James Hansen und die kalte Sonne

Von Wolfgang Richter

Sicher haben Sie schon vom Klimaforscher James Hansen gehört. Er war von 1981 bis 2013 Leiter des GISS der NASA und Professor an der Columbia University. Dass man bei uns aber so wenig über ihn hört oder liest hängt wohl damit zusammen, dass er mit Nachdruck die Position vertritt, dass zur Lösung der „Klimakrise“ unbedingt die Kernenergie notwendig sei.

Er war es, der die anthropogene globale Erwärmung, wie es damals noch hieß, in die Politik gebracht hat. Auf Einladung des Senators Tim Wirth hielt er am 23.6.1988 eine Rede vor dem US-Senat, bei der er die globale Erwärmung als mit 99%-iger Sicherheit durch die Menschheit und deren Treibhausgas-Emissionen verursacht darstellte. Wie Wirth Jahre später der Presse mitteilte, wurde dazu der laut Wettervorhersage voraussichtlich heißeste Sommertag des Jahres ausgewählt, wurde am frühen Morgen die Klimaanlage abgeschaltet und wurden die Fenster geöffnet um die Hitze reinzulassen. – Ein wohlüberlegter Schachzug um den Senatoren unter der im Raum herrschenden Hitze die Sache möglichst plausibel erscheinen zu lassen.  

Im Jahr 1989 wurde Hansen bei einem Interview in seinem Büro auf der Westseite von Manhattan am Hudson River vom Journalisten gefragt, was dort unten in 20 Jahren anders aussehen werde. Er sagte, der dort direkt am Hudson River entlang führend West Side Highway (9A) werde unter Wasser stehen, die Fenster auf der anderen Straßenseite werden wegen der Stürme mit Klebeband gesichert sein und es würden keine Vögel mehr da sein.

Tja, alle diese Vorhersagen, die ja etwa 2009 hätten eintreffen sollen, sind bis heute, also nach 32 Jahren immer noch nicht eingetroffen und es zeichnet sich nicht im Entferntesten ab, das das nun bald oder in den nächsten 10 oder mehr Jahren passieren könnte: der Hudson ist nach wie vor so tief unterhalb des genannten Highway, dass sich dort niemand Sorgen macht. Wenn man mit der Webcam die Freiheitsstatue und dort die Wasserlinie anschaut, nicht weit weg vom Bereich, den Hansen genannt hat, entsteht der Eindruck, dass dort das Wasser gar nicht gestiegen ist. Jedenfalls geht es mir so, nachdem ich erstmals 1970 dort war.  

Nun gibt es Neues und Ungewohntes von Hansen und aus dem Bereich der „offiziellen“ Klimaforschung. Er überrascht seit wenigen Jahren mit einer teilweise anderen Sicht auf die Ursachen des Klimawandels, die aber nur denen bekannt sind, die auch seinen Blog lesen, die Medien machen wohl einen Bogen um.  

Nein, er sagt nicht, dass es nicht die Treibhausgase seien, das bleibt weiterhin im Vordergrund. Doch im Gegensatz zum IPCC, auch zum neuesten Bericht AR6, räumt er der Sonne eine wichtige Stellung ein, zeigt er die enge Korrelation des ENSO mit der Globaltemperatur und weist er laufend auf die nach wie vor unbekannte weil nicht gemessene Wirkung der Aerosole hin, die nach seiner Meinung auch ein wichtige Rolle spielen. Interessant ist, dass auch weitere Klimawissenschaftler seine Aussagen mittragen, wie z.B. Gavin Schmidt. Wenn Sie die nachfolgend gezeigten Links anklicken sehen Sie dort die Namen der Wissenschaftler.  

Die größte Überraschung dürfte sein, dass er der natürlichen Variation der Sonne einen derart großen Einfluss zubilligt, dass diese entsprechend seiner Erwartung im Blog vom Januar 2017 ab damals so „schwächeln“, könnte dass die Klimagase für von ihm geschätzte zehn Jahre die „Oberhand“ verlieren und es zu einem Hiatus kommt, also die Globaltemperatur nicht weiter steigt.

Hier nun eine Zusammenstellung der entsprechenden Zitate in deutscher Übersetzung, beim Thema Sonne auch mit Link zu seinem Blog und dem entsprechenden Artikel. Sein Blog hat folgenden Link: http://www.columbia.edu/~jeh1/

Während die einzelnen Veröffentlichungen dort dann pdf-Dateien zum download sind. Die unter dem Titel „Sophie’s Planet…“ stehenden Dateien sind die Entwürfe für einzelne Kapitel eines Buchs. Die hier zitierten Aussagen stehen in Beiträgen mit dem Titel Stichwort  „Temperature ….“ im Titel.

Zum genannten Thema, der „schwächelnden“ oder kalten Sonne schreibt er im Blog vom 18.1.2017 (Link):

„Aufgrund der thermischen Trägheit der Ozeane und der dekadischen Strahlungs-schwankungen werden die maximalen Erwärmungs- und Abkühlungseffekte des solaren Maximums und Minimums um etwa zwei Jahre nach den Strahlungsextremen verschoben. Die Amplitude der Schwankungen der solaren Bestrahlungsstärke ist kleiner als das planetarische Energieungleichgewicht, das in den letzten Jahrzehnten aufgrund der zunehmenden atmosphärischen Treibhausgase auf etwa +0,75 ± 0,25 W/m2 angestiegen ist. Dennoch ist die solare Variabilität im Vergleich zum Energieungleichgewicht, das die globale Temperaturänderung antreibt, nicht zu vernachlässigen. Daher ist es aufgrund der Kombination aus dem starken El Niño 2016 und der Phase des Sonnenzyklus plausibel, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass die nächsten 10 Jahre der globalen Temperaturveränderung den Eindruck einer „globalen Erwärmungspause“ hinterlassen werden.“

Zum gleichen Thema dann im Blog vom 6.2.2019 (Link):

„Die anhaltenden Veränderungen der globalen  Klimaantriebe (Anmerkung des Übersetzers: gemeint sind die natürlichen Variationen) wirken sich auch auf die globale Temperatur aus. Der globale Temperaturrekord von 2016 wurde dadurch begünstigt, dass er fast zeitgleich mit einem solaren Maximum auftrat. Der Klimaantrieb durch Treibhausgase ist die wichtigste Triebkraft für den Klimawandel, da er kontinuierlich zunimmt, aber auch die sich ändernde Sonneneinstrahlung (solar irradiance) ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Es wurde argumentiert, dass das kommende Sonnenminimum länger werden könnte, wenn die Strahlungsintensität unter ihren bisherigen Wert in der Ära der Satellitendaten sinkt, ähnlich wie beim Maunder-Minimum von 1645-1715, als es angeblich fast keine Sonnenflecken gab. Die nächsten Jahre der Sonnendaten könnten besonders aufschlussreich sein.“

Und wieder zur Sonne im Blog vom 14.12.2020 (Link) sogar eine qualitative Aussage zur Korrelation der Temperaturen mit der Sonne:

„Tatsächlich weisen die Sonnendaten (gelbe Kurve in Abb. 4) und die beobachtete globale Temperaturkurve eine maximale Korrelation von 47 % auf, wobei die Temperatur dem solaren Antrieb um 1-2 Jahre hinterherhinkt. Wäre die Erde ein reiner Landplanet, müsste die Verzögerung  ca. 0 Jahre betragen; wäre sie ein reiner Ozeanplanet, würde die Verzögerung ca. ein Viertel des Sonnenzyklus betragen, d. h. ca. 3 Jahre; in der realen Welt müsste sie 1-2 Jahre betragen. Die Rechnung geht also auf, trotz der aktiven Vulkane in diesem Zeitraum.“

Kurz darauf dann im Blog vom 14.1.2021 (Link):

„Der andere gut gemessene Klimaantrieb ist die Veränderung der Sonneneinstrahlung (solar irradiance), die während des Zeitraums der beschleunigten Erwärmung von 2015 bis 2020 um einen solchen Betrag abnahm, dass sich die Wachstumsrate der Summe von Treibhausgas- und Sonnenantrieben in diesem Zeitraum verlangsamte. Daraus lässt sich schließen, dass der eine große, nicht gemessene Klimaantrieb, die vom Menschen verursachten atmosphärischen Aerosole, während dieses Zeitraums wahrscheinlich weniger negativ wurde (geringere Aerosolmenge).

Und schon wieder im Blog vom 12.3.2021 zur Sonne (Link):

„Die Sonneneinstrahlung (solar irradiance) ist die größte Ursache für die subdekadischen Schwankungen des Klimaantriebs unter den gemessenen Antrieben (Aerosole werden nicht gemessen). Das Minimum des Sonnenzyklus wurde 2019 erreicht, was aufgrund einer um 1bis 2 Jahre verzögerten Reaktion die maximale Abkühlung zur Folge hat. Wenn also der 12-Monats-Mittelwert nicht wesentlich unter die rote Trendlinie fällt, deutet dies auf eine echte Erwärmungsbeschleunigung hin, die mit einer Aerosolverringerung zusammenhängen könnte.“

Der überraschende Titel des Blog vom 13.5.21: „The World Has Cooled Off – What’s the Significance?” – Die Welt hat sich abgekühlt – wie signifikant ist das? Es geht um die ENSO.

Und dann wohl der „Hammer“ im Blog vom 13.7.2021 mit Text und Bild (bitte Link anklicken):

 „ … Daher ist es von Interesse, die derzeitige „Lücke“ in der globalen Erwärmung mit dem „bekannteren“ Hiatus (Anm. d. Ü: gemeint ist der im AR5 beschriebene Hiatus) zu vergleichen, wie die horizontalen violetten Balken in Abb. 5 zeigen.“ und er zeigt das seit 2016 andauernde Temperaturplateau! Gleichzeitig bestätigt er den Hiatus von 1998 bis 2010 in der genannten Abbildung.  

Na sowas, Hansen steht damit in klarem Widerspruch zum IPCC und auch zum neuesten Report AR6, wo der Sonne keinerlei nennenswerter Einfluss zugestanden wird. Er wird sogar von Gavin Schmidt und weiteren Klimaforschern unterstützt. Das kann doch nur bedeuten, dass sich der IPCC weit weg von der Klima-Realität bewegt, denn was Hansen und Schmidt schreiben, das kann man nicht als Fake oder Blödsinn abtun, die beiden und die weiteren Kollegen stützen sich –wie ja auch geschrieben wird- auf „well-measured“ Daten.

Doch die Sonne ist nicht die einzige Thematik, die Hansen mit Kollegen in Korrelation mit der Globaltemperatur sieht. Für den ENSO führt er noch eine höhere Korrelation an.

Im Blog vom 6.2.2019 schreibt er (mit Schmidt und anderen):

„Der starke El Niño 2015-16 im äquatorialen Pazifik ist … 2015 deutlicher zu erkennen als 2016, doch die Auswirkungen des El Niño auf die globale Temperatur sind 2016 größer. Dies ist das Ergebnis der Verzögerung von 3-4 Monaten zwischen El Niños und ihren Auswirkungen auf die globale Temperatur.“

„Die zwischenjährliche  (interannual) Variabilität wird in der Regel von der tropischen Südlichen Oszillation, dem El Niño/La Niña-Zyklus, dominiert.“

Am 15.1.2020: „Die zwischenjährliche Variabilität der globalen Temperatur korreliert stark mit der tropischen Südlichen Oszillation, dem El Niño/La Niña-Zyklus (Abb. 4).“

Und dann am 13.5.21: „Die globale Temperatur ist stark mit dem Nino3.4-Index korreliert (61,4 %), wobei die globale Temperatur Nino3.4 um 5 Monate hinterherhinkt (Abb. 2). Das 12-Monats-Mittel der Temperatur sinkt schnell (Abb. 3) und wird wahrscheinlich erst im November dieses Jahres ein Minimum erreichen. Dieses Minimum wird wahrscheinlich deutlich unter der Trendlinie 1970-2015 liegen (Abb. 3), und 2021 wird viel kühler sein als 2020. Wird diese globale Abkühlung bedeuten, dass die scheinbare Beschleunigung der globalen Erwärmung in den letzten sechs Jahren eher eine irreführende Abweichung als eine signifikante Veränderung der Erwärmungsrate war?“

Zum Schluss noch zu Hansen und den Aerosole, die er auch immer wieder als ungelöstes Thema berichtet mit einem übersetzten Zitat aus dem Blog vom 14.12.2020:

„Wie groß ist der Aerosol-Antrieb? In den jüngsten IPCC-Berichten (Anm. d. Ü.: er meint die reports einschl. AR5) tendierten die globale Klimamodelle dazu, Aerosol-Antriebe im Bereich von -0,5 W/m2 bis -1,0 W/m2 zu verwenden, obwohl die IPCC-Kapitel zum Strahlungsantrieb einen größeren (negativeren) Aerosol-Antrieb nahelegten, mit einem direkten Aerosol-Antrieb von ca. -0,5 W/m2 und einem indirekten Aerosol-Antrieb (über Wolkeneffekte) von ca. -1 W/m2, mit großen Unsicherheitsbalken. In Übereinstimmung mit den Kapiteln zum Strahlungsantrieb haben wir (Hansen et al., 2011) ein starkes Argument dafür geliefert, dass der tatsächliche Aerosol-Antrieb -1,6 ±0,3 W/m2 beträgt. Wir leiten auch ab, warum die meisten Klimamodelle (einschließlich des GISS-Modells) einen kleineren Aerosoleffekt „brauchen“, wenn sie mit der beobachteten globalen Erwärmung im letzten Jahrhundert übereinstimmen wollen. Der Grund dafür ist, dass die Modelle die Wärme zu effizient in den Ozean mischen. Um die beobachtete Erwärmung zu erreichen, brauchen die Modelle also einen größeren Nettoantrieb, den sie durch Weglassen eines Teils des negativen Aerosolantriebs erreichen.“

Hansen sieht ganz klar die Sonne als einen nicht zu vernachlässigenden Faktor an, was damit die Rolle der anthropogenen Treibhausgase automatisch schmälert. Ebenso hält er es mit den Aerosolen, denn er sagt deren kühlende Wirkung werde vom IPCC als zu schwach angenommen. Die von ihm angegebene sehr hohe Korrelation sowohl mit der Sonnenaktivität und die noch höhere Korrelation mit der ENSO zeigt, dass die in seinem Blog aufgezeigten Zusammenhänge doch wohl schon immer richtig waren und nur die „offizielle Klimawissenschaft“ sich so sehr auf die Treibhausgase und die Modellrechnungen festgebissen hat, dass die natürlichen Einflüsse ausgeblendet wurden, obwohl sie laut Hansen (sowie Schmidt und den weiteren Verfassern der Blogs) doch vorhanden sind.

Zur Zeit herrscht demnach die „kalte Sonne“.

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