Problem Dunkelflaute: Wer zahlt die doppelte Infrastruktur?

„Viel Wind, Sonne und Corona geben der Kohle den Gnadenstoß.“ Das twittert Susanne Götze vom Spiegel. Sie ist die Autorin des Buches „Die Klimaschmutzlobby“. Es passt ganz gut, dass der SPIEGEL sich gerade von der Meinungsvielfalt verabschiedet hat und nun nach dem Motto agiert, das nur noch das ist, was sein soll. Frau Götze ist ein schönes Beispiel dafür wie es nun beim Spiegel laufen soll.

Nun, in dem Artikel geht es glücklicherweise etwas differenzierter zu, denn es ist z. T. ein Interview. Jedenfalls scheint Frau Götze Frank Peter von der Agentur Agora Energiewende einige Fragen gestellt zu haben. In dem Artikel wird munter frohlockt, dass Großbritannien es nach 138 Jahren geschafft hat, komplett aus der Kohle auszusteigen. Frau Götze verwechselt Dampfmaschinen und Kohlekraftwerke, die gibt es noch nicht ganz so lang. Aber das ist gar nicht entscheidend.

„Großbritannien ist seit zwei Monaten kohlefrei – das erste Mal seit rund 200 Jahren. Durch Corona nimmt die Bedeutung der Energieform weltweit ab, auch hierzulande.“

Es ist die Kunst der halben Wahrheit, die andere Hälfte lässt man besser weg, weil sie nicht zum eigenen Narrativ passt. Wie die Global Coal Exit List aufweist, sind Stand September 2019 noch Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 580 GW weltweit in Planung. Dazu kommen die etwa 2.500 Kohlekraftwerke auf der Welt, die in Betrieb sind und für 2.000 GW Leistung stehen.

Schauen wir daher einmal auf die Electricty Map für das Vereinigte Königreich für den 11.06.2020, um die andere Hälfte der Wahrheit noch besser zu sehen, was eigentlich die Aufgabe der Journalistin gewesen wären, aber sei es drum. Und wir schauen fairerweise sogar am Tage nach, denn die Bilanz wäre nachts noch etwas ungünstiger, da Solar komplett ausfällt. Und siehe da, 37% des Stroms in UK kommen aus Kernenergie und Erdgas sowie als Import aus Frankreich, was dann aber auch wieder in erster Linie Kernenergie ist. Wind liefert trotz der Insellage mit viel Küste nur 41% seiner Nennleistung.

Der gleiche Blick zur gleichen Zeit auf Deutschland: 40% kommen durch Kernenergie, Kohle und Gas. Allesamt verhasst bei den Energiewende-Fanboys und Fangirls, aus zweien davon will Deutschland aussteigen.

Die Frage, auf die es aber leider nie eine Antwort gibt, wie sollen diese 40% gedeckt werden, wenn die drei besagten Energieträger wegfallen und wir weder Sonnenschein noch Wind haben? Man kann dann Strom aus Polen holen, der wird in erster Linie aus Kohle gewonnen oder aus Frankreich, aber das ist dann nur aus den Augen aus dem Sinn, weil es „böse“ Kernenergie ist und wir uns die Emissionen aus Polen einfach nur wegdenken müssen.

Sich darauf zu verlassen, dass der Wind schon irgendwo in Europa wehen wird, löst das Problem leider auch nicht. Am 11.06.2020 wehte in fast ganz Europa nur ein laues Lüftchen, wie Ventusky sehr eindrucksvoll zeigt. Nur in der Biskaya herrscht etwas mehr Wind, aber da ist weit draußen und dort gibt es auch keine Windkraftanlagen.

Es bedeutet für Deutschland, dass von den ca. 60 GW installierte Windkraft-Leistung nur 9,6 GW geliefert werden, das sind rund 15%. Es würde auch nicht bedeutend mehr werden, wenn man die Zahl der Windkraftwerke erhöht. Kein Wind oder wenig Wind bleibt kein oder wenig Wind.

Fossile Energie und Erneuerbare Energie hängen weit mehr zusammen, als manchem lieb ist. In Ermangelung von Speichern dienen die fossilen Energien quasi als Speicher. Es bedeutet allerdings auch, dass für jede Photovoltaik-Anlage und für jedes Windrad immer eine Schattenkapazität vorhanden sein muss. Der logische Schluss daraus sind real galoppierende Strompreise, weil wir uns den Luxus einer doppelten Infrastruktur leisten und die bekommt man nicht für den Preis einer Kugel Eis im Monat.

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„Wenn du merkst, dass Du auf einem toten Pferd reitest, dann ist es besser, Du steigst ab“. Diese alte Indianer-Weisheit nimmt sich Luisa Neubauer, einer der führenden Köpfe von Fridays For Future (FFF) zu Herzen und sattelt quasi um. Nachdem die Verbindung Klima und Corona nur mittelmäßig funktioniert hat und auch das Thema Rassismus nur eine begrenzte Haltbarkeit beschieden sein wird, ist sie nun beim Thema Wirtschaft angelangt.

Sie twittert ein kurzes Video, in dem sie über wirtschaftliches Wachstum philosophiert. Dabei trägt sie die neuesten Apple Airpods Plus im Ohr. Die haben einen Preis etwa 280 Euro und sind ein Kind der Globalisierung, designed in den USA, gebaut in China und dann nach Europa per Schiff mit Schwerölantrieb. Ein besseres Produkt, das für wirtschaftliches Wachstum steht, kann es eigentlich kaum geben. Und eines, welches die Umwelt deutlich mehr belastet als Kabelkopfhörer auch nicht, die kabellosen Kopfhörer haben eine maximale Laufzeit von 4 Stunden, müssen daher sehr oft geladen werden und können wie viele Apple Produkte nach 700 Ladezyklen leider auf den Müll. Die Kapazität danach sinkt so rapide, dass die Produkte nahezu unbrauchbar werden. Kopfhörer allemal.

Aber dann macht sie noch etwas, was man Cherry Picking Deluxe nennt auf Twitter. Sie retweetet eine Meldung der BBC. Am 10.06.2020 war es im Norden von Russland beim Ort Nizhnyaya Pesha sehr warm, sie fügt noch hinzu, „das ist wirklich, wirklich schlecht“.

Nun hatten wir ja erst vor Kurzem eine deutsche Biologin und besorgte Eltern aus Chemnitz, die verblüfft waren, dass es auch in anderen Ländern die Jahreszeiten gibt und Temperaturen im Sommer auf der Nordhalbkugel ansteigen können. Wobei verblüfft das falsche Wort ist, die Meldungen über sommerlichen Temperaturen dort haben die betreffenden Personen in pure Alarmstimmung versetzt. In Sibirien muss es nämlich immer kalt sein, obwohl die Temperaturen dort im Jahr von – 40 Grad bis + 40 Grad schwanken können.

Aber nun zu Nizhnyaya Pesha im Norden von Russland. Der Ort hatte am 10.06.2020 von einer ganz bestimmten Wetterlage profitiert. Die gibt es zwar sehr selten, aber es gibt sie. Sie tritt immer dann auf, wenn warme Luft aus dem Süden in den Norden gebracht wird. Anders als beim Überqueren von großen Wasserflächen kühlt die Luft dabei nicht stark ab. Über Süd-Russland liegt gerade ein sehr warmer Bereich und der strömte nach Norden. Man nennt es Wetter. Aber, Wetter wäre nicht Wetter, wenn sich solche Situationen nicht auch schnell wieder ändern. Bereits einen Tag später weist der Ort nur noch 10 Grad Temperatur auf, wie uns ein Blick auf Ventusky verrät.

Die Strömung hat auf Nord gedreht, die warme Luft aus dem Süden Russlands wird gerade in Richtung Deutschland getragen und hier für sehr hohe Temperaturen und Gewitter sorgen. Sehen wir aber nun eine Tweet über Nizhnyaya Pesha von Luisa Neubauer in dem steht: Das ist wirklich, wirklich normal?

Nein eher nicht. Wetter ist nicht Klima. Ist es irgendwo auf der Welt zu warm und wenn es auch nur für kurze Zeit ist, gehen die Doomsday-Sirenen an. Kehrt Normalität ein, dann ist das aber keine Silbe wert. Das hatten wir erst kürzlich mit Australien und Sibirien und nun mit dem Norden Russlands. Es ist die gleiche Geschichte, die immer und immer wieder erzählt wird. Sie wird nur nicht wahrer.

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