Marum: Me­than­hy­drat­auf­lö­sung vor Spitz­ber­gen nicht durch Kli­ma­wan­del be­dingt

Pressemitteilung des marum (Bremen) vom 8. Januar 2018:

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Me­than­hy­drat­auf­lö­sung vor Spitz­ber­gen nicht durch Kli­ma­wan­del be­dingt

Stu­die iden­ti­fi­ziert nach­eis­zeit­li­che Pro­zes­se als Ur­sa­che

Im Po­lar­meer vor Spitz­ber­gen wer­den seit Jah­ren Me­than­quel­len am Mee­res­bo­den be­ob­ach­tet. Die Ver­mu­tung, dass die Er­wär­mung des Meer­was­sers durch den Kli­ma­wan­del für die Frei­set­zung von Me­than ver­ant­wort­lich ist, hat sich nicht be­stä­tigt. Die For­schungs­er­geb­nis­se ei­nes in­ter­na­tio­na­len Teams zei­gen, dass nach­eis­zeit­li­che Land­he­bun­gen die wahr­schein­lichs­te Ur­sa­che für die Auf­lö­sung von Me­than­hy­dra­ten ist. Die Stu­die ist jetzt in der in­ter­na­tio­na­len Fach­zeit­schrift Nature Communications er­schie­nen. (Ge­mein­sa­me Pres­se­mit­tei­lung des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­tät Bre­men und des GEO­MAR Helm­holtz-Zen­trum für Oze­an­for­schung Kiel)

Me­than­hy­dra­te, auch als bren­nen­des Eis be­zeich­net, kom­men in vie­len Re­gio­nen der Ozea­ne vor. Aber nur un­ter ho­hem Druck und kal­ten Tem­pe­ra­tu­ren geht das Pro­dukt aus Me­than und Was­ser eine fes­te Ver­bin­dung ein. Wird der Druck zu ge­ring oder die Tem­pe­ra­tur zu hoch, lö­sen sich die Hy­dra­te auf, das Me­than wird als Gas frei­ge­setzt und ent­weicht aus dem Bo­den in die Was­ser­säu­le. Vor Spitz­ber­gen wer­den be­reits seit ei­ni­gen Jah­ren star­ke Aus­ga­sun­gen be­ob­ach­tet. Ent­weicht das Me­than aus zer­setz­ten Me­than­hy­dra­ten? Was ist die Ur­sa­che für eine Auf­lö­sung der Me­than­hy­dra­te? Er­wär­mung be­dingt durch den Kli­ma­wan­del oder an­de­re, na­tür­li­che Pro­zes­se? Ein in­ter­na­tio­na­les Team von For­schen­den konn­te nun eine Ant­wort auf die­se Fra­gen ge­ben, die in der in­ter­na­tio­na­len Fach­zeit­schrift Na­tu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons ver­öf­fent­licht wor­den ist.

„Un­se­re Un­ter­su­chun­gen zei­gen, dass in die­ser Re­gi­on die He­bung, be­dingt durch das Ab­schmel­zen der Eis­mas­sen, ver­mut­lich seit dem Ende der letz­ten Eis­zeit schon seit ei­ni­gen Tau­send Jah­ren zur Auf­lö­sung von Me­than­hy­drat im Mee­res­bo­den führt“, er­läu­tert Prof. Dr. Klaus Wall­mann, Er­st­au­tor der Stu­die vom GEO­MAR Helm­holtz-Zen­trum für Oze­an­for­schung Kiel. „Die Re­gi­on hat sich stär­ker ge­ho­ben, als der Mee­res­spie­gel an­ge­stie­gen ist, da­durch kam es zu ei­ner Druck­ent­las­tung, so­dass sich die Me­than­hy­dra­te an der Sta­bi­li­täts­gren­ze auf­lö­sen“, so Wall­mann wei­ter.

Für ihre Un­ter­su­chun­gen führ­ten die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler die Ex­pe­di­ti­on MSM 57 mit dem deut­schen For­schungs­schiff Ma­ria S. Me­ri­an un­ter der Lei­tung des Bre­mer For­schungs­zen­trums MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­tät Bre­men durch. Da­bei wur­de auch das Bohr­ge­rät MARUM-Me­Bo70 ein­ge­setzt. „Mit die­sem Spe­zi­al­ge­rät konn­ten wir erst­mals in dem Mee­res­ge­biet lan­ge Se­di­ment­ker­ne ge­win­nen, was bei vie­len an­de­ren Ex­pe­di­tio­nen nicht mög­lich war“, er­klärt Fahrt­lei­ter Prof. Dr. Ger­hard Bohr­mann vom MARUM. „Dar­in fan­den wir si­gni­fi­kan­te Süß­was­ser­men­gen, die aus auf­ge­lös­ten Hy­dra­ten stam­men“, so Bohr­mann wei­ter. Die­ser Pro­zess, so konn­ten die For­schen­den nach­wei­sen, be­gann schon vor 8.000 Jah­ren, kann also nicht durch die Kli­ma­er­wär­mung der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te be­dingt sein.

Ne­ben den geo­che­mi­schen Ana­ly­sen wur­den auch Er­geb­nis­se ei­ner Mo­dell­si­mu­la­ti­on der Eis­ver­tei­lung in der Ark­tis seit der letz­ten Eis­zeit her­an­ge­zo­gen. „Die Re­sul­ta­te zei­gen, dass die Ge­schwin­dig­keit der is­osta­ti­schen He­bung an un­se­ren Bohr­stand­or­ten nach dem Ab­schmel­zen den eu­sta­ti­schen Mee­res­spie­gel­an­stieg in der ge­sam­ten Nach­eis­zeit über­stieg“, so Prof. Bohr­mann. „An­ders aus­ge­drückt: Das Land hat sich ra­scher und stär­ker ge­ho­ben, als der Mee­res­spie­gel stieg, so­dass der Druck auf die Hy­dra­te nach­ließ und sie schließ­lich in­sta­bil wur­den“, er­gänzt Prof. Wall­mann. Da­her sei die Auf­lö­sung von Hy­dra­ten mit die­sem Pro­zess zu er­klä­ren, zu­mal die Er­wär­mung des Meer­was­sers in tie­fen Schich­ten des Oze­ans bis­lang noch ge­ring ist, so die For­scher

Die Un­ter­su­chun­gen vor Spitz­ber­gen zei­gen eine Me­than­frei­set­zung, die nicht auf Kli­ma-Er­wär­mung zu­rück­zu­füh­ren ist. Ob dies für wei­te­re Ge­bie­te der Ark­tis oder auch in mitt­le­ren Brei­ten zu­trifft, dazu sind wei­te­re For­schungs­an­stren­gun­gen auch an an­de­ren Lo­ka­tio­nen not­wen­dig.

Auf der Fahrt wur­de das Mee­res­bo­den-Bohr­ge­rät (MARUM-Me­Bo70) zum ers­ten Mal vor Spitz­ber­gen ein­ge­setzt – ein mo­bi­les Bohr­ge­rät, das von al­len gro­ßen For­schungs­schif­fen aus bis zu 2000 Me­ter Was­ser­tie­fe 70 Me­ter tief in den Mee­res­bo­den boh­ren kann. Es wur­de im MARUM ent­wi­ckelt und wird seit 2005 an­ge­fragt, um un­ter­schied­li­che wis­sen­schaft­li­che Fra­ge­stel­lun­gen zu klä­ren.

 

Originalpublikation: Wall­mann, K., M. Rie­del, W. L. Hong, H. Pat­ton, A. Hub­bard, T. Pape, C.W. Hsu, C. Schmidt, J. E. John­son, M. E. Tor­res, K. An­dre­as­sen, C. Berndt, and G. Bohr­mann, 2017: Gas Hy­dra­te Dis­so­cia­ti­on off Sval­bard In­du­ced by Is­osta­tic Re­bound ra­ther than Glo­bal War­ming. Na­tu­re Com­mu­ni­ca­ti­on, DOI: 10.1038/s41467-017-02550-9

 

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