Vorindustrieller Klimawandel in Südamerika: Das Mittelalter war warm, Gletscher geschrumpft

Das Klima des Mittelalters gibt immer noch Rätsel auf. In vielen Teilen der Erde ereignete sich eine Wärmeperiode, die von den gängigen Klimamodellen noch immer nicht zufriedenstellend simuliert werden kann. Das Problem: Natürliche Klimafaktoren spielen in den Modellen nahezu keine Rolle. Umso wichtiger ist daher, zunächst eine saubere Klimakartierung dieser wichtigen Periode durchzuführen. Eine Forschergruppe um Sebastian Lüning legte jetzt eine Übersicht zum mittelalterlichen Klima in Südamerika vor, welche im Fachblatt Quaternary International erschien. Die Wissenschaftler fassten dabei eine Vielzahl von Fallstudien des gesamten Kontinents zusammen. Zu den Klimaarchiven gehörten unter anderem Pollenuntersuchungen in See-Sedimenten der Anden, die das Steigen und Fallen der Baumgrenze dokumentierten. Andere Studien rekonstruierten das oszillierende Schrumpfen und Wachsen von Andengletschern oder befassten sich mit Baumringen. Im Ergebnis stellten  Lüning und sein Team fest, dass der allergrößte Teil der 76 Einzelstudien eine Erwärmung während des frühen 2. Millenniums anzeigt. Die Mittelalterliche Wärmeperiode war also auch in Südamerika stark vertreten. Ausnahmen bildeten einige Küstengewässer, in denen verstärkter Auftrieb kalter Wassermassen zu einer Abkühlung führte. Hier der Abstract der Studie:

The Medieval Climate Anomaly in South America
The Medieval Climate Anomaly (MCA) is a climatic perturbation with a core period of 1000-1200 AD that is well-recognized in the Northern Hemisphere (NH). Its existence in the Southern Hemisphere (SH) and the level of synchronicity with the NH is still a matter of debate. Here we present a palaeotemperature synthesis for South America encompassing the past 1500 years based on multiproxy data from 76 published land and marine sites. The data sets have been thoroughly graphically correlated and the MCA trends palaeoclimatologically mapped. The vast majority of all South American land sites suggest a warm MCA. Andean vegetation zones moved upslope, glaciers retreated, biological productivity in high altitude lakes increased, the duration of cold season ice cover on Andean lakes shortened, and trees produced thicker annual rings. Similar MCA warming occurred in coastal seas, except in the year-round upwelling zones of Peru, northern Chile and Cabo Frio (Brazil) where upwelling processes intensified during the MCA due to changes in winds and ocean currents. MCA warming in South America and the NH appears to have occurred largely synchronous, probably reaching comparable intensities. Future studies will have to address major MCA data gaps that still exist outside the Andes in the central and eastern parts of the continent. The most likely key drivers for the medieval climate change are multi-centennial Pacific and Atlantic ocean cycles, probably linked to solar forcing.

Die südamerikanische Klimakartierung ist Teil einer weiterreichenden globalen Untersuchung zum mittelalterlichen Klimawandel. Das Projekt wurde in der Startphase freundlicherweise durch Crowdfunding unterstützt. Hierbei werden alle publizierten Klimarekonstruktionen in einer Google Map zunächst gesammelt und anschließend detailliert geplottet und miteinander verglichen. Im Anhang der Regionalsynthesen wird jede einzelne Lokation genau ausgewertet und daraus abzuleitende Klimaveränderungen ergebnisoffen diskutiert. Die Studien profitieren von der großen Kooperationsbereitschaft einer Vielzahl von Paläoklimatologen, die bereitwillig ihre Daten für die Auswertung zur Verfügung stellen und Fachfragen mit den Autoren der Synthesen diskutieren. Allen Beteiligten ein großes Dankeschön!

 

 

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