Um Antwort wird gebeten: Weshalb zeigt „Planet Schule“ immer noch die von der Fachwelt verworfene PIK-Golfstrom-Hypothese?

An: Redaktion von Planet Schule
Von: Dr. habil. Sebastian Lüning

Gesendet: 18.4.2015
Antwort: 19.6.2015 (siehe unten)

 

Sehr geehrte Redaktion von Planet Schule,

Sie senden am 24.4.2015 im SWR-Fernsehen einen Film über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Golfstrom. Es handelt sich offenbar um einen 3-minütigen Clip aus dem Jahr 2011.
http://www.planet-schule.de/sf/php/sendungen.php?sendung=9683

Die Animation zur Wirkungsweise des Golfstroms ist sehr gelungen und illustriert die Funktionsweise dieser wichtigen Meeresströmung ausgezeichnet. Allerdings hat sich die wissenschaftliche Diskussion seit 2011 maßgeblich weiterentwickelt. Insbesondere können die allermeisten Fachinstitute die vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) behauptete Abschwächung des Golfstroms nicht nachvollziehen. Im Gegenteil, der Golfstrom scheint heute so stabil wie eh und je.
http://www.kaltesonne.de/neue-golfstrom-publkation-des-pik-fallt-in-der-fachwelt-glatt-durch/

Ich finde es daher nicht mehr angemessen, dass Sie deutschen Schülern immer noch die heute veraltete Theorie als wahrscheinlichstes Modell vorstellen. Gerade im Bereich Schule sollte wissenschaftlich besonders sauber gearbeitet werden, was bei diesem Film leider nicht der Fall ist. Weshalb beschränken Sie sich nicht zum Beispiel auf die Darstellung des Golfstroms unter Verwendung der schönen Animationssequenzen und betonen die positiven Auswirkungen für die europäische Seite des Atlantiks?

Mich würde abschließend noch interessieren, mit welchen wissenschaftlichen Beratern Sie bei dieser Produktion zusammen gearbeitet haben. Vielen Dank für Ihre Antwort im voraus, die wir gerne mit unseren Lesern auf www.kaltesonne.de teilen würden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. habil. Sebastian Lüning

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Von: Monika Buscher, Redaktionsleitung Bildung, SWR-Fernsehen
An: Sebastian Lüning

Gesendet: 19.6.2015

Sehr geehrter Herr Dr. habil. Lüning,

vielen Dank für Ihr Interesse an dem Angebot von Planet Schule. Wir freuen uns, dass Sie die Animation zur Funktionsweise des Golfstroms als sehr gelungen beurteilen. Die Beschreibung der positiven Auswirkungen des Golfstroms auf die europäische Seite des Atlantiks – wie von ihnen vorgeschlagen – haben wir bereits in anderen Sendungen aufgegriffen.

Das Szenario des kurzen Filmclips aus dem Jahr 2011 beschreibt neben der Funktionsweise der Meeresströmung, welche Auswirkungen durch Erwärmung bedingtes Abschmelzen von grönländischem Eis auf den Golfstrom haben könnte. Zahlreiche Fachwissenschaftler sehen nach wie vor die im Film angesprochenen Risiken. Zum Beispiel weist die von Ihnen als Gegenposition zur aktuellen PiK-Studie erwähnte Pressemitteilung der Universität Heidelberg  zwar darauf hin, dass die Ozeanzirkulation im Atlantik stabiler ist als gedacht. Gleichzeitig macht sie aber deutlich, dass in der Studie Veränderungen der Tiefenwasserzirkulation im Nordatlantik über die letzten 140000 Jahre untersucht wurden. Rückschlüsse auf die Auswirkungen des von Menschen verursachten Klimawandels lassen sich laut Evelyn Böhm aus diesen Ergebnissen aber nur begrenzt ziehen: „Die heutigen CO2-Emissionen bedeuten einen bis dato nie dagewesenen Eingriff in das Klimasystem, aber deren Auswirkungen waren nicht Gegenstand unserer Studie“.

Der Filmclip erfüllt aus unserer Sicht gerade im Bereich Schule zweierlei: Erstens erklärt er sehr einleuchtend, wie der Golfstrom funktioniert und zweitens regt sein Szenario zur unterrichtlichen Diskussion und zum Abgleich mit aktuellen Studien an. Daher halten wir die Behandlung dieses Aspekts nach wie vor für fachlich angemessen und in der Schule geboten.

Mit freundlichen Grüßen

Monika Buscher

SWR-Fernsehen – Wissenschaft und Bildung
Redaktionsleitung Bildung

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Von: Sebastian Lüning
An: Monika Buscher

Gesendet: 19.6.2015

Sehr geehrte Frau Buscher,

Herzlichen Dank für Ihre Antwort. Vielleicht ist die Heidelberger Studie für die Heutezeit wirklich nicht aussagekräftig genug. Daher möchte ich Ihnen gerne weitere Quellen nennen, die einen aktuell stabilen Golfstrom beschreiben. Hieraus wird hoffentlich deutlich, dass es sich bei der PIK-Eischätzung in der Tat um eine wissenschaftliche Randmeinung handelt, die aus Gründen der Neutralität keineswegs alleinstehend präsentiert werden darf.

Hier wäre zunächst eine Arbeit aus dem Januar 2014 eines Forscherteams um Thomas Rossby von der University of Rhode Island in den Geophysical Research Letters:

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/2013GL058636/abstract
Dort heißt es im Abstract:
On the long-term stability of Gulf Stream transport based on 20 years of direct measurements
In contrast to recent claims of a Gulf Stream slowdown, two decades of directly measured velocity across the current show no evidence of a decrease. Using a well-constrained definition of Gulf Stream width, the linear least square fit yields a mean surface layer transport of 1.35 × 105 m2 s−1 with a 0.13% negative trend per year. Assuming geostrophy, this corresponds to a mean cross-stream sea level difference of 1.17 m, with sea level decreasing 0.03 m over the 20 year period. This is not significant at the 95% confidence level, and it is a factor of 2–4 less than that alleged from accelerated sea level rise along the U.S. Coast north of Cape Hatteras. Part of the disparity can be traced to the spatial complexity of altimetric sea level trends over the same period.

Zur gleichen Schlussfolgerung war auch bereits die NASA vor einigen Jahren gekommen. In einer Pressemitteilung vom 25. März 2010 gab die Behörde bekannt:

http://www.nasa.gov/topics/earth/features/atlantic20100325.html
NASA Study Finds Atlantic ‘Conveyor Belt’ Not Slowing
New NASA measurements of the Atlantic Meridional Overturning Circulation, part of the global ocean conveyor belt that helps regulate climate around the North Atlantic, show no significant slowing over the past 15 years. The data suggest the circulation may have even sped up slightly in the recent past. The findings are the result of a new monitoring technique, developed by oceanographer Josh Willis of NASA’s Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Calif., using measurements from ocean-observing satellites and profiling floats. The findings are reported in the March 25 issue of Geophysical Research Letters. […] For now, however, there are no signs of a slowdown in the circulation. “The changes we’re seeing in overturning strength are probably part of a natural cycle,” said Willis. “The slight increase in overturning since 1993 coincides with a decades-long natural pattern of Atlantic heating and cooling.”

Ihre Kollegen vom Deutschlandfunk haben über weitere Arbeiten berichtet:

http://www.deutschlandfunk.de/nordatlantik-bleibt-europas-warmwasserheizung.676.de.html?dram:article_id=222000 und http://www.deutschlandfunk.de/stabile-waermepumpe.676.de.html?dram:article_id=29060

Auch die Universität Bergen sieht in den vergangenen 20 Jahren einen stabilen Golfstrom:

http://forskning.no/klima/2015/05/golfstrommen-stabil-de-20-siste-arene
http://wattsupwiththat.com/2015/05/23/norwegian-observations-confirms-the-gulf-stream-has-been-stable-over-the-past-20-years/

Sie schreiben “…zweitens regt sein Szenario zur unterrichtlichen Diskussion und zum Abgleich mit aktuellen Studien an.” Wo findet dieser Abgleich statt? Im Film jedenfalls nicht. Steht vielleicht auf Ihrer Webseite etwas zur offensichtlichen Diskrepanz, so dass Lehrkräfte hier Zusatzmaterial für Diskussionen im Unterricht hätten?

Leider sind Sie nicht auf meine Frage zu den wissenschaftlichen Beratern eingegangen. Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich um Kollegen des PIK handelt?

Mit besten Grüßen

Sebastian Lüning

 

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