Neue Studie: Was steuert den Regen in Afrika?

Pressemitteilung des Instituts für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften vom 5. März 2021:

—–

Eine neue Studie analysiert Muster der natürlichen Niederschlagsvariabilität und kann afrikanischen Staaten bei der saisonalen Regen-Vorhersage für Landwirtschaft und beim Schutz vor Dürren & Starkregen entscheidende Hilfen leisten.

Ausreichender Niederschlag ist die Grundbedingung für ertragreiche Landwirtschaft und eine gesicherte Ernährung der Bevölkerung. Bis vor kurzem war es jedoch nicht möglich, den Regen zuverlässig mehrere Monate im Voraus vorherzusagen, was immer wieder zu unerwarteten Ernteausfällen führte. Seit einigen Jahren zeichnen sich jedoch Fortschritte ab. Die Literatur berichtete immer wieder über spannende Korrelationen der Temperatur- und Luftdruck-Muster auf den Weltozeanen mit Regenfällen, aber auch Dürren, in Afrika und auf anderen Kontinenten.

Eine Forschergruppe um Horst-Joachim Lüdecke wollte es genauer wissen und hat nun die monatlichen Regendaten von 49 afrikanischen Ländern für den Zeitraum 1901 bis 2017 mit statistischen Methoden akribisch nach Mustern durchforstet. Dabei verglichen die Wissenschaftler die Regen-Schwankungen mit fünf in der Wissenschaft fest etablierten ozeanischen Indizes natürlichen Ursprungs sowie der Sonnenaktivität. Die Auswertung ergab eine Vielzahl von robusten Korrelationen quer über den afrikanischen Kontinent mit charakteristischen saisonalen Verläufen. Seit längerem war bekannt, dass der Atlantik über die sogenannte Atlantische Multidekadenoszillation (AMO) und Nordatlantische Oszillation (NAO) Einfluss auf die Niederschläge in Marokko sowie der Sahelzone nimmt. In Ostafrika wurden bislang Einflüsse aus dem Indik und Pazifik berichtet. Diese Zusammenhänge konnte Lüdecke und sein Team bestätigen und viele weitere Relationen hinzufügen, zeitlich hochauflösend nach Monaten unterschieden.

Da einige der Zusammenhänge einen zeitlichen Versatz von bis zu 11 Monaten besitzen, eröffnen sich jetzt wertvolle Vorhersagemöglichkeiten. Diese sind für die landwirtschaftliche Planung sowie für den Schutz vor Dürren und Starkregen von hohem praktischem Nutzen. Horst-Joachim Lüdecke erläutert: „Anfang des Jahres kam es beispielsweise in Teilen Namibias zu starken Regenfällen, die zerstörerische Fluten verursachten. Unsere Auswertung ergab, dass sich die Niederschlags-Intensität im Südwesten Afrikas regelmäßig beim Vorliegen eines negativen NAO-Ozeanzyklus steigert. In Zukunft können also entsprechende Vorkehrungen in der Region getroffen werden, wenn sich wieder einmal eine solche Konstellation andeutet.

Mitautor Sebastian Lüning vom Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften schildert ein weiteres Beispiel: „Der Wasserstand des Viktoriasees in Ostafrika fiel 2006 auf einen historischen Tiefststand, was damals Grund zur Besorgnis gab. In der Folge stieg der Seespiegel jedoch wieder und erreichte Ende 2020 einen historischen Höchststand. Heute wissen wir: Der Antrieb der Veränderungen ist offenbar der sogenannte Indische Ozean-Dipol. Wenn der Index positiv ist, steigt der Seespiegel des Viktoriasees typischerweise an und fällt bei negativem Index dann wieder. Eine solche Relation haben wir auch im Rahmen unsere Studie für die Regenzeit im Oktober und November nachweisen können.

Eine Mitautorin von der Technischen Universität Berlin war maßgebend mit der komplexen Statistik der Studie befasst.

Das Autorenteam hofft: „Unsere Ergebnisse geben einheimischen und humanitären Planern ein gutes Werkzeug an die Hand, um das von Jahr zu Jahr wechselnde Dürrerisiko besser einschätzen zu können. Dies ermöglicht die rechtzeitige Schaffung zusätzlicher Bewässerungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft oder den Zukauf von Nahrungsmitteln in besonders trockenen Jahren.

Die Studie erschien Anfang März im renommierten Fachblatt „Journal of Hydrology – Regional Studies“ und ist kostenfrei downloadbar. Dies war den Autoren besonders wichtig, da die Ergebnisse so auch allen Fachkollegen an afrikanischen Universitäten und Forschungsinstitutionen frei zur Verfügung stehen. Die Publikationsgebühr wurde dankenswerterweise vom Förderer Jens Kröger übernommen.

Die Originalpublikation kann hier kostenfrei heruntergeladen werden (open access). Einen weiteren Link zum Anhang mit zahlreichen zusätzlichen Auswertungen und Daten findet man im Online Artikel in Appendix A.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke
Hochschule HTW des Saarlandes, moluedecke@t-online.de
Dr. habil. Sebastian Lüning
Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK), luening@ifhgk.org, Tel. 00351-961470494

Über das IFHGK:
Das in der Schweiz beheimatete Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK, www.ifhgk.org) hat seinen Schwerpunkt auf der Erforschung der Klimavariabilität. Die Berücksichtigung natürlicher Klimafaktoren und ihrer Wirkungsweise bildet die Grundlage für die korrekte Attribution klimatischer Änderungen im Zusammenspiel von anthropogenen und natürlichen Anteilen des Klimawandels. Das 2016 gegründete Institut ist dezentral organisiert und im Vergleich zu anderen Forschungseinrichtungen klein, jedoch konnte es in den letzten Jahren zahlreiche wichtige Veröffentlichungen zum Verständnis der natürlichen Klimafaktoren und Paläoklimatologie beisteuern. Unter den Publikationen befinden sich beispielsweise Analysen zur Mittelalterlichen Wärmeperiode im Mittelmeergebiet sowie in der Antarktis, doi: 10.1029/2019PA003734 und doi: 10.1016/j.palaeo.2019.109251.

+++

Hinweis: Im Dezember 2020 stellten die Autoren ihre Ergebnisse einem weiteren Fachpublikum auf dem AGU Fall Meeting der American Geophysical Union (AGU) vor. Hier das Vortragsvideo (Vortragssprache ist englisch):

Teilen: