NZZ: „Selbst wenn die Menschheit den Ausstoss klimaverändernder Substanzen drastisch verringerte, wäre die Wirkung auf die Temperatur erst nach vielen Jahren erkennbar“

Sven Titz in der Neuen Zürcher Zeitung am 7.7.2020:

Der Erfolg heutiger Massnahmen zum Klimaschutz wird auf sich warten lassen – mindestens bis zum Jahr 2035

Es ist eine weitverbreitete Hoffnung, dass sich eine Reduktion der Treibhausgasemissionen schnell bemerkbar machen wird. Diese Erwartung trügt. Selbst wenn die Menschheit den Ausstoss klimaverändernder Substanzen drastisch verringerte, wäre die Wirkung auf die Temperatur erst nach vielen Jahren erkennbar. Die Luft würde sich keinesfalls sofort abkühlen, sondern sich stattdessen weiter erwärmen. Der Erfolg wäre nur daran zu erkennen, dass die Erwärmung schwächer ausfallen würde – jedenfalls verglichen mit einem Szenario mit höheren Emissionen. Bis dieser Unterschied klar hervortritt, dauert es aber seine Zeit. Diese Aussage ist unter Fachleuten zwar bekannt und gilt als unumstritten. Nicht wenige Laien rechnen aber damit, dass der Effekt klimapolitischer Massnahmen schnell sichtbar wird.

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Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der vor zwei Jahren eine ähnliche Studie publizierte, lobt die neue Arbeit. Bei manchen Politikern, so sagt er, seien kurzlebige klimaverändernde Substanzen wie Methan und Russ für Massnahmen sehr beliebt. Die neue Arbeit erteile der damit verbundenen Hoffnung einen wohlbegründeten Dämpfer, sagt Marotzke.

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Und warum gibt es keine schnell sichtbaren Erfolge? Wegen der natürlichen Klimavariabilität.

Hier die dazugehörige Publikation von Samset et al. 2020 die in Nature Communications am 7.7.2020 erschien:

Delayed emergence of a global temperature response after emission mitigation

A major step towards achieving the goals of the Paris agreement would be a measurable change in the evolution of global warming in response to mitigation of anthropogenic emissions. The inertia and internal variability of the climate system, however, will delay the emergence of a discernible response even to strong, sustained mitigation. Here, we investigate when we could expect a significant change in the evolution of global mean surface temperature after strong mitigation of individual climate forcers. Anthropogenic CO2 has the highest potential for a rapidly measurable influence, combined with long term benefits, but the required mitigation is very strong. Black Carbon (BC) mitigation could be rapidly discernible, but has a low net gain in the longer term. Methane mitigation combines rapid effects on surface temperature with long term effects. For other gases or aerosols, even fully removing anthropogenic emissions is unlikely to have a discernible impact before mid-century.

Hier die Highlights der Studie. Und hier ein Beitrag vom DLF zum Paper zum Nachhören. Auch die Washington Post berichtete.

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Immer wieder toben auf der Sonne starke Stürme, die zu Ausbrüchen energetischer Teilchen führt. Auf der Erde machen sich diese Ereignisse als Radiokarbon-Anomalien bemerkbar, so z.B. in Baumringen der Jahre 774/775 und 993/994 nach Christus. Scifo et al. 2019 untersuchten diese Ereignisse und stellten fest, dass sie meist während der Maxima der solaren 11-Jahres-Schwabe-Zyklen auftraten. Abstract der Studie die im Nature-Ableger Scientific Reports erschien:

Radiocarbon Production Events and their Potential Relationship with the Schwabe Cycle

Extreme cosmic radiation events occurred in the years 774/5 and 993/4 CE, as revealed by anomalies in the concentration of radiocarbon in known-age tree-rings. Most hypotheses point towards intense solar storms as the cause for these events, although little direct experimental support for this claim has thus far come to light. In this study, we perform very high-precision accelerator mass spectrometry (AMS) measurements on dendrochronological tree-rings spanning the years of the events of interest, as well as the Carrington Event of 1859 CE, which is recognized as an extreme solar storm even though it did not generate an anomalous radiocarbon signature. Our data, comprising 169 new and previously published measurements, appear to delineate the modulation of radiocarbon production due to the Schwabe (11-year) solar cycle. Moreover, they suggest that all three events occurred around the maximum of the solar cycle, adding experimental support for a common solar origin.

Am 8.7.2020 berichtete die DLF-Sendung „Forschung aktuell“ über das Paper, hier nachzuhören. Im Dezember 2019 brachte ukrant.nl einen populärwissenschaftlichen Artikel zur Forschung.

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Interessiert an Vorhersagen? Dann besuchen Sie die Webseite von Karsten Haustein:

Die Temperaturen fallen!

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Thilo Spahl am 27.6.2020 auf Achgut:

Wie schnell steigt eigentlich der Meeresspiegel?

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Wie steht es um die kleinen Inselgruppen, von denen wir immer hören, dass sie im Meer versinken? Eine aktuelle Analyse der verfügbaren Daten, die 30 Atolle im Pazifik und im Indischen Ozean mit zusammen 709 Inseln abdecken, zeigt, dass kein Atoll Landfläche verloren hat und dass 88,6 Prozent der Inseln entweder stabil blieben oder an Fläche zunahmen, während nur 11,4 Prozent schrumpften.

Die Landfläche von Tuvalu ist einer Studie zufolge von 1971 bis 2014 um 73 Hektar beziehungsweise 2,9 Prozent gewachsen. Und das, obwohl im gleichen Zeitraum der Meeresspiegel um Tuvalu um 3,9 Millimeter pro Jahr, also überdurchschnittlich, gestiegen ist. Um Fidschi brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Das ist ein Paradies aus Vulkaninseln und durchaus zum Bergwandern geeignet.

Und Kiribati? 2015 gab der Präsident bekannt, 2020 würde man mit der Evakuierung der Bevölkerung beginnen. Man fragt sich allerdings, warum. Einer Studie zufolge hat der südliche Teil von Tarawa, wo mehr als die Hälfte der Einwohner von Kiribati lebt, an Landmasse gewonnen und ist innerhalb von 30 Jahren um fast 20 Prozent gewachsen. Der zumeist unbewohnte Norden des Atolls ist der Untersuchung zufolge weder geschrumpft noch größer geworden.

Die schönste Geschichte der umfänglichen Untergangsprosa der letzten Jahrzehnte ist selbst untergegangen. Sie war am 1. Dezember 2018 als Titelgeschichte im Spiegel, beziehungsweise am 30. November 2018 online unter dem Titel „London, Paris und Polen sind untergegangen“ erschienen. Heute lässt sich die Seite zwar noch abrufen, der Text fehlt aber. Wir lesen:

„An dieser Stelle stand ursprünglich ein Text des früheren SPIEGEL-Redakteurs Claas Relotius bzw. ein Text, an dem er beteiligt war. Die Berichterstattung von Relotius hat sich in weiten Teilen als gefälscht herausgestellt […]“. Dass Relotius den gebuchten Flug nach Kiribati im Gegensatz zu Claudia Roth gar nicht erst angetreten hatte, konnte man unschwer daran erkennen, dass ihm sonst aufgefallen wäre, dass in der angeblich vom Meer verschlungenen Stadt London derzeit knapp 2.000 Menschen wohnen.

Ganzen Artikel auf Achgut lesen.

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