Klimawandel führt nicht zu Winterextremen

Postdamer Wissenschaftler waren sich so sicher: Der Rückgang des arktischen Meereises verursacht kalte Winter in Mitteleuropa! Die Zeitungen druckten es begierig. Das der Bundesregierung nahestehende PIK-Institut bürgte für die Qualität der Information. Leider sahen es die meisten Fachkollegen ganz anders und lehnten die Postdamer Idee grundweg ab. Zuletzt äußerte sich die University of Exeter zur Thematik und schrieb am 28. Februar 2017 die wichtigste Erkenntnis gleich in den Titel einer Pressemitteilung:

Declining Arctic sea ice does influence European weather – but is not a cause of colder winters

The dramatic loss of Arctic sea ice through climate change is unlikely to lead to more severe winter weather across Northern Europe, new research has shown.

A pioneering new study has explored how Arctic sea-ice loss influences the North Atlantic Oscillation (NAO) weather phenomenon, which affects winter weather conditions in Northern Europe, in places such as the UK, Scandinavia and the Baltic states. Previous studies have suggested that Arctic sea-ice loss causes the NAO to spend longer in its ‘negative phase’ – generating more easterly winds that bring colder air from Scandinavia and Siberia to the UK. This might be expected to cause more frequent cold winters, such as the deep freeze experienced in the UK in the winter of 2009/2010.

However the new study, carried out by Dr James Screen from the University of Exeter, crucially suggests that Arctic sea-ice loss does not cause colder European winters. Dr Screen suggests this surprising result is due to a ‘missing’ cooling response – meaning that the expected cooling brought about by more easterly winds is offset by the widespread warming effects of Arctic sea-ice loss. The study is published in leading science journal, Nature Communications. Dr Screen, a Senior Lecturer in Mathematics at the University of Exeter said: “We know that the NAO is an important factor in controlling winter weather over Northern Europe”. “The negative phase of the NAO is typically associated with colder winters. Because of this it has been reasonable to think that we would experience more severe winter weather if Arctic sea-ice loss intensifies the negative phase of the NAO”.

“This research indicates that although sea-ice loss does intensify the negative NAO, bringing more days of cold easterly winds, it also causes those same winds to be warmer than they used to be. These two competing effects cancel each other out, meaning little change in the average temperature of European winters as a consequence of sea-ice loss”. The NAO phenomenon describes large-scale changes in atmospheric wind patterns over the North Atlantic. Importantly, the NAO relates to changes in the strength and position of the North Atlantic jet stream – a band of very fast winds high in the atmosphere. The position of the jet stream has a substantial impact on weather in Northern Europe. Using the sophisticated UK Met Office climate model, Dr Screen conducted computer experiments to study the effects of Arctic sea-ice loss on the NAO and on Northern European winter temperatures.

Dr Screen added: “Scientists are eager to understand the far-flung effects of Arctic sea-ice loss. On the one hand this study shows that sea-ice loss does influence European wind patterns. But on the other hand, Arctic sea-ice loss does not appear to be a cause of European temperature change, as some scientists have argued.” The missing Northern European winter cooling response to Artic sea ice loss by Dr James Screen is published in Nature Communications. It was funded through a grant by the Natural Environment Research Council (NERC).

Bereits 2015 verwies die ETH Zürich das Postdamer Winter-Konstrukt in das Land der Fabeln. In einer Pressemitteilung vom 30.3.2015 heißt es:

Klimawandel führt nicht zu Winterextremen

Kältewellen, wie sie im Osten der USA in den letzten Wintern auftraten, sind keine Folge des Klimawandels. Wissenschaftler der ETH Zürich und des California Institute of Technology zeigen, dass die Temperaturvariabilität unter der globalen Erwärmung allgemein eher abnimmt.

Die letzten beiden Winter brachten bittere Kälte über den Osten der USA. Über mehrere Wochen fielen die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt, und auf dem Lake Michigan vor Chicago trieben Eisschollen. So niedrige Temperaturen waren in den letzten Jahren selten geworden. Bilder von vereisten und schneebedeckten Städten gingen um die Welt und mit ihnen die Frage, ob der Klimawandel für diese Extremereignisse verantwortlich sei.

Ins Feld geführt wurde das Argument, dass sich die Arktis in den letzten Jahrzehnten stärker als andere Regionen erwärmt hat und dies den polaren Jetstream abgeschwächt haben sollte. Der polare Jetstream ist ein Starkwindstrom in mehreren Kilometern Höhe, der von den Temperaturunterschieden zwischen den heissen Tropen und den kalten Polarregionen angetrieben wird. Einer Hypothese nach soll ein schwächerer Jetstream grössere Wellen schlagen und so zu grösseren Temperaturausschwankungen in mittleren Breiten führen. Damit wäre die verstärkte Erwärmung der Arktis für die extremen Kältewellen, wie sie im Osten der USA in den letzten Wintern auftraten, mitverantwortlich.

Spannbreite der Temperatur wird abnehmen

Wissenschaftler um Tapio Schneider, Professor für Klimadynamik der ETH Zürich, kommen zu einem anderen Schluss. Sie zeigen anhand von Simulationen und mit theoretischen Argumenten, dass die Spannbreite der Temperaturschwankungen an den meisten Orten abnehmen wird, wenn sich das Klima erwärmt. Es wird also nicht häufiger, sondern seltener zu extrem niedrigen Temperaturen kommen. Das schreiben die Wissenschaftler der ETH Zürich und des California Institute of Technology in der aktuellen Ausgabe des Journal of Climate. Hinzukommt, dass kalte Tage künftig ohnehin seltener werden, weil sich das Klima erwärmt.

Ausgangslage der Arbeit war, dass sich die höheren Breiten tatsächlich schneller erwärmen als die tieferen, und deshalb der Temperaturunterschied zwischen Äquator und Pol abnimmt. Stellt man sich nun vor, dass es diesen Temperaturunterschied überhaupt nicht mehr gäbe, dann würde das bedeuten, dass auch die Luftmassen die gleiche Temperatur hätten, egal ob sie von Süden oder von Norden strömen. Es gäbe theoretisch keine Temperaturvariabilität mehr. Ein solcher Extremfall wird nicht eintreffen, erklärt aber den theoretischen Ansatz der Wissenschaftler.

Extreme werden seltener

Mit einem stark vereinfachten Klimamodell untersuchten sie verschiedene Wetterszenarien und überprüften so die Theorie. Es zeigte sich, dass die Temperaturvariabilität in mittleren Breiten und somit auch in Nordamerika tatsächlich sinkt, je weniger sich die Temperaturen von Pol und Äquator unterscheiden. Auch die Simulationen mit den Klimamodellen des Weltklimarats IPCC zeigten ähnliche Resultate: In den mittleren Breiten nehmen die Temperaturunterschiede und mit ihnen die Temperaturvariabilität ab, ganz besonders im Winter.

Die Extreme werden also seltener, wenn sich die Varianz verringert. Das bedeutet aber nicht, dass es künftig zu gar keinen Temperaturextremen kommt. «Ausserdem wird es in Zukunft trotz der geringeren Temperaturvarianz zu mehr extrem warmen Perioden kommen, denn die Erde wird sich mit dem Klimawandel grundsätzlich erwärmen», erklärt Schneider. Die Wissenschaftler beschränkten sich in ihrer Arbeit auf die Entwicklung der Temperatur. Für andere extreme Ereignisse wie Stürme oder heftige Regen- und Schneefälle können die ETH-Forscher daher keine Entwarnung geben.

Nord-Süd-Verschiebung macht den Unterschied

Und der Jetstream? Der Klimawissenschaftler winkt ab. «Die Auslenkungen des Jetstreams ändern sich wenig.» Vielmehr bringe der Nord-Süd Unterschied der Temperaturen und die Verschiebung der Luftmassen die Temperaturunterschiede.

Was diese Resultate für Europa bedeuten, will Tapio Schneider in weiteren Studien untersuchen. Unter anderem will er der Frage nachgehen, ob Hitzewellen in Europa mit sogenannten «geblockten Zyklonen» zusammenhängen und herausfinden, weshalb solche Wirbel an einem Ort stehenbleiben und wie sie sich mit dem Klima ändern. Das Forschungsprojekt wurde unterstützt von der U.S. National Science Foundation.

Literaturhinweis: Schneider T, Bischoff T, Plotka H. Physics of Changes in Synoptic Midlatitude Temperature Variability. Journal of Climate, 15. März 2015, doi:10.1175/JCLI-D-14-00632.1

Letztendlich war die Potsdamer Erklärung eher eine Art Repair-Patch um die kalten Winter vor einigen Jahren zu erklären, die so gar nicht zum Erzählmuster der Klimaerwärmung passten. Da die Winter nun wieder wärmer geworden sind, ärgert man sich vielleicht am PIK sogar ein wenig, dass man sich mit dem Eismodell so in die fachlichen Nesseln gesetzt hat. Trotzdem hat sich der Einsatz wohl gelohnt. Die Presse hat es bereitwillig abgedruckt und verliert nun über den eigentlichen Fachkonsens keinen Mucks. Zu groß ist offenbar die Gefahr, dass Journalisten als Copy-Paste-Experten ebenfalls an Glaubwürdigkeit verlieren könnten. Die Idee war aber auch zu komisch: Ein kalter Winter ist ein Anzeichen für die Klimaerwärmung, ebenso wie ein warmer Winter. Dazu passt diese Satire von Joe Bastardi:

Is Global Warming Causing More Snow and Less Snow at the Same Time?
In the Woody Allen comedy classic, “Bananas,“ there is a scene where the CIA is sending US troops to fight on both sides of a revolution because they’re afraid of being on the wrong side. While many of us laughed at such things then because of the absurdity of it, we find that the same kind of strategy is being used by AGW propagandists that seek to claim every idea they have as the correct one.

 

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