Von Andrea Andromidas
Vor genau einem Jahr hatte Minister Gabriel seinen hellen Moment, als er beim Besuch des Solarkomponenten-Herstellers SMA am 17. April 2014 in Kassel folgendes sagte:
„Die Wahrheit ist, daß die Energiewende kurz vor dem Scheitern steht… Die Wahrheit ist, daß wir auf allen Feldern die Komplexität der Energiewende unterschätzt haben… Für die meisten anderen Länder in Europa sind wir sowieso Bekloppte.“
Sieben Monate später sprach der Direktor der „Denk“-Fabrik „Agora Energiewende“ Dr. Patrick Graichen ganz offen von einer „kollektiven Fehleinschätzung der Gutachterbranche“ und wurde am 4. Dezember 2014 mit folgenden Worten in Die Zeit zitiert: „Wir haben uns geirrt bei der Energiewende. Nicht nur bei ein paar Details, sondern in einem zentralen Punkt. Die vielen neuen Windräder und Solaranlagen, die Deutschland baut, leisten nicht, was wir uns von ihnen versprochen haben. Wir hatten gehofft, daß sie die schmutzigen Kohlekraftwerke ersetzen würden, die schlimmste Quelle von Treibhausgasen. Aber das tun sie nicht.“
Seither ist die Rede vom sogenannten Energiewende-Paradox, von dem angeblich unvorhergesehenen Unglück, daß der nun seit vier Jahren auf Hochtouren laufende Energieumbau Deutschlands das Gegenteil von dem produzierte, was man eigentlich wollte: Der Markt bevorzugte die preiswerteren Kohlekraftwerke und beförderte die besseren, aber auch teureren Gaskraftwerke in die Pleite. Das Klimaziel ist verfehlt, der Anspruch Klimarettung im Eimer, die CO2-Emissionen steigen, die Blamage ist perfekt. Aber nicht nur der Umweltschutz ist im Eimer. Erst recht sind die beiden anderen Pfeiler einstmals kompetenter Energiewirtschaft in gefährlicher Schieflage: Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.
Was die Versorgungssicherheit angeht, erzeugt jede extreme Wetterlage die Gefahr eines Blackouts und damit die Notwendigkeit von Kriseninterventionen, deren Zahl von etwa 10 im Jahr 2000 jetzt auf mehr als 3000 im Jahr 2014 angestiegen ist. Von Wirtschaftlichkeit kann keine Rede mehr sein. Im Jahr 2000 betrug der durchschnittliche Strompreis für deutsche Haushalte etwa 14 Cent pro Kilowattstunde, heute liegt dieser Preis bei 29 Cent. Die Gesamtbelastung einschließlich Steuern und Abgaben lag im Jahr 2000 bei knapp sieben Milliarden Euro, heute dagegen bei 35 Milliarden.
Wenn man schon öffentlich zugeben muß, daß man sich so gründlich geirrt hat, dann wäre es doch ganz normal, daraus die Konsequenzen zur sofortigen Umkehr zu ziehen. Das Problem ist aber, daß hier so gut wie nichts normal ist. Warum nicht? Weil wir es mit ideologischen Geisterfahrern zu tun haben, mit Leuten, denen Wissenschaft ein Fremdwort ist. Ginge es wirklich um die Reduktion von CO2-Emissionen, dann wären ja gerade Kernkraftwerke das allerbeste. Hier geht es aber um die irrationale Erfindung eines menschengemachten Klimawandels und andere erfundene Behauptungen. Ideologen geht es überhaupt nur darum, daß die Glaubensformeln überleben – möglichst länger als die Wirtschaft und selbst dann, wenn der Irrtum schon sichtbar ist.
Für diese Haltung ganz typisch ist die jüngste Kurzschlußreaktion von Minister Gabriel auf die Schlappe mit dem verfehlten Klimaziel: Um der Blamage zu entgehen, verordnete er kurzerhand eine Klima-Strafabgabe für ältere Braunkohlekraftwerke, wohl wissend, daß damit mehrere Zehntausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen, dazu ein wirtschaftlicher Teil des Kraftwerkparks und vielleicht insgesamt der letzte heimische Energieträger. Solche Entscheidungen sind mittlerweile notorisch. Gerade mal vier Monate nach Gabriels Kasseler Geständnis veröffentlichte sein Ministerium im August 2014 ein Papier, in welchem er forsch verkündet, sie hätten jetzt die Nachteile der Energiewende – einfach gestrichen.
Einfach war es schon deshalb, weil nur Nebensächliches auf den Prüfstand kam. Daß die kollektive Fehleinschätzung in der von vornherein irrigen Annahme liegt, daß Wind- und Sonnenenergie im Gegensatz zu Kernkraftwerken beherrschbar seien, kam natürlich keinem der ministerialen Experten überhaupt in den Sinn. Also machte das Ministerium lediglich ein paar Abstriche bei den ohnehin üppigen Subventionen für Neuanlagen und beim Zubau von Biomasse und erklärte: Nun sei alles planbar, berechenbar und sicher, der Siegeszug des „weltweit beachteten Projekts“ sei nun möglich.
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