Klimaalarm für Katowice: Tagesschau liefert pünktlich zum UN-Klimakonferenzstart

Die UN-Klimakonferenz in Katowice hat am 2. Dezember 2018 begonnen. Wie üblich spielen Medien entsprechende „Begleitmusik“ dazu und berichten über vermeintliche Klimawandelschäden aus der ganzen Welt, um Bürger auf bevorstehende finanzielle Opfer vorzubereiten. Denn nur wenn sich die Bevölkerung am Leid der Erde mitschuldig fühlt, werden die Gelder ohne großes Murren bereitzustellen sein. Das wissen Politiker und haben in den Medien gute Helfer gefunden.

Pünktlich zum Konferenzstart kramte die Tagesschau Klimalarm aus dem armen Indien hervor, der einerseits das biblische Bild der Sintflut bedient, andererseits auch die Idee fördert, dass der reiche Westen durch ungezügelte Exzesse den armen Ländern das Leben zur Hölle macht. Tagesschau.de berichtete am 2.12.2018:

Folgen des Klimawandels: Die Insel, die im Meer versinkt

Die indische Insel Ghoramara ist knapp fünf Quadratkilometer groß – noch. Denn Ghoramara ist von den Folgen des Klimawandels unmittelbar betroffen. Seit den 1980er-Jahren ist sie um die Hälfte geschrumpft. Wenn der Meeresspiegel weiter steigt, wird es eng für die Bewohner der kleinen Insel Ghoramara vor der indischen Küste im Golf von Bengalen. Schon jetzt werden ihre Felder und Häuser bei Stürmen und heftigem Regen regelmäßig überflutet.

Ein Bewohner erläutert, dass er sein Haus bereits mehrfach von der Küste weg ins Inland habe umsetzen musste, da der alte Platz bei Stürmen überflutet worden sei. Auslandskorrespondent Bernd Musch-Borowska vom ARD-Studio Neu-Delhi lässt keinen Zweifel daran, wer hier der Schuldige ist, nämlich letztendlich der Tagesschau-Zuschauer selber. Das meint er als studierter Politologe ganz genau zu wissen:

Das Leben auf der kleinen Insel südlich der Millionen-Stadt Kalkutta, ist sehr spartanisch und genau genommen ökologisch vorbildlich. Ohne Strom und ohne Autos tragen die Inselbewohner kaum zum CO2-Ausstoß in die Atmosphäre bei – und doch sind sie die Leidtragenden des Klimawandels.

Die Verkleinerung der Insel hat auch dazu geführt, dass sich die Inselbevölkerung in den letzten zehn Jahren halbiert hat. Es würden dringend höhere Deiche gebraucht. Kurioserweise werden dann Wissenschaftler zitert, deren Expertise mehr im Bereich Ereuerbare Energien als auf bei Küstendynamik oder Klimawandel liegt:

Auch Wissenschaftler halten eine Umsiedlung der Bewohner von Ghoramara für unausweichlich. Die Regierung tue zu wenig, klagt Suruchi Bhadwal, vom Institut für Energie- und Entwicklungsforschung TERI in Delhi, das sich mit erneuerbaren Energiequellen befasst. „Diese Inseln wird es irgendwann nicht mehr geben. Die sind ja nur knapp eineinhalb Meter hoch. Und für die Menschen, die dort leben, man muss sich schnell etwas überlegen. Man muss sie umsiedeln. Die Regierung muss sich jetzt wirklich damit befassen“, fordert Bhadwal.

Das TERI-Institut wurde lange vom IPCC-Vorsitzenden Rajendra Pachauri geleitet, der wegen sexueller Belästigungs-Vorwürfe zurücktreten musste. Zu Beginn des Korrespondentenbeitrags wird der Meeresspiegelanstieg als einziger Faktor genannt. Dies wird am Ende des Beitrags von Musch-Borowska wie folgt ergänzt:

Der Golf von Bengalen, mit Küstenabschnitten in Indien, Bangladesch und Myanmar, gehört nach Einschätzung der Vereinten Nationen zu den Regionen, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffenen sein werden. Hier könnten Millionen Menschen ihren Lebensraum verlieren, sagt Peteri Taalas, der Generaldirektor der UN-Organisation für Meteorologie.

Merken Sie es auch: Verwendung des Futur („betroffen sein werden“) und Konjunktiv („könnten“). In wiefern ist die Verkleinerung der Insel nun wirklich ein bereits eingetretener Klimawandelschaden? Musch-Borowska schreibt:

[Peter Taalas] findet den Begriff Erderwärmung etwas irreführend. Denn „die größten Auswirkungen des Klimawandels werden die Veränderungen bei den weltweiten Niederschlägen sein, mit Überflutungen und Dürreperioden. Und das wiederum wird sich auf die Lebensmittelproduktion auswirken“. Vor allem für die Küstenregionen mit ihren Millionenstädten stelle der Anstieg des Meeresspiegels eine Gefahr dar. Insbesondere in Indien und China, wo selbst große Städte davon betroffen seien, so Taalas.

Clever. Da die Errwärmung sich in den letzten 15 Jahren stark verlangsamt hat, will man von der „Klimaerwärmung“ lieber erst mal nicht mehr hören. Stattdessen werden „Fluten“ und „Dürren“ angedroht. Soweit der ARD-Beitrag. Interessant ist dabei vor allem, was NICHT im Beitrag stand. Zunächst die Lage der Insel. Wikipedia weiß:

Ghoramara liegt 150 km südlich von Kalkutta im indischen Bundesstaat Westbengalen, in den Sundarbans im Golf von Bengalen. Die Insel liegt im Mündungsbereich des Flusses Hugli, einem Mündungsarm des Ganges. Sie liegt nur einen Meter über dem Meer und hat eine Fläche von rund 4,7 km².

Ein Blick auf Google Maps (Zoom-Ansicht hier) reicht, um den Charakter der Insel zu erkennen: Inseln in Flussdeltas unterliegen ständigen Veränderungen. Strömungen ändern sich, Erosion setzt den Inseln zu, an anderer Stelle entstehen neue Inseln. Es herrscht eine extrem hohe natürliche Küstendynamik in solchen Gebieten. Insofern hätten die Bewohner gar nicht erst auf dem flachen ständig gefährdeten Eiland siedeln dürfen. Nachzulesen z.B. auf Jana et al. 2012:

Morphological Change Study of Ghoramara Island, Eastern India Using Multi Temporal Satellite Data
Ghoramara island is situated at 18.36 nautical miles away from Haldia dock in Hooghly estuary, Eastern India. It is a rhombic shaped island covering an area of around 4.8 km² with a total shoreline length of 8.5 kms. This sparingly populated sensitive ecosystem is rapidly changing its morphology due to extensive coastal erosion on the northwestern coast and marginal accretion on the southeastern side. The degradation of the system due to natural and anthropogenic causes leads to the total areal reduction of the island. There is a major loss of agricultural land and fisheries. The two islands Lohachara and Supribhanga lying to the southwest of Ghoramara have already been submerged. The vulnerability and stability of the island is the major fear of the inhabitants. In the present study, multi-resolution and multi-temporal satellite images of Landsat have been utilized to understand the erosion accretion pattern of the island over past four decades (1972-2010). The rate of change in shoreline positions have been estimated using statistical linear regression, end-point rate and net shoreline movement method and cross-validated with regression coefficient (R²) method. Land use land cover map has been prepared for all these years to understand how the erosion-accretion affected the island. It has been shown that the island is constantly shrinking over time and lost almost 50% of its area.

Bereits Ghosh et al. 2003 haben Satellitenbilder ausgewertet und prognostizierten, dass sich die Insel allmählich nach Osten verlagert und in mittlerer Zukunft mit dem Festland verscmelzen wird:

It has been shown that, in the absence of protection measures, the eastern shore will merge with the Indian mainland during the next 25 years, while the western part will be completely washed off.

Ähnliche Prozesse spielen sich übrigens an der deutschen Nordseeküste ab. Die Ostfriesischen Inseln sind ständig in Bewegung und verlagern sich, angetrieben von Strömungen und Sandumlagerungen.

Dazu kommt im Fall von Ghoramara noch die Subsidenz. Deltagebiete sind dafür bekannt, dass sie durch die allmähliche Verfestigung ihrer Sedimente – die sogenannte Kompaktion – absinken. Diese Kleinigkeit hat n24 doch glatt ausgelassen. Dabei hatte Nature India zwei Jahre zuvor explizit am 30. April 2013 darauf hingewiesen, dass die Überflutung nicht allein durch den Klimawandel verursacht wird:

Seven years after the first report on the ‘vanishing islands’ of Sundarbans, Subhra Priyadarshini revisits the fragile delta in the Bay of Bengal to find that it is not just climate change that threatens the existence of this world heritage mangrove tiger-land spread across the Indo-Bangladesh border. […] “In the last 25 years, the rate of relative sea level rise comes close to 8 mm/year, significantly higher than the rate of 3.14 mm/year in the previous decade,” he says. In a recent report he co-authored for the World Wide Fund for Nature (WWF)3, Hazra says besides global warming and the subsequent thermal expansion of water, the rather rapid subsidence of the Bengal delta (2-4 mm/year), compaction of silt and other local causes may be responsible for the exceptionally high rate of relative sea level rise in the Indian Sundarbans.

Die Wissenschaft hat das Absenkungsproblem bereits intensiv studiert, umso seltsamer, dass die Tagesschau kein Wort über die Ergebnisse verliert. So berichtete 2013 der Geologe Till Hanebuth über Ergebnisse aus dem Deltabereich Bangladeschs. Sein Team fand natürliche Absenkungsraten von mehr als 4 Millimeter pro Jahr. Diese Rate ist deutlich höher als der klimatisch-bedingte Meeresspiegelanstieg. In der Ergebnisbeschreibung des Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft heisst es:

Assessing the recent subsidence of the central coastal Delta of Bangladesh by dating submerged kilns The densely populated low lying Ganges‐Brahmaputra Delta is highly vulnerable to the global sea‐ level rise. In order to estimate the subsidence of the delta, we examined submerged salt‐producing kiln sites in the coastal Sundarbans. These kilns were built just above the previous winterly spring high‐tide level, but are currently located ~155 cm below the corresponding modern level. According to optically stimulated luminescence (OSL) dating, the kilns were ultimately fired ~300 years ago and salt production was terminated by a catastrophic event, which affected the kiln sites at different levels and locations. AMS‐14C ages of charcoal at the kiln’s base and associated mangrove stump ho‐ rizons support the OSL dates. Based on the elevations and the ages, the 300‐year‐average rate of sinking of the outer delta is 5.2 ± 1.2 mm/a, which includes 0.8 mm/a of eustatic sea‐level rise. Reasonably postulating that the sub‐ sidence rate will not change during the next few decades and accepting the estimates of current sea‐ level rise of 1.8–3.0 mm/a or 2.7–7.1 mm/a, a RSL rise of 6.4 ± 1.7 mm/a or 8.9 ± 3.3 mm/a, respectively, must be assumed along the Sundarbans coasts.

Ähnliche Absenkungsbeträge fanden übrigens auch bereits auch Stanley & Hait (2000). Durch den Bau von zahlreichen Staudämmen im Ganges-Einzugsbereich ist die Sedimentfracht des Flusses gesunken, so dass weniger Material im Delta ankommt, was die dortigen Inseln ebenfalls destabilisiert. Eine Studie von Syvitski et al. 2009 beschreibt die wichtigsten Facetten des Problems:

Sinking deltas due to human activities
Many of the world’s largest deltas are densely populated and heavily farmed. Yet many of their inhabitants are becoming increasingly vulnerable to flooding and conversions of their land to open ocean. The vulnerability is a result of sediment compaction from the removal of oil, gas and water from the delta’s underlying sediments, the trapping of sediment in reservoirs upstream and floodplain engineering in combination with rising global sea level. Here we present an assessment of 33 deltas chosen to represent the world’s deltas. We find that in the past decade, 85% of the deltas experienced severe flooding, resulting in the temporary submergence of 260,000 km2. We conservatively estimate that the delta surface area vulnerable to flooding could increase by 50% under the current projected values for sea-level rise in the twenty-first century. This figure could increase if the capture of sediment upstream persists and continues to prevent the growth and buffering of the deltas.

Das Blog Ek Sparsh schilderte 2015 konkrete nichtklimatische anthropogene Gefahren für die Insel Ghoramara:

Dr Sugarto Hazra, an oceanographer at the University of Calcutta says there is more than one cause of the problem.“Cutting down the mangrove that used to cover the island, to make way for farming, destroyed the ecology. The mangrove used to bind the topsoil in position. Now it is being washed away. The farmers also used to dig wells to get fresh water for irrigating their paddies. But in time,  underground reservoirs emptied and then collapsed.  Added to all that, the sea level is rising around here, as it is everywhere in response to global warming. So the land is subsiding and at the same time the sea is advancing.”

Inselbewohner haben die schützende Mangroven abgehackt, um Ackerland zu gewinnen. Dadurch war der Boden den Sturmwellen schutzlos ausgeliefert. Zudem haben die Bewohner wohl die Grundwasserlinse unter der Insel so stark ausgebeutet, so dass es zu zusätzlicher Subsidenz und Landsenkung kam.

ZUSAMMENFASSUNG:
Die schrumpfende indische Insel Ghoramara liegt in einem Mündungsarm des Ganges. Wie üblich in solchen Deltas, verursachen die Strömungen eine ständige Verlagerung und Umgestaltung der Inseln. Der Bau von Staudämmen im Flussoberlauf des Ganges führte zu einer Redution der im Delta zur Verfügung stehenden Sedimentmenge. Zudem hat die Zerstörung der Mangrovenvegetation die Insel anfällig gegen Bodenerosion während Stürmen gemacht. Die exzessive Entnahme von Grundwasser ließ die Insel absenken, welche zur regionalen Bodenabsenkung im Deltabereich dazuzuaddieren ist. Die Absenkungsraten sind dabei höher als der globale Meeresspiegelanstieg. Im Tagesschau-Beitrag wird dagegen fälschlicherweise suggeriert, dass der Meeresspiegelanstieg das Hauptproblem sei. Richtig ist vielmehr, dass das Schrumpfen der Insel Ghoramara eine Vielzahl von Ursachen hat, die in natürliche, nicht-klimatisch anthropogene und klimatisch anthropogene unterschieden werden können.

 

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