Hans von Storch: „Die Forderung von Greta Thunberg, wir sollten in Panik geraten, hat etwas von Ideen einer Endzeitsekte“

Hamburger Abendblatt am 27. Oktober 2019:

Hamburger Klimaforscher: „Gretas Aussage ist lachhaft“

Hans von Storch spricht über die Klimadebatte, sinnlose Verzichtsforderungen und sinnvolle Maßnahmen gegen die Erderwärmung.

Er gilt als doppelter Mahner: Einerseits warnt auch der Hamburger Klimaforscher Prof. Hans von Storch vor den Folgen der Erderwärmung. Zugleich aber mahnt er eine sachliche Debatte an und hält wenig von Untergangsszenarien, wie sie derzeit oft gezeichnet werden. Eine auch bei diesem Thema zunehmende Polarisierung könnte der Demokratie schaden und der AfD nützen, so von Storch, der auch harte Kritik an Greta Thunberg bzw. deren Umfeld übt. Auch die Forderung nach persönlichem Verzicht etwa auf das Fliegen hält der Klimaforscher für wenig zielführend – weil sie kaum Effekte, aber für die persönliche Entwicklung von Menschen große Nachteile bringe. Ein Gespräch in Hamburg über falsche und sinnvolle Ansätze zur Bewältigung der Klimakrise.

Abendblatt: „Klimakrise: Aufstand oder Aussterben. Wir weigern uns, unseren Kindern und Enkeln einen sterbenden Planeten zu hinterlassen. Wir rebellieren, um die Zerstörung der Erde und allen menschlichen Lebens zu verhindern. Sei dabei!“ So heißt es in einem Flugblatt, das in Hamburg verteilt wurde. Sind Sie dabei?

Hans von Storch: Nein. Diese Zukunftsbeschreibung ist meines Erachtens nicht zutreffend. Durch die Klimaerwärmung könnte es theoretisch in den ohnehin heißen Tropen so heiß werden, dass man dort ohne technische Hilfen wie Klimaanlagen nicht mehr gut leben kann. Aber in allen anderen Regionen, etwa bei uns, kann davon keine Rede sein. In Phoenix/Arizona leben übrigens Millionen Menschen. Das war früher unmöglich, heute gibt es Klimaanlagen. Um die Menschen aufzurütteln, nehmen sich einige in dieser Debatte das Recht heraus, maßlos zu übertreiben für die gute Sache.

Abendblatt: Greta Thunberg sagt: Hört endlich auf die Wissenschaft! Freut Sie das?

Hans von Storch: Sie fordert, auf Wissenschaftler zu hören, die das verstärken sollen, was sie ohnehin glaubt und sagt. Manche Kollegen sprechen dann mit besonders markigen Aussagen auch kulturelle Vorstellungen an, die wir archetypisch tief in uns tragen – zum Beispiel, dass wir Menschen aufgrund unseres sündhaften Verhaltens die Welt zerstören. Das ist ein uraltes Motiv. Es gibt mit dem Klimawandel tatsächlich ein wichtiges Thema. Aber die Art, wie es behandelt wird, hat mehr mit Psychologie der Öffentlichkeit zu tun als mit der Wissenschaft, um die es vorgeblich geht.

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Die Presse am 21. August 2019:

Wie lang hält Greta Thunberg den Rummel noch durch?

Der Segeltörn nach New York ist der bisher spektakulärste PR-Gag des Thunberg-Clans. Aber die Medienblase könnte auch platzen und die Heldin ausspuken.

Man glaubt es kaum, aber Greta Thunbergs erster öffentlicher Auftritt ist nur ein Jahr her. Am 20. August 2018 setzte sie sich mit Wollmütze und Regenmantel – es war ein kühler, regnerischer Tag – vor das Reichstagsgebäude in Stockholm. In den Händen hielt sie eine Tafel mit der Aufschrift: „Skolstrejk för Klimatet“. So viel Schwedisch können mittlerweile alle. Andere mussten jahrelang warten, bis ihnen weltweite Aufmerksamkeit zuteilwurde. Nelson Mandela brachte sein halbes Leben in Gefängnissen zu. Ernesto Che Guevara musste erst erschossen werden, bevor ihn die Linke als Ikone verwerten konnte. Greta Thunberg spielt sie alle an die Wand.

Ihre Klimareligion greift Motive auf, die man aus der Geschichte der Ketzer des Mittelalters kennt. Deren Sekten verdammten die materielle Welt als Quell des Bösen und terrorisierten ihre Anhänger mit furchterregenden apokalyptischen Szenarien. Kehrt um! Bekehrt euch! Bedeckt euch mit Asche! Das Ende ist nah! Mit Angst und Verboten zu operieren, um die Menschen zu zwingen anders zu handeln, als sie aus freien Stücken handeln würden, ist typisch für alle totalitäre Bewegungen. Die Thunberg-Sekte ist nicht totalitär, wendet jedoch gleiche Methoden an.

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Weltwoche am 14. August 2019:

Rückkehr des Atomzeitalters

Egal, wie stark der Mensch den Klimawandel antreibt: Das Prinzip der Vorsicht gebietet, dass wir keine unnötigen Risiken eingehen sollten. Was tun? Wir müssen nicht die Gesellschaft umbauen. Kernenergie ist die Lösung. Klima-Retter, die gegen Kernenergie sind, haben eine andere, falsche Agenda.

[…]

Eine wichtige Kennzahl ist die Klimasensitivität von CO2. Sie sagt, um wie viel Grad Celsius sich die Erde bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre erwärmt. Diese Zahl kann man nicht messen, weil wir keine zweite Erde haben, mit der wir experimentieren können. Man muss sie berechnen. Die Resultate der Berechnungen streuen über einen Bereich von 1,5 bis 4,5 Grad Celsius, allerdings mit 3 Grad Celsius als wahrscheinlichstem Wert. Das ist die Gleichgewichtserwärmung. Selbst wenn der CO2-Gehalt ab heute nicht mehr stiege, würde es noch Jahrzehnte dauern, bis das neue Gleichgewicht erreicht wäre. Das liegt an der grossen Trägheit des Klimasystems. Diese Trägheit ist auch die Ursache für Professor Schlüchters Gletscherholz (Weltwoche-Sonderheft über das Klima). Die Tatsache, dass man oberhalb der Baumgrenze Holz findet, beweist nicht, dass es früher wärmer war. Es zeigt bloss, dass die Baumgrenze noch lange nicht dort ist, wo sie aufgrund des gegenwärtigen Klimas hingehört. Bis sie dort ist, dauert es Jahrhunderte.

Um wie viel ist denn die globale Temperatur schon angestiegen? Und wie viel davon ist menschengemacht? Wir wissen beides nicht. Wir wissen nicht genau, welches die Ausgangstemperatur vor der Industrialisierung war, und wir wissen nicht, welche Temperatur wir heute ohne zusätzliches CO2 hätten. Aber letztlich ist das unerheblich. Was wir wissen, ist, dass die natürlichen Schwankungen, die durch Änderungen der Meeresströmungen, Schwankungen der Sonnenaktivität, Vulkanausbrüche, Veränderungen der Grosswetterlage und andere Prozesse verursacht werden, von einer stetig zunehmenden Erwärmung überlagert sind. Wenn es von Natur aus kälter würde, würde es weniger kalt, wenn es von Natur aus wärmer würde, würde es noch wärmer werden. Und wenn es von Natur aus gleichbliebe, wäre die beobachtete Erwärmung zu 100 Prozent menschengemacht.

Was heisst das jetzt für die Klimapolitik? Klar ist, dass es irgendeinmal keine Emission von CO2 mehr geben darf. Wann? Je nachdem, welche Klimasensitivität die richtige ist. Wenn 1,5 Grad Celsius pro Verdoppelung richtig ist und wir die Erwärmung auf 2 Grad Celsius beschränken wollen, haben wir 140 Jahre Zeit – aber nur, wenn wir heute mit Reduzieren anfangen. Wenn sie 3 Grad Celsius beträgt, müssen wir in knapp 60 Jahren so weit sein. Aber wir werden nicht heute damit beginnen, nicht in der Schweiz und schon gar nicht weltweit.

Ganzen Beitrag in der Weltwoche lesen

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Michel van Biezen erklärt die Zusammensetzung der Erdatmosphäre:

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