Wie vertrauenswürdig ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung?

„Deutschland könnte noch 2022 unabhängig von russischem Gas werden“(?)

Das, was der Spiegel als Titel (ohne Fragezeichen) preist, stimmt erst einmal zuversichtlich. Erst beim zweiten Mal draufschauen sieht man den Haken. Die Studie stammt nämlich vom DIW und sie wird daher momentan durch das digitale Klima- und Energiewendedorf getrieben. Ganz besonders von Professorin Claudia Kemfert, die an der Studie mitgearbeitet hat.

DIW? Da war doch was? Wir erinnern uns an einige Kollegen von Kemfert, die ihr vorrechneten, dass sie sich bei den Kosten der Energiewende mal eben um einige Hundert Milliarden verrechnet hat und Kosten als Investition deklariert hat, in der Hoffnung, dass diese dann kein Geld kosten. Der Ökonom Weimann stellte es seinerzeit in einem Bild dar: Es ist in etwa so als wenn man an einem zugefrorenen See steht und behauptet, das wäre gar kein Eis, sondern gefrorenes Wasser. Wir berichteten. Es sind eigentlich drei Hauptthesen, auf die sich die DIW-Studie stützt.

1. Wir sparen und zwar noch dieses Jahr! sehr viel Gas ein.
Wie das bei einer Industrie funktionieren soll, die stark von Gas abhängig ist, erscheint fragwürdig. Sparen könnte man nur mit neuen innovativen Produktionsmethoden, die weniger Gas benötigen. Offenbar geht man beim DIW davon aus, dass solche Methoden noch dieses Jahr zum Einsatz kommen. Welche Neuerungen mögen das sein und warum kennen Industrien wie die Glas-Industrie das DIW-Geheimnis nicht? Das schreit nach DIW-Beratungsbedarf für die Industrie. Auf auf! Bei Haushalten mag das Sparen sogar noch bedingt möglich sein. Ob aber eine Absenkung der Raumtemperatur oder kürzeres Duschen ausreicht hier nennenswerte Beiträge zu leisten? Beim DIW scheint es grenzenloses Vertrauen in die deutschen Installateure zu geben, die in den verbleibenden 8 Monaten des Jahres noch Millionen Haushalte mit Wärmepumpen versorgen. War hier der Wunsch der Vater der Studie?

2. Wir brauchen keine LNG Terminals.
Wirtschaftsminister Habeck hätte sich seine kürzlichen Bemühungen also komplett schenken können, Deutschland zukünftig von russischem Gas unabhängig zu machen und neue Lieferanten zu finden verbunden mit Planungen für Terminals. Die LNG-Terminals in Europa würden ausreichen, sagt das DIW. Vielleicht hat Habeck aber auch einfach nur einen realistischen Blick auf die Dinge und kann einschätzen, dass wir noch sehr lange Gas brauchen werden und eigene Infrastruktur.

3. Norwegen und die Niederlande sollen einfach mehr Gas liefern.
Das hört sich zunächst sinnvoll an. Das Problem: Beide Länder haben bereits deutlich gesagt, dass sie am Fördermaximum sind. Sie können nicht viel mehr liefern, trotzdem geht die DIW Studie davon aus, dass der Import sich aus diesen Ländern erhöht. Spätestens hier kracht die Rechnung dann zusammen. Norwegen hat zwar angedeutet, die Förderung zu erhöhen, die Pipelines sind aber bereits weitestgehend ausgelastet. Die Niederlande haben bei der Förderung an Land gewaltige Probleme mit Setzungen. Gegen neue Felder in der Nordsee, die an Deutschland grenzen, ging ausgerechnet Deutschland vor. Klingt wie ein Zirkelschluss.

Der nächste Zirkelschluss ist die Forderung nach einem schnellen Ausbau von Erneuerbaren Energien, die ja bekanntermaßen sehr volatil sind, bei gleichzeitigem Verzicht auf Gas bei der Stromerzeugung. Dem einzig verbliebenen Rohstoff bei der Stromerzeugung, der Schwankungen kurzfristig ausgleichen kann. Der Tagesspiegel merkt dazu an:

“Zudem müsse man die Speicher für die kommende Heizperiode auf 80 bis 90 Prozent auffüllen. Das DIW räumt aber ein, dass das zusätzliche Angebot nicht ausreicht, um die gesamten bisherigen russischen Erdgasimporte zu ersetzen. Die Forscher empfehlen daher den vollständigen Ersatz von Erdgas in der Stromerzeugung – ein Schritt der laut der Studie annähernd die Hälfte der russischen Lieferungen überflüssig machen würde.”

Vielleicht liebt das DIW auch einfach Braunkohle, wer weiß? Man fragt besser nicht, ob den Studienerstellern der Unterschied zwischen L- und H– Gas bekannt ist, wenn sie mal eben fordern, man müssen ja nur die Pipeline-Infrastruktur einfach nur besser nutzen. Niederländisches Gas gilt als L-Gas (Low calorific gas), es muss in getrennten Gasnetzen transportiert werden. Das wird es auch und es ist nicht ohne Grund vorwiegend im Nordwesten von Deutschland im Einsatz. Die Studie scheint also einige ganz offensichtliche Fragen komplett auszublenden. Und ganz anders als es die Überschrift vermuten lässt, denken andere Experten laut Tagesspiegel, dass es für die Industrie nicht reichen könnte.

“Der Chemiekonzern BASF etwa warnt davor, dass durch fehlende Grundstoffe Produkte wie Lacke, Matratzen, Computer-Chips oder Zahnpastatuben nicht mehr hergestellt werden könnten. Allerdings schätzt der Konzern, dass man mit gut zwei Dritteln der üblichen Gasmenge das meiste noch liefern könne, wie die „Zeit“ berichtet. Ob die DIW-Rechnung mit Einsparungen von nur einem Drittel bei der Industrie aber aufgehen würde, darf bezweifelt werden”

Die wabbeligen Thesen sind für sich genommen zwar tragisch aber bei DIW-Positionen nicht ungewöhnlich. Aber noch tragischer ist, dass sich nun wie bei einem Zitierkartell Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe DUH solche Papiere zu Nutze machen und aktuell Klagen gegen LNG Terminals wie in Brunsbüttel androhen. Gegen Terminals, über die später einmal Champagner äh Wasserstoff geliefert werden soll. Ob die DUH diesen Widerspruch wohl schon erkannt hat oder geht es nur um den Erhalt des eigenen Geschäftsmodells?

Es wird noch etwas schräger, wenn man weiß, dass ein Teil von 3,8 Millionen Euro Projektzuschüssen für die DUH von der öffentlichen Hand kommt. Wieviel genau, das verschweigt die DUH besser in ihren Jahresberichten und saldiert lieber großzügig. Die öffentliche Hand finanziert hier also, dass sie selber verklagt wird. Wir leben in einer verrückten Welt.

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Sieben der zehn klimaschädlichsten Kohlekraftwerke Europas stehen in Deutschland. Ein Artikel im Spiegel beschreibt die Situation. Offenbar ist diese Erkenntnis aber immer noch kein Grund die noch vorhandenen Kernkraftwerke in Deutschland weiterlaufen zu lassen.

“Laut den Daten stießen die sieben deutschen Kraftwerke unter den schmutzigsten zehn Kohlekraftwerken im Jahr 2021 insgesamt 106,3 Megatonnen Treibhausgase aus. Das RWE-Kohlekraftwerk in Niederaußem verzeichnete im vergangenen Jahr demnach eine Zunahme der Emissionen um deutliche 36 Prozent. Insgesamt waren Polen und Deutschland demnach für 53 Prozent der Emissionen im EU-Stromsektor verantwortlich.”

Es sind zudem sogar Reaktivierungen von Braunkohle-Kraftwerken in Deutschland geplant, wie die FAZ berichtet (Bezahlartikel). Ein Grund solche Kraftwerke im Einsatz zu halten ist ihre permanente Verfügbarkeit. Sie sind nicht auf das Wetter angewiesen.

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In einem Interview mit n-tv bastelt sich Professor Volker Quaschning seine eigene Solar-Dolchstoss-Legende. Nicht die extreme Subventionierung der Produktion in China (inkl. sehr günstiger Energie aus Kohleverstromung und das Zulassen von katastrophaler Umweltverschmutzung) hat den Solar-Herstellern in Europa zugesetzt, sondern das Lobbying der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) war schuld. Quaschning wäre aber nicht Quaschning, wenn er nicht sogar von “Psychoterror” sprechen würde.

Wir wissen nicht, wie die gut seine ökonomischen Kenntnisse sind, immerhin erkennt er, dass die Solarindustrie vor 10 Jahren ohne Subventionen nicht überlebensfähig war. Möglicherweise wünscht er sich ja so etwas wie eine Dauersubvention, also sowohl bei der Herstellung (um dann gegen die Subventionen und Bedingungen aus China anzukämpfen) und später bei der Produktion von Solarstrom. Eine etwas einseitige Win/Win-Situation, weil das Loose bei den Stromkunden liegt und gern vergessen wird.

Es wird aber noch etwas absurder. Denn während gleichzeitig die aktuelle Energie-Abhängigkeit von Russland kritisiert wird, muss Quaschning an Ende des Interviews eingestehen, dass Europa bei Solar von China abhängig ist. Die KP in China scheint ja deutlich sympathischer zu sein als russische Kleptokraten. Es wird jedenfalls nicht großartig hinterfragt. Wie auch immer, sollten sich die Vorstellungen von Quaschning durchsetzen, bedeutet es vor allem eines: Es wird teuer.

Wer sich ein Bild von Quaschnings Widersprüchen machen möchte, der findet bei Twitter reichlich Futter. Kernenergie, eine völlig unbedeutende Energiequelle, die aber dafür sorgt, das enorme Mengen an grünem Strom abgeregelt werden müssen. Ahhh, ja.

(Abbildung: Screenshots Twitter)

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Agri-Photovoltaik. Ein neues Zauberwort. Gemeint ist die gemeinsame Nutzung vom Agrarflächen für die Gewinnung von Solar-Strom und Landwirtschaft. Trends der Zukunft hat einen Artikel dazu. Ob die Rohstoffe, die man für die aufwendigen Konstruktionen benötigt, mit bedacht wurden? Viel näher liegend wären eigentlich große Parkplatzflächen, wie sie vor fast jedem größeren Supermarkt zu finden sind oder bisher nicht genutzte Dachflächen. Dort wären viel geringere Konflikte zu lösen.

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In zwei Bundesländern stehen die Umweltministerinnen in der Kritik. Es geht um die Vorgänge rund um die Flutkatastrophe im Sommer 2021. Ursula Heinen-Esser aus Nordrhein-Westphalen zog im Gegensatz zu Anne Spiegel (Grüne) in Rheinland-Pfalz die Konsequenzen und trat laut Zeit zurück. Einen schönen Spagat machen die Grünen in NRW:

“Auch die Grünen warfen Heinen-Esser mangelnde Sensibilität vor. Der Rücktritt dürfte kaum auf echter Einsicht beruhen, „sondern vielmehr aufgrund des großen Drucks von außen geschehen sein“, sagte Fraktionschefin Verena Schäffer.”

Das nennt man dann wohl zweierlei Maß. Denn Anne Spiegel war als Ministerin an dem besagten Abend der Katastrophe nicht zu erreichen, ihr Staatssekretär führte dann angeblich ein Geistertelefonat später mit ihr, eines, das nicht in der Anrufliste seines Telefons auftauchte. Oder war es schlicht Magie? Früher sind Minister wegen ganz anderer Dinge zurückgetreten. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein.

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Leserpost von Dipl. Ing. Martin Krohn:

Betreff: Windkraftanlagen und Artenschutz

Sehr geehrte Damen und Herren,

einige Anmerkungen zum Blog vom 09.04.2022. Ein Artikel berichtet über Windkraftanlagen und Artenschutz. Am Anfang wird berichtet, dass in Amerika ein Betreiber zu einem hohen Bußgeld wegen des Tötens von Greifvögeln durch die Windkraftanlagen verurteilt wurde. Außerdem stehen für zukünftige Tötungen entsprechende Strafzahlungen an.

In Deutschland wird hingegen der Artenschutz ausgehebelt. Den Windkraftanlagen wird ein Status „im überragenden öffentlichen Interesse“ zugewiesen und damit die Tötung hintenangestellt wird. Die Behauptung der Artenschutz sei in dem Gesetz integriert ist der blanke Hohn. Mit dem verringern der Abstandsregeln zu den Nistplätzen der Greifvögel wird der Artenschutz eindeutig als belanglos eingestuft. Die Zumutbarkeit für Windparkbetreiber soll sich nach den Kosten richten, welche einen angemessenen Schutz gewährleisten. Ansonsten wird ein Obolus für die Tötung von Greifvögeln oder Fledermäusen in Artenhilfeprogrammen fällig. Sind einzelne Arten dann eines Tages ausgestorben, kann unter dem Bild der entsprechenden Art ein Schild angebracht werden, mit der Angabe, welche Geldsumme diese Tötungen eingebracht haben. Na, vielen Dank für so einen Naturschutz.

Ein weiterer Punkt, welcher in diesem Artikel nicht vorkommt, über welchen jedoch bereits schon einige Male berichtet wurde ist die Gesundheitsbelastung für die Menschen. Auch die Abstandsreglungen zu Wohnbebauung soll herabgesetzt werden. Dabei sind bereits zahlreiche gesundheitliche Störungen durch den Infraschall oder auch durch den Schattenwurf aufgetreten. Diese Störungen werden oft als Einbildung abgetan, die Betroffenen also als Hypochonder abgestempelt. In Frankreich und in Australien hat es bereits Gerichtsurteile zugunsten der Geschädigten gegeben. Doch solche Gegebenheiten werden in Deutschland ignoriert.

Der verstärkte Windkraftausbau wird gerne mit dem Ukrainekrieg argumentiert (man könnte fast meinen, der Krieg kommt den Grünen sehr gelegen). Deshalb soll die Windkraft verstärkt ausgebaut werden, damit sich Deutschland von russischen Energieimporten unabhängig zu machen. Doch mit den Windkraftwerken ist eine Eigenversorgung nicht zu erreichen. In Flautenzeiten wird von den Windrädern kein oder nur sehr wenig Strom erzeugt. Die Umwandlung von überschüssigem Strom bei starkem Wind in Wasserstoff mit Elektrolyse wird nicht funktionieren. Die Leistungsgradverluste sind zu groß, um nennenswerte Wasserstoffmengen zu erzeugen.

Auf der anderen Seite entstehen durch den Krieg nicht nur Probleme durch die Energieimporte, sondern auch durch fehlende Nahrungsmittel, z. B. Getreideimporte. Mit dem Windkraftausbau werden erhebliche Flächen für landwirtschaftliche Nutzung weggenommen. Somit entsteht die fatale Situation, dass weder eine sichere Energieversorgung in Deutschland gesichert ist als auch eine weitestgehende Unabhängigkeit für Agrarprodukte.

Der gewählte Weg führt in eine fortschreitende Abwärtsspirale.

Viele Grüße

Dipl. Ing. Martin Krohn

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