Immer wenn die Sonne schwächelte, brauste in Portugal der Wind auf

Zwanzig Kilometer südlich der portugiesischen Hauptstadt Lissabon liegt die Halbinsel Setúbal. Der anbrandende Atlantik hat sich hier in das Land hineingefressen und steile Kliffs in die Landschaft geschnitten. Dünen haben den vom Atlantik neugeschaffenen Platz an der Küste heute zum Teil wieder aufgefüllt. Bereits in den vergangenen Jahren haben Forscher diese Dünen mithilfe von Radar (GPR – ground penetrating radar) durchleuchtet und die Dünenarchitektur kartiert. Dabei fiel den Wissenschaftlern auf, dass die Dünen wohl nur während ganz bestimmter, relativ kurzer Zeiten aktiv waren und sich aufbauten. Den größten Teil der Nacheiszeit muss das Dünenfeld dagegen inaktiv gewesen sein.

Ein portugiesisch-US-amerikanisches Forscherteam um Susana Costas vom Nationalen Labor für Energie und Geologie von Portugal hat nun die Dünenaktivitätsphasen altersmäßig eingestuft. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse im April 2012 im Fachmagazin Quaternary Science Reviews. Auf Grundlage der vorliegenden Radar-Kartierung sammelten die Forscher Sandproben der verschiedenen Dünengenerationen. Die Altersdatierung erfolgte mithilfe der sogenannten „optisch stimulierten Luminiszenz-Methode“. Die Technik baut darauf auf, dass die Sande Spuren von natürlichen radioaktiven Elementen enthalten. Die von diesen Elementen erzeugte Strahlung verursacht Schäden im Kristallgitter der Körner, wobei instabile Elektronen eingebaut werden. Stimuliert man nun die Körner mit spezieller Strahlung, so sendet das Mineral ein charakteristisches Licht aus („Luminiszenz“). Je älter das Sediment ist, desto mehr Strahlung wird ausgesendet. Die Luminiszenz-Uhr beginnt zu ticken, wenn der Sand das letzte Mal direkt von der Sonne beschienen wurde. Hierdurch wird die Uhr quasi auf Null gestellt. Die Methode wird sowohl von Geologen als auch von Archäologen angewandt.

Susana Costas und ihre Kollegen konnten im portugiesischen Untersuchungsgebiet fünf Hauptphasen der Dünenaktivität feststellen, während derer die Westwinde besonders stark gewesen sein müssen. Diese Starkwindphasen ereigneten sich vor 12.600, 5.600, 1.200, 400 und 300 Jahren. Ähnlich windreiche Episoden traten zeitgleich auch in Nordwesteuropa auf.

Die Forscher verglichen die Wind-Entwicklung auch mit der Temperatur-Geschichte im Nordatlantik, welche vor mehr als zehn Jahren von einem Team um Gerard Bond anhand von Tiefseebohrkernen rekonstruiert wurde. Interessanterweise fielen die portugiesischen Starkwindphasen jeweils in ausgeprägte nordatlantische Kälteperioden (Abbildung 1). Mittlerweile sind die Bond-Klimazyklen aus den verschiedensten Teilen der Erde bekannt, haben also einen globalen Charakter. Bond konnte zudem zeigen, dass die von ihm dokumentierten Temperaturschwankungen der vergangenen 10.000 Jahre in beeindruckender Weise parallel zur Sonnenaktivität verliefen. Die kalten, windreichen Phasen im atlantischen Raum fanden alle zu Zeiten geringer Sonnenaktivität statt, so dass ein solarer Auslöser dieser Ereignisse wahrscheinlich ist. 

So fällt die windreiche Phase vor 1200 Jahren in die Kälteperiode der Völkerwanderungszeit (Dark Ages Cold Event), während die Starkwindepisode vor 300-400 Jahren als Teil der Kleinen Eiszeit anzusehen ist. Insbesondere die Kleine Eiszeit ist für seine kräftigen Stürme bekannt (siehe unser Blogartikel „Die kräftigsten Stürme gab es in Holland während der Kleinen Eiszeit“).

Abbildung 1: Windreiche Zeiten im untersuchten portugiesischen Dünenfeld (Dünensymbole) ereigneten sich während Kältephasen (Ausschläge der Kurve nach oben) wie sie von Gerard Bond und Kollegen im Nordatlantik nachgewiesen wurden. Zahlen in den Kreisen entsprechen der Nummerierung der Bond-Gruppe. Abbildung aus Costas et al. (2012).

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