Neuer IPCC-Bericht in der Bredouille: Außer Kontrolle geratene Modelle und ein neuer Hockeystick

Der Klimazustandsbericht des IPCC fungiert als wichtige Referenz für Klimapolitik und die öffentliche Diskussion. Den wenigsten ist jedoch klar, dass die Autoren des Berichts politisch handverlesen sind. Zwar kann sich jeder als Autor bei den nationalen IPCC-Kommittees bewerben, die Auswahl geschieht aber nichttransparent hinter verschlossenen Türen. Der IPCC musste dafür viel Kritik einstecken, bleibt aber beharrlich bei seiner ausgrenzenden Linie. So haben Kritiker keine Chance, sich an den Klimaschiedsrichterberichten zu beteiligen.

Aktuell wird der 6. IPCC-Bericht (Assessment Report 6, AR6) erstellt. Die erste Begutachtungsrunde ist abgeschlossen und die Arbeiten am zweiten Entwurf sind in vollem Gange. Eines der zentralen Themen eines jeden Berichts ist die Erwärmungswirkung des CO2, die CO2-Klimasensitivität. In den letzten 30 Jahren hat sich hier kaum etwas verändert. Der Wert ist immer noch sehr schlecht bekannt und reicht von „können wir noch stemmen bzw. müssen es aber im Auge behalten“ bis „katastrophal stark erwärmend“. In Zahlen: 1,5°C bis 4,5°C Erwärmung pro CO2-Verdopplung. In den letzten Jahren hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass der Wert wohl eher in der unteren Hälfte der IPCC-Spannweite verortet ist. Insofern konnte man gespannt sein, wie der AR6 damit umgeht.

Hoffen Sie nicht zu viel, denn der IPCC scheint trotz vielfach publizierter Hinweise auf ein schwächer erwärmendes CO2 seiner Alarmlinie treu zu bleiben. Paul Voosen plauderte am 16. April 2019 in Science aus dem Nähkästchen. Die IPCC-Modellierer hätten einige Prozesse in ihren Klimasimulationen „verbessert“ und waren dann ganz überrascht, dass die Modelle plötzlich viel heißer liefen als zuvor. Die CO2-Klimasensitivität lag nun plötzlich oberhalb der zuvor für möglich gehaltenen Spanne, nämlich bei 5°C. Wow! Die Alarmisten feierten ein Freudenfest. Allerdings machten ihnen seriösere Kollegen offenbar einen Strich durch die Rechnung und meldeten Bedenken an. Auszug aus Voosens Artikel:

New climate models predict a warming surge

For nearly 40 years, the massive computer models used to simulate global climate have delivered a fairly consistent picture of how fast human carbon emissions might warm the world. But a host of global climate models developed for the United Nations’s next major assessment of global warming, due in 2021, are now showing a puzzling but undeniable trend. They are running hotter than they have in the past. Soon the world could be, too.

In earlier models, doubling atmospheric carbon dioxide (CO2) over preindustrial levels led models to predict somewhere between 2°C and 4.5°C of warming once the planet came into balance. But in at least eight of the next-generation models, produced by leading centers in the United States, the United Kingdom, Canada, and France, that “equilibrium climate sensitivity” has come in at 5°C or warmer. Modelers are struggling to identify which of their refinements explain this heightened sensitivity before the next assessment from the United Nations’s Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). But the trend “is definitely real. There’s no question,” says Reto Knutti, a climate scientist at ETH Zurich in Switzerland. “Is that realistic or not? At this point, we don’t know.”

[…]

Many scientists are skeptical, pointing out that past climate changes recorded in ice cores and elsewhere don’t support the high climate sensitivity—nor does the pace of modern warming. The results so far are “not sufficient to convince me,” says Kate Marvel, a climate scientist at NASA’s Goddard Institute for Space Studies in New York City. In the effort to account for atmospheric components that are too small to directly simulate, like clouds, the new models could easily have strayed from reality, she says. “That’s always going to be a bumpy road.”

Die CO2-Klimasensitivität bleibt ungewiss, Modellierer sind ratlos. Dabei hatten sie alles so schön für den AR6 geplant gehabt. Kurz vor Abschluss der Arbeiten bauten sie noch schnell einen neuen Aerosoldatensatz ein, der dann aber alles umhaute. Die Modelle zeigten plötzlich kaum noch Erwärmung für das 20. Jahrhundert an. Au weia. Vielleicht waren die Modellierer der Wahrheit damals schon näher als gedacht, blieb doch jetzt viel Raum für natürliche Klimafaktoren, die sie aber vorsorglich vorher auf Null gesetzt hatten. Der Mensch war es, ja ja ja. Alles, 100%! Also wurden die Modelle wieder komplett umgestellt. Und das führte dann letztendlich zu den verrückt hohen Werten von 5°C pro CO2-Verdopplung. Lesen Sie selbst:

Late in the model’s development cycle, however, the NCAR group incorporated an updated data set on emissions of aerosols, fine particles from industry and natural processes that can both reflect sunlight or goose the development of clouds. The aerosol data threw everything off—when the model simulated the climate of the 20th century, it now showed hardly any warming. “It took us about a year to work that out,” says NCAR’s Andrew Gettelman, who helped lead the development of the model. But the aerosols may play a role in the higher sensitivity that the modelers now see, perhaps by affecting the thickness and extent of low ocean clouds. “We’re trying to understand if other [model developers] went through the same process,” Gettelman says.

Was hat das Modellierungs-Chaos für Konsequenzen für den AR6?

In assessing how fast climate may change, the next IPCC report probably won’t lean as heavily on models as past reports did, says Thorsten Mauritsen, a climate scientist at Stockholm University and an IPCC author. It will look to other evidence as well, in particular a large study in preparation that will use ancient climates and observations of recent climate change to constrain sensitivity.

Der AR6 wird sich auf die Simulationen nicht verlassen können und muss daher andere Argumentationszweige stärker in den Vordergrund stellen. Aber eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Der IPCC wird behaupten, dass die Temperaturprognosen noch viel sicherer geworden seien als im Vorgängerbericht, trotz des Totalausfalls der Klimamodelle. Das macht zwar überhaupt keinen Sinn, ist aber politisch notwendig.

Der Ausweg: Die neue Hockeystick-Kurve, die PAGES2k Ende Juli 2019 gerade noch rechtzeitig in nature geoscience veröffentlichen konnte:

Abbildung: Globale Temperaturrekonstruktion der letzten 2000 Jahre laut PAGES2k 2019.

Wenn Sie dachten, der Hockeystick von Michael Mann hätte vor kurzem per Gerichtsurteil endgültig seinen Gnadenstoß erlitten, dann irren Sie gewaltig. Der Hockeystick ist tot – es lebe der Hockeystick. Fakt ist: Ein neuer Hockeystick ist soeben im Juli 2019 geboren worden. Punktgenau, um im IPCC-Bericht Verwendung zu finden. Es wird gemunkelt, dass die Kurve bereits im ersten Entwurf des AR6 enthalten war, obwohl sie damals noch gar nicht veröffentlicht war. Mysteriös. Die Mittelalterliche Wärmeperiode ist darin plattgebügelt und lediglich 0,3°C wärmer als die Kleine Eiszeit. Wow. Sind das die „ancient climates“ die Voosen in seinem Beitrag anspricht und die die neue Grundlage der Argumentation bilden?

Schaut man sich die PAGES2k-Datenbasis genauer an, so fallen etliche Unzulänglichkeiten auf. Zunächst wird eine große Anzahl von Baumringen verwendet, von denen die wenigsten formal als Fallstudien begutachtet publiziert wurden. Beispiel: Die Studie verwendet Baumringe aus den französischen Meeralpen, obwohl eine Fachpublikation zur Region eindeutig davon abrät, die Baumringe dort als Temperatur-Proxies zu verwenden. Dies ist kein Einzelfall. Geht man detailliert durch die PAGES2k-Datenbasis, so findet man eine ganze Latte solcher Schnitzer, die im Peer Review offenbar übersehen wurden. Nachzulesen in den unten aufgeführten Papers.

Es fällt weiterhin auf, dass die PAGES2k-Arbeit keine der kürzlichen Publikationen zur Mittelalterlichen Klimaanomalie zitiert, obwohl das Mittelalterklima eines der wichtigsten Themen im Bereich Paläoklima darstellt. Mindestens zwei der Publikationen waren den PAGES2k-Autoren zugänglich (andere erschienen erst später), die jedoch aus unerfindlichen Gründen ignoriert wurden. Die Arbeiten konnten die mittelalterliche Erwärmung auf der gesamten Südhalbkugel nachweisen. Einige kleinere Gebiete kühlten zeitgleich auch ab, ähnlich zu den heute aktiven Temperaturwippen und küstennahen Auftriebsgebieten. Auf der Nordhalbkugel war die Mittelalterliche Wärmeperiode stets bekannt. Insofern ist es ein absolutes Rätsel, wie die neue Hockeystick-Kure zustande kam, wenn nicht durch eine fragwürdige Datenbasis.

Lüning, S., L. Schulte, S. Garcés-Pastor, I. B. Danladi, M. Gałka (2019): The Medieval Climate Anomaly in the Mediterranean region. Paleoceanography and Paleoclimatology, doi: 10.1029/2019PA003734

Lüning, S., M. Gałka, F. Vahrenholt (2019): The Medieval Climate Anomaly in Antarctica. Palaeogeogr., Palaeoclimatol., Palaeoecol., doi: 10.1016/j.palaeo.2019.109251 

Lüning, S., M. Gałka, F. García-Rodríguez, F. Vahrenholt (2019): The Medieval Climate Anomaly in Oceania. Environmental Reviews, online Just-IN, doi: 10.1139/er-2019-0012

Lüning, S., M. Gałka, F. P. Bamonte, F. García-Rodríguez, F. Vahrenholt (2019): The Medieval Climate Anomaly in South America. Quaternary International, 508: 70-87. doi: 10.1016/j.quaint.2018.10.041.

Lüning, S., M. Gałka, F. Vahrenholt (2017): Warming and cooling: The Medieval Climate Anomaly in Africa and Arabia. Paleoceanography 32 (11): 1219-1235, doi: 10.1002/2017PA003237.

Fazit: Es ist an der Zeit, dass sich der IPCC für Kritik öffnet. Die Klimamodelle sind außer Kontrolle geraten, die paläoklimatischen Rekonstruktionen ebenfalls. Was bleibt ist Klimachaos. Zeit für einen wissenschaftlich nachhaltigen Neuanfang bei dem Kritik ernsthaft gehört und integriert wird. Die Ausgrenzung von Kritikern war ein historischer Fehler, der dem IPCC nun auf die Füße fällt.

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