Osteuropäische Kälteperioden während solarer Schwächephasen

Ein internationales Forscherteam um Ulf Büntgen erstellte kürzlich mithilfe von Baumringen eine Temperaturrekonstruktion für Osteuropa für die vergangenen eintausend Jahre. Die Studie erschien im Januar 2013 im Fachmagazin PNAS. Büntgen und sein Team fanden eine Reihe von Kälteepisoden, die interessanterweise mit solaren Inaktivitätsphasen zusammenfallen (Abbildung 1). Die Autoren schreiben hierzu in ihrer Arbeit:

„Der visuelle Vergleich der Temperaturrekonstruktion und der Sonnenaktivität deutet auf eine Verknüpfung beider Prozesse im Bereich von mehreren Dekaden bis Jahrhunderten hin.“

Abbildung 1: Sonnenaktivität (rote Kurve oben) mit Angabe der solaren Minimaphasen (Wolf, Spörer, Maunder, Dalton). Darunter ist die Temperaturrekonstruktion Osteuropas auf Basis von Baumringen dargestellt (braune Kurve). Quelle: PNAS.

 

Hier die dazugehörige Pressemitteilung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL vom 14.1.2013:

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Osteuropa: Jahrringe als Zeugen von Klima- und Kulturgeschichte
In den vergangenen Tausend Jahren gingen Kälteperioden in Osteuropa mit schwierigen Zeiten für die Menschen einher. Heute ist es in dieser Region warm wie noch nie. Das sind zwei Ergebnisse aus der dendrochronologischen Untersuchung eines internationalen Forscherteams unter der Leitung von Ulf Büntgen von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL und von der Universität Bern. Die Wissenschaftler haben zum ersten Mal die Frühlingstemperaturen in Osteuropa seit dem Mittelalter lückenlos berechnet. Ihre Studie wurde am 14. Januar 2013 in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences, USA“ veröffentlicht.

Anhand von 545 absolut datierten Holzproben lebender und historischer Lärchen (Larix decidua Mill.) aus den nördlichen Karpaten in der Slowakei konnten die jährlichen Temperaturschwankungen zwischen Mai und Juni bis ins Jahr 1040 n.Chr. zurück rekonstruiert werden. Die aus dem Tatra- Gebirge stammenden Jahrringdaten spiegeln die Klimageschichte in Osteuropa und speziell im Baltikum wider. Die Jahrringe beschreiben mehrere kalte Phasen zwischen ca. 1150 und 1400 sowie im 19. Jahrhundert. Milde Frühlinge wurden hingegen in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts sowie von ca. 1400-1780 berechnet. Die Klimaerwärmung seit der zweiten Hälfte des 20. Jhd. ist im Vergleich zum gesamten letzten Jahrtausend einmalig.

Neben dem Aufbau einer baumjahrring-basierten Temperaturgeschichte hat das Forscherteam* klimatische Epochen mit kulturgeschichtlichen Ereignissen verglichen. Pestausbrüche, politische Unruhen, Migrationswellen und kriegerische Konflikte stimmen oft mit vergangenen Kältephasen überein. Auch Veränderungen der Siedlungsaktivität zeigen Zusammenhänge mit Klimaschwankungen. Der „Schwarze Tod“ in der Mitte des 14. Jahrhunderts, der 30-jährige Krieg zwischen ca. 1618-1648 und der Russlandfeldzug Napoleons 1812 sind die drei prominentesten Beispiele, in denen kulturhistorisch relevante Ereignisse mit extremen Kälteeinbrüchen in Osteuropa übereinstimmen.

Die nun erschienen Resultate bestätigen ähnliche Beobachtungen einer früheren auf Jahrringen basierenden Analyse in Mitteleuropa. Gleichzeitig warnt der Leiter beider Studien, Ulf Büntgen, ausdrücklich vor zu schnell getroffenen und vereinfacht dargestellten Verknüpfungen: „Die Beziehungen zwischen Klima und Geschichte sind äusserst komplex und bei weitem noch nicht vollständig erforscht. Gleichzeitig wissen wir heute aber auch, dass in gut dokumentierten und sorgfältig analysierten Jahrringchronologien weitaus mehr Informationen enthalten sind als bisher angenommen.“ Weitere Daten, unabhängige Studien und interdisziplinäre Ansätze sind daher von grossem Interesse, um zukünftig noch detailliertere Aussagen treffen zu können.

 

 

 

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