boers an drei Orten gleichzeitig tätig: Potsdam, Berlin und Exeter. Das muss man erst einmal schaffen. Die Klimaschau #56 wird sich mit der früheren Grönland-Story von Boers beschäftigen. Die wackelt an allen Ecken und Enden. Aber den deutschen Medien sind solche Kleinigkeiten egal. Qualitäts-PIK-Pressemitteilung schnell kopiert und millionenfach in deutschen Haushalten weiterverbreitet. Schade, dass es keinen „Zeitungs-Rat“ gibt, denn dann könnte man die schräge Berichterstattung regelmäßig formal kritisieren und untersuchen lassen. Bei der Tagesschau gibt es immerhin den NDR-Rundfunkrat, bei dem man sich gut begründet beschweren kann. Einige Beispiele sind hier.

Wer es ganz genau wissen möchte: Der Golfstrom ist übrigens auch Thema im Buch „Unerwünschte Wahrheiten“, Kapitel 12.

Das PIK bedient sich hier der Wiederholungsmethode: Kritik wird ignoriert, das fragwürdige Golfstromkonstrukt als wissenschaftliche Randmeinung immer weiter gesponnen. Es scheint fas egal zu sein, was die Fachkollegen dazu sagen. Getreu dem Motto: Man muss es nur oft genug wiederholen, damit man am Ende selber dran glaubt.

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Dank des Spiegels wissen wir es: Das Klima gerät außer Kontrolle. Das verrät jedenfalls die neueste Ausgabe des Nachrichtenmagazins. Die Frage ist dann aber eine ganz andere. Hatten wir Menschen das Klima, also das gemittelte Wetter auf 30 Jahre gesehen, jemals unter Kontrolle? Und wenn das so war, wer hat den Schalter zu Warm- und Kaltzeiten umgelegt? Offenbar hängt man beim Spiegel immer noch einer gewissen Natur-Romantik an, die davon ausgeht, dass sich Wetter/Klima kontrollieren lässt. Das ist natürlich nicht der Fall. Selbstverständlich haben wir Menschen Einfluss durch unser Handeln auf die Umwelt. Wir fällen Bäume, leiten Flüsse um oder stauen sie auf, wir versiegeln Flächen und wir werden vor allem immer mehr.

Es scheint aber ausschließlich nur um CO2 zu gehen, wenn man sich solche Titel, wie den vom Spiegel ansieht. Die Sichtweise lässt aber z. B. natürliche Klimaphänomene komplett außen vor. Auf die haben wir aber keinen Einfluss, auch wenn wir den vielleicht gern hätten. Wir können solche Phänomene nicht einmal sicher vorhersagen. Siehe die PIK Meldung 2019, dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit Ende 2020 einen El Niño bekommen. Das Gegenteil ist eingetreten und hat großen Teilen Europas einen kühlen Frühling gebracht.

Was der Spiegel gern vergisst, viele Ziele der Menschen stehen in einem Konflikt zueinander.
Wer beispielsweise Menschen aus der Armut holen möchte, der muss ihnen zwangsläufig auch den Zugang zu Energie beschaffen und die wird zwangsläufig nicht aus Grünen Quellen bestehen.
Die Zahl der geplanten und im Bau befindlichen Kohlekraftwerke ist ein Beleg dafür.
Wäre es nicht klüger mal über diese Zielkonflikte zu sprechen und dann zu überlegen, wie man sie löst?

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Schöner Youtube-Clip:

Was ist eigentlich CO2?

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Ausgezeichneter Artikel in der FAZ am 5.8.2021:

Déjà-vu der Katastrophe

Von OLIVER SCHLÖMER, JENS GIESEL und MANFRED LINDINGER

War die Flutkatastrophe im Ahrtal ein bislang einmaliges Ereignis und schon der Vorbote des Klimawandels? Zwei Bonner Geoforscher sind skeptisch und liefern neue Erkenntnisse.

[…]

Um die Ausmaße der Hochwasserereignisse objektiv vergleichen zu können, berechneten die Bonner Geographen den sogenannten Spitzenabfluss. Dieser gibt an, wie hoch der Abfluss der Ahr, gemessen in Kubikmeter pro Sekunde, zum Zeitpunkt des Höchstwasserstandes gewesen ist. Für die Ahr wird am Pegel Altenahr ein langjähriger mittlerer Abfluss von rund 7 Kubikmetern pro Sekunde angegeben. Beim bislang höchsten gemessenen Hochwasser flossen am 2. Juni 2016 236 Kubikmeter pro Sekunde durch die Ahr.  

Deutlich höhere Spitzenabflüsse konnten Roggenkamp und Herget in Altenahr für den Juni 1910 rekonstruieren. Ihren Berechnungen zu Folge strömten damals 450 bis 650 Kubikmeter pro Sekunde durch Altenahr. Flussabwärts im rund 10 Kilometer entfernten Dernau waren es im Juli 1804 sogar unglaubliche 1.000 bis 1.300 Kubikmeter pro Sekunde. Ein trauriger Rekordwert, der in den folgenden zweihundert Jahren nicht ansatzweise erreicht werden sollte. 

Ganzen Beitrag in der FAZ lesen.

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Bloomberg am 5.8.2021:

Europe Faces an Energy Shock After Gas and Power Prices Rocket

After lockdowns forced Basel Hamzeh to close his cafe in a trendy Berlin neighborhood for months, the 53-year-old is confronting a fresh crisis: high energy bills.

The cost of natural gas and electricity has surged across Europe, reaching records in some countries, as businesses re-open and workers return to the office. In Germany, wholesale power prices have risen more than 60% this year, leaving the owner of the Frau Honig cafe in Friedrichshain with no option but to raise prices of everything from cappuccinos to cinnamon rolls.

“The higher power prices were a double whammy after our cafe was forced to close for such a long time, doing only takeaway during the pandemic,” he said. “We just had to pass on the costs to customers.”

Weiterlesen bei Bloomberg

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RiskNET am 27.7.2021:

Erneut Großstörung im europäischen Stromversorgungssystem: Ignorierte Warnhinweise

Am 24. Juli 2021 kam es um 16:36 zu einer Netzauftrennung im europäischen Verbundsystem und damit zur zweiten Großstörung in den letzten 7 Monaten. Doch kaum jemand hat davon Notiz genommen, frei nach dem Motto „Guat is ganga, nix is g’scheh’n“, auch wenn in Frankreich, Spanien und Portugal rund 2 Millionen Menschen kurzzeitig ohne Strom waren. Während man in Deutschland gerade mit dem Katzenjammer beschäftigt ist, wie es nur zur tödlichsten Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg kommen konnte, werden andere Warnsignale weiter ignoriert. Wir lernen offensichtlich nicht dazu.

Weiterlesen bei RiskNET

Mit Dank an Notrickszone für den Hinweis.

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Thünen-Institut:

Hecken sind Klimaschützer

Eine auf Ackerland neu angepflanzte Hecke von 720 m Länge kann langfristig die gesamten Treibhausgasemissionen, die ein Durchschnittsdeutscher innerhalb von 10 Jahren emittiert, kompensieren. Das zeigen Berechnungen im Rahmen einer Metastudie, die am Thünen-Institut für Agrarklimaschutz in Braunschweig durchgeführt wurden. Durch die Einlagerung von Kohlenstoff in der Biomasse der Hecke und als Humus im Boden können neue Hecken Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufnehmen und klimaunschädlich machen.

„Für die Berechnungen haben wir alle verfügbaren Daten zu Humus und Biomasse in Hecken zusammengetragen – 13 Studien und eigene Daten mit insgesamt fast 150 untersuchten Hecken“, sagt Sophie Drexler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Thünen-Institut. Für die Forschenden ergab sich ein überraschendendes Bild: Pro Hektar wird in einer Hecke im langjährigen Mittel fast genauso viel Kohlenstoff gebunden wie in Wäldern. Dies kann mit der hohen Dichte an Ästen und Zweigen in Hecken und den guten Wuchsbedingungen in der Agrarlandschaft erklärt werden. Besonders viel Kohlenstoff wird auch in den Wurzelstöcken der Hecken gebunden. In den letzten 70 Jahren wurde aber fast die Hälfte aller Hecken in Deutschland beseitigt, meist durch Flurbereinigungsmaßnahmen.

In der Landwirtschaft und aus landwirtschaftlich genutzten Böden entstehen in Deutschland etwa 12 % der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Die meisten Emissionen kommen als Methan aus dem Verdauungstrakt von Rindern und als Lachgas durch die Düngung von Äckern und Grünland. Viele dieser Emissionen sind schwer oder gar nicht vermeidbar, weil sie aus biologischen Prozessen stammen. Zusätzlich werden große Mengen Kohlendioxid durch die landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden emittiert. Klimaneutralität ist im Landwirtschaftssektor also nur erreichbar, wenn an anderer Stelle Emissionen wieder kompensiert werden. Dazu können Hecken einen Beitrag leisten. Eine Kommune mit 5.000 Einwohnern kann zum Beispiel die mit dem Milchkonsum verbundene Treibhausgasemission von zehn Jahren durch das Pflanzen von sechs Hektar Hecken und Feldgehölzen kompensieren.

Nur Neuanpflanzungen haben positiven Klimaeffekt

Die größte Wirkung für den Klimaschutz entfalten Hecken, wenn sie auf Ackerböden angepflanzt werden. Denn hier wird zusätzlicher Kohlenstoff nicht nur in der Biomasse, sondern auch im Boden als Humus gebunden. Es sind allerdings nur neu angepflanzte Hecken, die klimawirksam sind, denn mit ihrer zunehmenden Biomasse erhöhen sie die Kohlenstoffspeicherung in der Landschaft. Dieser Kohlenstoffspeichereffekt kann deshalb auch nur einmal angerechnet werden, auch wenn es etwa 20 Jahre dauert, bis eine Hecke aufgewachsen ist. Im Boden kann es sogar noch länger dauern, bis die erhöhten Humusvorräte ein neues Gleichgewicht erreicht haben und nicht weiter steigen.

Neben dem Klimaeffekt schützen Hecken den Boden vor Winderosion und haben eine kühlende Wirkung. Ein Dürresommer richtet in einer heckenreichen Agrarlandschaft weniger Schaden an. Von Hecken profitieren auch viele Tiere und Pflanzen, für die Hecken Lebensraum und Verbindungsglied zwischen Biotopen sind. „Die vielfältigen Leistungen von Hecken machen diese zu attraktiven Strukturelementen in der Agrarlandschaft“, sagt Projektleiter Dr. Axel Don. Trotzdem ist es in den letzten Jahrzehnten kaum zu neuen Heckenanpflanzungen gekommen. Dafür sieht der Thünen-Wissenschaftler verschiedene Gründe. Ein Grund sei der Förderdschungel, der Flächenbesitzer*innen und Landwirt*innen überfordere. In jedem Bundesland gibt es andere Programme mit anderen Anforderungen und Angeboten. Es reiche auch nicht, wenn nur die Anlage von Hecken gefördert würde. Die Pflege von Hecken müsse genauso in die Förderung einbezogen werden. Helfen können Landschaftspflegeverbände, von denen einige schon „schlüsselfertige“ Hecken anbieten. Daneben setzen sich auch die Jagdverbände seit langem für eine reicher strukturierte Agrarlandschaft ein.

Langlebigkeit hat Vor- und Nachteile

Die neue Thünen-Studie könnte solchen Initiativen Rückenwind geben. Denn nun wird es erstmals möglich, die Klimaschutzleistung von neuen Hecken zu quantifizieren. Don ist überzeugt: „Es gibt kaum eine Klimaschutzmaßnahme im Agrarbereich, mit der auf so wenig Fläche so viel Effekt erzielbar ist.“ Es gäbe schon erste Firmen, die mit Heckenanpflanzungen eine CO2-Neutralität ihrer Produktion erreichen wollen. Doch warum bleiben das meist nur Pläne? Gerade die Langlebigkeit dieser Strukturelemente sieht Don als Pferdefuß. Hecken stünden unter besonderem Schutz und ließen sich, einmal gepflanzt, nicht so schnell wieder entfernen. Zwar hätte dies den Vorteil, dass damit auch die Kohlenstoffbindung und der Klimaschutzeffekt kaum verloren gehen. Die Flächenbesitzer würden dadurch aber an Flexibilität verlieren – und bisher auch im Unklaren gelassen, ob neue Hecken weiterhin als landwirtschaftliche Nutzflächen gelten und damit förderfähig bleiben.

Darüber hinaus fehlt es an Absatzmärken für den entstehenden Strauchschnitt. Hecken müssen alle 8 bis 12 Jahre abschnittsweise auf den Stock gesetzt, also radikal zurückgeschnitten werden, um ihre Funktion zu erhalten. Durch die Nutzung des anfallenden Strauchschnitts als erneuerbare Energiequelle, z.B. als Holzhackschnitzel, könnte der Klimaschutzeffekt von Hecken sogar noch vergrößert werden, rechnet die Thünen-Studie vor. Im Moment fehlen dazu aber entsprechende regionale Nutzungskonzepte. Stattdessen werden Holzhackschnitzel aus aller Welt importiert. Die Ergebnisse der Thünen-Studie belegen: Um die in den letzten 60 Jahren gerodeten Hecken wieder neu anzupflanzen, würden nur 0,3 % der landwirtschaftlichen Fläche benötigt. Damit ließen sich die ausgeräumten Agrarlandschaften wieder einräumen und gleichzeitig 10 Millionen Tonnen CO2 binden und klimaunschädlich machen.

Originalpublikation: Drexler, S., Gensior, A. & Don, A.: Carbon sequestration in hedgerow biomass and soil in the temperate climate zone. Reg Environ Change 21, 74 (2021). https://doi.org/10.1007/s10113-021-01798-8

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