Ist das noch Journalismus oder kann das wech?

Von Uli Weber

Am 04. Februar 2019 um 20:15 Uhr lief auf ARD-alpha die Reportage „Wie Energiekonzerne den Klimawandel vertuschen“, Zitat aus der Ankündigung:

Mit Donald Trump hat eine neue, alte Sicht auf den Klimawandel im Weißen Haus Einzug gehalten. Gute Zeiten für Ölfirmen wie Exxon, Shell und Chevron, die seit 60 Jahren im Geheimen wissenschaftliche Studien und Kampagnen finanzieren, die den Klimawandel bis heute kleinreden. Neue Unterlagen beweisen: Diese Firmen wussten seit 1957, dass das Verbrennen fossiler Brennstoffe das Klima verändert – eigene, streng geheim gehaltene Forschungen hatten das ergeben. Diese Forschungen dauerten 25 Jahre an – bis sie 1982 abrupt beendet wurden.“
Anmerkung: Der betreffende Link zur Reportage ist absichtlich erst am Ende eingefügt.

Für den durchschnittlich informierten Bürger stellt sich hier ein Verschwörungsszenario dar, nach dem die „bösen“ Ölkonzerne seit mehr als einem halben Jahrhundert einen ihnen bekannten „menschengemachten“ Klimawandel verschleiern, weil sie ihn angeblich mit der Förderung von Öl und Gas selber herbeigeführt haben sollen. Der in dieser Reportage geschilderte Ablauf hatte aber einen ganz anderen klimawissenschaftlichen Hintergrund, als man dem empörten Bürger hier offenbar weiszumachen versucht. Fangen wir ganz einfach mal mit den oben in der Ankündigung angegebenen Zeitlichkeiten an:

Also die Ölfirmen wussten seit 1957 von einem Klimawandel und ihre diesbezüglichen Forschungen dauerten 25 Jahre an, „bis sie 1982 abrupt beendet wurden“. Dazu aus einem Artikel der Süddeutsche Zeitung vom 10.4.1975 (Sekundärzitat), der von Welt.de am 10.12.2009 später in dem Artikel „Als uns vor 30 Jahren eine neue Eiszeit drohte“ zitiert worden war:

Das Ende der Welt beginnt mit einem Sommer, der keiner mehr ist. Es bleibt kalt. Der Schnee vom letzten Winter bleibt liegen. Für Nigel Calder, ehemals Herausgeber des angesehenen britischen New Scientist, ist diese „Götterdämmerung“ im Mythos nordischer Völker realistisches Szenarium für unsere Zukunft, den Beginn der nächsten Eiszeit. Droht eine neue Eiszeit? Calder hält dies für wahrscheinlich und veröffentlichte jüngst zum Beleg ein Buch mit aktuellen Forschungsergebnissen.“

Der Klimawandel, von dem die Ölindustrie wusste, war also damals auch der breiten Öffentlichkeit wohlbekannt; es handelte sich nämlich um eine „neue Eiszeit“. Und damit hatten die an dem Ölfeld Prudhoe Bay beteiligten Ölkonzerne tatsächlich ein echtes Problem, Zitat aus Wikipedia:

Die kommerzielle Ölförderung in Prudhoe Bay begann in den 1960er Jahren. Wegen der Lage an der Nordküste Alaskas war die Erschließung eine besondere Herausforderung. Die technische Erschließung des gesamten Ölfelds wurde bereits 1968 durch die Atlantic Richfield Company vorgenommen, der Transport des Öls war aber noch nicht gesichert. Im Sommer 1969 fuhr der zu einem Eisbrecher umgebaute Tanker Manhattan als erster Tanker durch die Nordwestpassage. Dies war jedoch keine praktikable Transportform. Deshalb wurde die Öl-Förderung erst 1977 aufgenommen, als die Trans-Alaska-Pipeline durch die Alyeska Pipeline Service Company fertiggestellt worden war.“

Im Dezember 1985 erschien schließlich eine öffentliche „WARNUNG VOR EINER DROHENDEN KLIMAKATASTROPHE“ von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, Zitat daraus:.

Es besteht der begründete Verdacht, daß bei weiterer Anreicherung der Luft an diesen Spurengasen schon innerhalb der nächsten 50 bis 100 Jahre

die mittlere Temperatur auf der Erde um mehrere Grad ansteigen wird,

die äquatornahen Trockengebiete sich ausweiten und nach Norden,

in Europa bis in den Mittelmeerraum hin verschieben werden,

innerhalb weniger 100 Jahre die Meeresspiegel um 5 bis 10 Meter ansteigen werden.“

Dieser Text stellt den zwischenzeitlich vollzogenen Paradigmenwechsel in der politischen Klimawissenschaft dar. Das Klimaszenario der Deutschen Physikalischen Gesellschaft enthält bereits den gesamte Schreckenskatalog, wie er uns noch heute, also nach mehr als 30 Jahren und Milliarden von Forschungsgeldern, in gleicher Weise von Klimaalarmisten und Klimawissenschaftlern vorgebetet wird. Offenbar ist mit den zwischenzeitlich eingesetzten Forschungsmitteln lediglich eine  Visualisierung dieser uralten Schreckensszenarien erfolgt.

Die Ölgesellschaften hatten als Wirtschaftsunternehmen tatsächlich keinerlei Veranlassung mehr, noch weiter Klimaforschung zu betreiben, als Ende der 1970-er / Anfang der 1980-er Jahre die „Eiszeitthese“ durch eine „Heißzeitthese“ ersetzt worden war. Das in der Ankündigung von ARD-alpha angegebene Jahr 1982 passt also genau in den Kontext dieses klimawissenschaftlichen Paradigmenwechsels, die Argumentation in der „Reportage“ dagegen überhaupt nicht…

Einige weitere Auffälligkeiten aus dieser Reportage nachfolgend in Stichworten:

„Pollution“ bedeutet „Umweltverschmutzung“ und nicht „Klimawandel“.

Klage gegen EXXON: EXXON hätte die Aktionäre nicht über mögliche Minderung des Aktienwertes durch die Klimaerwärmung informiert. Na klar, konnten sie auch nicht, weil sie damals eine neue Eiszeit erwartet hatten…

Bauer aus Peru: Was nützt ein höherer Damm gegen den Klimawandel? Eigentlich werden doch bessere (und sichere) Ableitungen für das zusätzliche Schmelzwasser benötigt.

Klage New York gegen EXXON: Diese Klage wurde zwischenzeitlich niedergeschlagen.

Und jetzt noch ein Schmankerl zum Schluss: Schauen Sie sich die Episode ab Minute 11:53 einmal vor dem Hintergrund einer befürchteten Eiszeit ganz bewusst an. Alle Äußerungen von Robert Beha (?) passen zwanglos und vollständig in ein solches Szenario. Denn die vor dem Hintergrund „Eiszeit“ getroffenen technischen Maßnahmen reichten nach der plötzlich aufgetauchten Theorie von einer „menschengemachten“ Klimaerwärmung für diese wärmere Zukunft völlig aus. Die neue „Heißzeit“ hatte also alle weiteren Untersuchungen der Ölindustrie einfach überflüssig gemacht… Eine solche journalistische Meisterleistung lässt den informierten Betrachter sprachlos zurück…

Und hier der Link zur ARD-alpha-Reportage https://www.br.de/mediathek/video/reportage-wie-energiekonzerne-den-klimawandel-vertuschen-av:5c198d9c3fffbe0018618905

 

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