Wer es glaubt wird selig

Da werden die Briefkästen der Redaktion, die den Tagesthemen-Kommentar vom 20.06.2022 verantwortetet, vermutlich volllaufen mit Protestschreiben.

“Ausgerechnet ein Grüner Minister für Wirtschaft und Klimaschutz muss zusätzliche deutsche Kohlekraftwerke hochfahren. Natürlich nur kurz, 2030 soll mit der Kohle endgültig Schluss sein. Wer es glaubt wird selig.”

(Abbildung: Screenshot ARD-Mediathek)

Danach kritisiert Berbner den deutschen Atomausstieg und skizierte, wo wir heute stehen könnten, ohne den 2011 beschlossenen Ausstieg. Der war bzw. ist offenbar wichtiger als die Senkung von Emissionen.

„Kein großes Industrieland ist uns auf dem Irrweg des überstürzten Ausstiegs aus der Atomkraft gefolgt.“

Das stand im kompletten Kontrast zu einem Interview in der Sendung mit Professor Andreas Löschel von der Uni Bochum. Der sah die deutschen Kernkraftwerke als nicht bedeutsam an und gewann dem vermehrten Verfeuern von Kohle sogar etwas Positives. Dann müsse man sich hinterher mehr anstrengen die eigenen Emissionsziele zu erreichen. Wenn ein Großelternteil stirbt, dann ist ja auch ein Esser weniger am Tisch. So in etwa die Logik. Löschels Ausführungen klangen extrem nach Elfenbeinturm und weit weg von den Problemen der Konsumenten in Sachen Energiepreise. Sein Rat in Sachen Gas: einfach die Nachfrage drücken. Na dann.

Erstaunlich deutlich ist der sonst eher schwammig formulierende Kanzler Scholz offenbar bei der Kernenergie. Der Merkur berichtet von einer Pressekonferenz des Kanzlers. Scholz scheint in einer eigenen Welt zu leben. Für eine Verlängerung sprechen viele Gründe, nicht zuletzt, um Gas bei der Verstromung einzusparen, welches die Industrie dringend benötigt. Auch die praktischen Gründe sind nicht stichhaltig und es klingt eher nach basta.

Sie haben im Bundestag eine Zeitenwende ausgerufen. Gehört dazu nicht auch, die verbliebenen AKWs noch länger laufen zu lassen, um nicht knappes und kostbares Gas verstromen zu müssen?

Die Fachleute sagen uns: Das wird nicht funktionieren. Der Atomausstieg ist lange beschlossen, die Brennelemente und nötigen Wartungsintervalle der Anlagen sind genau auf den Ausstieg abgestimmt worden. Die Brennstäbe reichen bis Jahresende. Neue Brennstäbe zu besorgen, dauert nach diesen Aussagen zwölf bis 18 Monate. Mindestens. Deshalb hilft uns die Atomkraft jetzt nicht weiter, nicht in den beiden nächsten Jahren, auf die es ankommt.

Sie haben also kein ideologisches Problem mit AKWs, sondern ein praktisches?

Ich befürworte den Ausstieg aus der Atomenergie aus vollem Herzen. Gleichwohl: Wenn es problemlos möglich wäre, die Laufzeit um ein oder zwei Jahre zu verlängern, würde sich jetzt wohl kaum jemand dagegen stellen. Da das aber offenbar nicht möglich ist, halte ich mich mit der Frage nicht lange auf.

Ganzes Interview im Merkur lesen.

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Eines der schönsten Stücke Natur in Deutschland, die Mecklenburger Seenplatte, soll möglicherweise mit reichlich Windkraftanlagen bestückt werden. Das berichtet der Nordkurier. Das Blatt berichtet auch über die Gegenwehr gegen die Pläne.

“Für Jens Pörksen aus dem Vorstand des Aktionsbündnisses Freier Horizont und der Bürgerinitiative „Jetzt reicht’s” aus Demmin stehen dagegen schon jetzt mehr als genug Anlagen in der Region. „Negative Beispiele, wie es bei einer Verwirklichung dieser sinnlosen Planungen hier meistenteils aussehen wird, gibt es ja schon.” Altentreptow sei von Windrädern „umzingelt”. Und auch in Grapzow, Kletzin und Siedenbrünzow sind Windräder aus seiner Sicht viel zu nah an Wohngebieten. „Soll es demnächst hier überall so sein? Nein, denn wir wollen unsere Natur, unsere Umwelt und unsere Heimat für uns und unsere Gäste erhalten”, so Pörksen.

Auch die gegenwärtige Energiekrise rechtfertige kein Umdenken. „Zugeständnisse kann es hier und eben gerade jetzt nicht geben.” Die Krise sei von der Regierung selbst verschuldet, Deutschland schon immer abhängig von Energieexporten. „Selbst eine Verzehnfachung des Anlagenbestandes würde nicht ausreichen, um unseren Energiebedarf sicher zu decken”, so Pörksens Einschätzung.”

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Im Jahre 1600 v. Chr. gab es eine starke globale Abkühlung. Bislang hielt die Wissenschaft den Ausbruch des Vulkans Thera auf Santorini dafür verantwortlich. Zur gleichen Zeit brach aber auch ein Vulkan im heutigen Alaska aus und der hatte vermutlich weit mehr Einfluss. Das berichtet www.archaeologie-online.de.

“Weit weniger bekannt ist ein zweiter Vulkanausbruch ungefähr zur selben Zeit: die Eruption von Aniakchak II, einem abgelegenen Vulkan in der Alëutenkette im heutigen Alaska. Mit über 100 Megatonnen Schwefeldioxidausstoss, grösstenteils in die Stratosphäre, und der nachgewiesenen globalen Ausbreitung der Aerosole bis in die Antarktis, war dies die stärkste klimawirksame Eruption der vergangenen 4.000 Jahre. Dies zeigt eine Studie mit Beteiligung der Universität Bern, die in der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) Nexus publiziert wurde. In der Untersuchung wurden die Ausbruchsjahre und die Klimawirksamkeit aller bedeutenden Vulkanausbrüche zwischen 1700 und 1500 v. Chr. rekonstruiert.

«Bis anhin wurde die globale Abkühlung im Jahr 1627 v. Chr. dem Ausbruch von Thera zugeschrieben. Das hat sich als falsch erwiesen. Wir konnten zeigen, dass dafür die kolossale Eruption von Aniakchak verantwortlich war», sagt Michael Sigl, Koautor der Studie. Er ist Assistenzprofessor für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern und leitet die Forschungsgruppe Paläovulkanismus und Klimafolgen am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung.”

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Das größte Windrad der Welt soll n Schipkau in der Oberlausitz entstehen. Das berichtet T-Online. Der Artikel dort ist insgesamt eher zweifelhaft, denn es wird erneut der schräge Apfel/Birnen-Vergleich in Sachen Vogelschlag durch Windräder bemüht. Der Unterschied zwischen Garten- und Singvögeln sowie Greifvögeln muss extrem schwer zu verstehen sein. Oder die Präsentatorin hat tatsächlich morgens häufig Greifvögel vor der Tür liegen, die entweder gegen die Fensterscheiben geflogen sind oder von der eigenen Katze erlegt wurden.

Nun muss man wissen, dass T-Online zum Werbeunternehmen Stroer gehört. Ebenso wie das Portal Watson über das wir schon einige Male berichtet haben. Es darf hier also kein journalistischer Maßstab angelegt werden. Das würde auch niemand mit den Anzeigenblättchen machen, die mehrmals in der Woche im Briefkasten landen. Werbung garniert mit seichten Nachrichten, mehr ist es meist nicht. In diesem Fall ist es einfach nur die Online-Ausgabe davon. Es geht darum Klickvieh einzusammeln und das Kalkül, dass es mit solchen Themen besser funktioniert Werbung auszuspielen.

(Abbildung: Screenshot T-Online.de)

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Ob die ”Letzte Generation” damit gerechnet hat? Die Polizei setzt nach Angaben von Focus gewöhnliches Speiseöl ein, um die Aktivisten am Montag, den 20.06.2022 von der Fahrbahn zu entfernen. Das ist zwar in letzter Zeit sehr teuer geworden, aber immer noch schneller und günstiger, als wenn Ärzte kommen müssten, wie in der Vergangenheit. Das ist vor dem Hintergrund der Aktivisten-Forderung ”Öl sparen statt bohren” besonders skurril.

(Abbildung: Screenshot Video Focus.de)

Nach Angaben der Welt wurden in Berlin, dem Schwerpunkt der Aktion, 75 Demonstranten festgenommen.

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Martin Schlumpf berichtet am 20. Juni 2022 im Nebelspalter: 

Grosser Ressourcenverschleiss bei Solarstrom – Schlumpfs Grafik 48

Die Sonne scheint zwar von alleine. Aber die technischen Anlagen, um daraus Strom zu erzeugen, brauchen viel Platz, verschlingen grosse Mengen an Ressourcen und führen zu giftigen Abfällen. Das ist alles andere als nachhaltig.

Vor kurzem haben Forscher der ETH Lausanne und der Empa berechnet, welche Fläche wir mit Solarpanels überbauen müssten, damit wir in der Schweiz bis 2050 das Netto-Null-Ziel beim CO2 erreichen könnten (siehe hier). Je nach gewähltem Energiesystem wären es 81 bis 236 Quadratmeter pro Kopf. Das ist das Zwei- bis Fünffache der durchschnittlichen Wohnfläche pro Kopf. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind es 700 bis 2000 Quadratkilometer, was 21 bis 61 Prozent der gesamten Siedlungsfläche der Schweiz entspricht. Mit anderen Worten: Die Fläche ist so riesige, dass für Fotovoltaik nutzbare Dächer oder Fassaden bei weitem nicht ausreichen.

Solaranlagen brauchen über 300 mal mehr Fläche als Kernkraftwerke

Aufschlussreich ist der Vergleich mit einem Kernkraftwerk. Nehmen wir das Kernkraftwerk Gösgen, das auf einer Fläche von zwölf Hektaren Platz hat. Das ist ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 350 Metern. Unter der optimistischen Annahme, dass mit Fotovoltaik-Anlagen pro Quadratmeter jährlich 200 Kilowattstunden Strom erzeugt werden können, wären 40 Quadratkilometer nötig, um dieselbe Menge Strom zu erzeugen wie im Kernkraftwerk Gösgen. Das heisst, Solaranlagen brauchen gut 330 mal mehr Platz als Kernkraftwerke.

Weiterlesen im Nebelspalter. Auch verfügbar auf schlumpf-argumente.ch.

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Eos, 10.6.2022:

Why Did Sunspots Disappear for 70 Years? Nearby Star Holds Clues

Five decades of data revealed a star undergoing a pause in magnetic activity similar to what the Sun experienced almost 400 years ago.

Weiterlesen bei Eos

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Müller-Plath et al. 2022 haben Zusammenhänge zwischen dem europäischen Regen und charakteristischen Luftdruck-Indizes gefunden. Die Arbeit erschien in Scientific Reports aus der Nature-Zeitschriften-Familie:

Long-distance air pressure differences correlate with European rain

Precipitation in Europe shows natural fluctuations that differ considerably between seasons and geographical regions. A number of studies have linked local or seasonal rainfall variability to various long-distance air pressure differences in north–south or west–east direction. This paper presents the first continent-wide analysis of European rainfall variability on a month-by-month and country-by-country basis. We calculated Pearson r values for unsmoothed monthly rainfall data of 39 European countries over the period 1950–2019 with five potential climatic drivers, namely the North Atlantic Oscillation (NAO), the Arctic Oscillation (AO), the North Sea Caspian Pattern (NCP), and two indices of Mediterranean Oscillation (MOI2, WeMOI). For a variety of countries and months we found substantial and statistically significant r values of up to r = 0.7 and more. The dynamic temporal-spatial evolution of the Pearson correlations was mapped out across the continent, tracking the gradual or abrupt expansion, displacement and subsequent waning of the various effects over the course of the year. The correlation analysis was complemented by best subset multiple regression, controlling for intercorrelation of the potential drivers. Our results may help to improve short- to midterm rainfall prognoses in Europe and provide important calibration data for the further refinement of climate models.

Das pdf können Sie kostenfrei hier herunterladen.

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