Kartierung des Mittelalterlichen Klimawandels in Afrika

Pressemitteilung des Instituts für Hydrographie, Geoökolgie und Klimawissenschaften (IFHGK) vom 15. Februar 2018:

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Kartierung des Mittelalterlichen Klimawandels in Afrika:
Erwärmung des Kontinents, Abkühlung der Küstenmeere, Verschiebung der Regengürtel vor 1000 Jahren

Der globale Klimawandel gibt Anlass zu großer Sorge. Experten sind sich einig, dass die beobachteten Veränderungen der letzten 150 Jahre durch eine Kombination von menschengemachten und natürlichen Klimafaktoren verursacht worden sind. Eine vollständige Quantifizierung beider Beiträge ist jedoch noch immer nicht möglich und Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen. Um den natürlichen Beitrag besser einzugrenzen und diesen besser von anthropogenen Klimatreibern unterscheiden zu können, haben Klimawissenschaftler in den letzten anderthalb Jahrzehnten eine Vielzahl von Feldstudien durchgeführt. Ziel dieser Anstrengungen war es, die vorindustrielle Klimageschichte zu rekonstruieren und möglichst viele Datenpunkte über den Globus verteilt zu sammeln. Von besonderem Interesse sind hier die letzten 1000 Jahre. Zu Beginn dieser Zeitspanne ereignete sich im Mittelalter in Europa und Nordamerika eine Wärmephase, die bereits nach einigen Jahrhunderten durch die sogenannte ‚Kleine Eiszeit‘ abgelöst wurde, wahrscheinlich die kälteste Phase der letzten 10.000 Jahre. Ab 1850 erholte sich das Klima dann wieder und pendelte nach Abschluss des Kälteextrems zurück in einen wärmeren Zustand. Der zeitgleich beginnende Ausstoß von Treibhausgasen durch den Menschen verstärkte diesen Trend. Beide Prozesse vereint führten zur Modernen Wärmephase. Die Wärmephase des Mittelalters stellt dabei eine wichtige Referenz für die heutige Klimaerwärmung dar, jedoch ist unser Wissen zum mittelalterlichen Klima außerhalb der nordatlantischen Region noch immer unvollständig.

Ein internationales Forscherteam um den Geowissenschaftler Sebastian Lüning möchte diese wichtige Lücke schließen. Lüning ist im Hauptberuf Rohstoffgeologe und arbeitet in seiner Freizeit als Mitglied des schweizerischen Instituts für Hydrographie, Geoökolgie und Klimawissenschaften (IFHGK) an paläoklimatologischen Studien. Zusammen mit Kollegen aus Polen, Nigeria, der Türkei und Deutschland durchforsteten sie die voluminöse Fachliteratur und setzten aus den publizierten Daten ein spannendes Mosaik zusammen, das ein neues Licht auf die Mittelalterliche Klimaanomalie in Afrika wirft. Mithilfe von moderner Datenbank- und Visualisierungstechnik konnten sie Temperatur- und Niederschlagstrends für die Zeit 1000-1200 n.Chr. auf dem afrikanischen Kontinent auskartieren und die Klimageschichte vergangener Hitzewellen, Kältephasen, Dürren und Feuchtperioden lebendig werden lassen. Lüning erläutert die Herausforderungen, mit denen sich sein Team konfrontiert sah:

“Man könnte uns als eine Art wissenschaftliche ‚Datendetektive‘ beschreiben. Wir haben uns durch hunderte von Publikationen gearbeitet und nach belastbaren Aussagen zum mittelalterlichen Klima gesucht. Ohne wissenschaftliche Ausdauer und Passion wäre dies kaum zu bewältigen gewesen. Natürlich gibt es aus dieser Zeit keine Thermometermessungen oder gar Satellitendaten. Die Rekonstruktion des Mittelalterklimas geschieht daher über geologische Archive, insbesondere Sedimentkerne aus dem Meeresboden, Seen und Sümpfen. Aber auch Höhlentropfsteine liefern wichtige Informationen. Die Klimainformation steckt in den Veränderungen der chemischen Zusammensetzung sowie dem Fossilinhalt der Schichten. Dies muss dann nur noch ‚klimatisch rückübersetzt‘ werden. Alterdatierungen über die C14-Methode bilden das Altersgerüst dieser Studien.“

Die aus den Publikationen herausgefilterten Daten sammelten die Forscher zunächst in einer Google Map. Die Klimakurven wurden dann sorgfältig miteinander verglichen und die daraus abgeleiteten Klimatrends kartographisch erfasst. Der allergrößte Teil aller Studien vom afrikanischen Festland weist dabei eine deutliche Erwärmung während der Mittelalterlichen Klimaanomalie auf, ähnlich wie in Europa und Nordamerika. In vielen Küstengebieten rings um Afrika kühlte sich das Meer dagegen ab. Offenbar haben sich im Mittelalter in den sogenannten ‚Auftriebszonen‘die Winde verstärkt und so größere Mengen an kaltem Tiefenwasser nach oben gespült. Allerdings fallen die schmalen Küstenstreifen im Vergleich zur großen afrikanischen Landmasse flächenmäßig nur gering ins Gewicht. Die Studie erschien im Fachjournal Paleoceanography und fußt auf insgesamt 44 veröffentlichten Fallstudien in Afrika und den Nachbarregionen.

Neben der Temperatur interessierten sich Lüning und sein Team auch für Veränderungen in den Niederschlägen. Ein besseres Verständnis der natürlichen Variabilität der Regenfälle ist besonders für die halbtrockenen und trockenen Teile Afrikas wichtig, da Trinkwasser, Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion stark vom saisonalen Niederschlag abhängen. Lüning beschreibt die Motivation für die Untersuchung:

„Unsere Anfangsvermutung war, dass wir eine über den ganzen Kontinent einheitliche Niederschlagsänderung im Mittelalter finden würden. Dies war jedoch nicht der Fall. Bei der Verschiebung von Regengürteln werden nämlich einige Bereiche trockener und andere feuchter. Es ist überaus wichtig, diese natürlichen Veränderungen der Niederschlagsmuster und ihre Antriebsfaktoren möglichst genau verstehen, denn sie bilden wichtige Kalibrierungsdaten für Klimamodelle, die leider noch immer Schwierigkeiten haben, regionale Niederschläge korrekt zu simulieren.“

Die Studie identifizierte drei Gebiete in Afrika, in denen die Niederschläge während der mittelalterlichen Klimaanomalie zunahmen: Tunesien, westlicher Sahel und der allergößte Teil des südlichen Afrikas. Zur selben Zeit wurden die Regenfälle im übrigen Afrika seltener: Nordwest- und Nordostafrika, Westafrika, Ostafrika und die Winterregenzone Südafrikas. Zu letzterer Region gehört auch Kapstadt, das derzeit unter einer schlimmen Dürre leidet, die bereits zu schweren Einschnitten in der Trinkwasserversorgung geführt hat. Die klimahistorische Auswertung zeigt, dass ähnliche Dürren hier wohl auch vor 1000 Jahren geherrscht haben. Die regenbringenden Westwinde verlagerten sich damals so weit nach Süden, dass sie den Kontinent meist verfehlten und die Wolken über dem Ozean abregneten. Die Hydroklima-Studie erschien Mitte Februar im Fachblatt Palaeo3 und basiert auf 99 Fallstudien aus Afrika.

Da sich die CO2-Konzentration in vorindustrieller Zeit kaum geändert hat, kommen in erster Linie natürliche Klimafaktoren als Antrieb für den beobachteten Klimawandel des Mittelalters in Betracht. Am wahrscheinlichsten sind hier Änderungen der Sonnenaktivität sowie Ozeanzyklen, die im Takt von Jahrzehnten bis mehreren Jahrhunderten schwanken. Die beiden neuen Übersichtsstudien aus Afrika unterstreichen die große Bedeutung der natürlichen Klimavariabilität im globalen Maßstab. Ein robustes Grundverständnis des natürlichen Herzschlags des irdischen Klimasystems ist Grundvoraussetzung, um verlässlich zwischen anthropogenen und natürlichen Komponenten des modernen Klimwandels unterscheiden zu können und die Prognoseleistung von Klimamodellen weiter zu verbessern.

Die vorgestellten Arbeiten basieren auf einer großen Zahl von veröffentlichten Fallstudien, an denen hunderte von Wissenschaftlern beteiligt waren. Trotz großer Fortschritte im Bereich der klimageschichtlichen Forschung in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten klaffen jedoch noch immer riesige Lücken in unserem regionalen Wissen zur mittelalterlichen Klimaentwicklung. So sind riesige Gebiete im Inneren des afrikanischen Kontinents paläoklimatologisch noch immer unerforscht. Afrika und die Arabische Halbinsel bilden knapp ein Viertel der globalen Landmasse, sind aber in den globalen Temperaturrekonstruktionen der letzten 2000 Jahre stark unterrepräsentiert. Angesichts der großen Bedeutung dieser Basisdaten für Klimamodelle und letztendlich für klimapolitische Entscheidungen sind weitere strukturierte Forschungsanstrengungen dringend notwendig, um die großen Datenlücken zeitnah zu schließen.

 

Veröffentlichungen:

Lüning, S., M. Gałka, F. Vahrenholt (2017): Warming and cooling: The Medieval Climate Anomaly in Africa and Arabia. Paleoceanography 32 (11): 1219-1235, doi: 10.1002/2017PA003237.

Lüning, S., M. Gałka, I. B. Danladi, T. A. Adagunodo, F. Vahrenholt (2018): Hydroclimate in Africa during the Medieval Climate Anomaly. Palaeogeogr., Palaeoclimatol., Palaeoecol., doi: 10.1016/j.palaeo.2018.01.025.

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Ein großer Dank an alle Crowdfunder, die das Projekt so tatkräftig unterstützt haben! Die Studie zur mittelalterlichen Temperaturentwicklung in Afrika wurde am 9. Februar 2018 in Eos in der Kategorie „Research Spotlight“ vorgestellt.

 

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