Hamburger Max-Planck-Institut: „Wir werden vermutlich nie wissen, was genau die Verlangsamung der Oberflächenerwärmung verursacht hat“

Zwischen 1977 und 1998 schossen die globalen Temperaturen raketenhaft nach oben. Die Menschheit bekam es mit der Angst zu tun. Institute wurden gegründet und Alarm geschlagen: Das Ende ist nahe! Als dann die Erwärmung nach dem El Nino 1998 ins Stocken geriet, war guter Rat teuer. Die Abbremsung der wilden Erwärmungsfahrt hatte niemand kommen sehen. Ein paar Jahre redete man sich mit statistischen Problemchen heraus, später ließ sich der sogenannte Hiatus nicht mehr leugnen. Ein Teil der Forscher machte sich daran, die Ursachen wissenschaftlich zu erkunden. Im Laufe der Jahre wurden 30 mögliche Gründe für den Hiatus ersonnen. Ein anderer Teil der Forscher verfolgte eine andere Strategie und stritt die Existenz der unerwartet schwachen Erwärmung einfach ab. Dies beinhaltete Scheingefechte, in denen es um die Definition von Pause und Abbremsung ging. Je nach Datensatz und betrachtetem Zeitraum konnte man sich alles hinbiegen.

Der Stern schlug sich am 3. Mai 2017 auf die Seite der Hiatus-Leugner. Ob dies so richtig gut durchdacht war?

„Global Warming Hiatus“
Forscher lösen Wetter-Rätsel: Als der Klimawandel scheinbar zum Stillstand kam

15 Jahre lang stiegen die globalen Temperaturen nicht so, wie Klimamodelle vermuten ließen. Die Daten beflügelten die Thesen von Klimaskeptikern. Was war passiert?

[…] Forscher um Iselin Medhaug von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich in der Schweiz sind dieser Frage nachgegangen und haben ihr Ergebnis im Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht. Sie glauben: Die Daten bedeuten nicht, dass es keinen Klimawandel gibt. Dem steht auch der Trend der vergangenen drei Jahre entgegen: 2016 war das dritte Jahr in Folge, das den globalen Temperaturrekord seit Beginn der Aufzeichnungen 1880 gebrochen hat. Schuld am „Global Warming Hiatus“ sei vielmehr, dass in den Klimamodellen verschiedene Daten verwendet oder unterschiedliche Zeiträume betrachtet wurden. So wurden bei der Aufbereitung der Messdaten die Lufttemperaturen und die Oberflächentemperaturen der Ozeane zusammengenommen, während die Modelle in der Regel nur die Lufttemperaturen berücksichtigten. Auch weitere Klimafaktoren seien meist nicht einkalkuliert worden, berichten die Forscher. Dazu zählen etwa der Feinstaub aus Vulkanausbrüchen oder die Sonnenaktivität. […]

Au Mann, das ist doch genau, was wir gerade gesagt haben. Verschiedene Daten, verschiedene Zeiträume. Hier den Trend der letzten 3 Jahre mit dem starken El Nino anzuführen ist albern und zeigt die Verzweiflung der Hiatus-Leugner. Zudem hat niemand je abgestritten, dass es einen Klimawandel gibt. Der ganz Beitrag ist daher ziemlicher Quatsch, Nebelkerzen im Klimadiskussionssumpf. Im weiteren Verlauf des Artikels kommt Stefan Rahmstorf zu Wort, der den Hiatus eine Erfindung der bösen Klimaskeptiker hält. Comedy pur.

Im Spiegel geht Axel Bojanowski seriöser auf das Hauptproblem ein:

Das Stocken des Klimawandels hatte allerdings den Verdacht genährt, Computersimulationen könnten das Klima nur ungenügend vorhersagen. Sie hatten weder vorher noch nach der Erwärmungspause die erstaunliche Klimaschwankung von 1998 bis 2012 berechnen können. Das Versagen bleibe eine Herausforderung, es sei jedoch kein Grund, an den Klimamodellen zu zweifeln, schreiben die Forscher um Iselin Medhaug von ETH Zürich nun in „Nature“. Die Simulationen seien nur für längere Zeiträume geeignet. […] Die Erwärmungspause hätte schlicht das Unvermögen der Klimamodelle bestätigt, kurzfristige Schwankungen zu berechnen, ergänzt Piers Forster von der University of Leeds. Modelle seien nicht konzipiert worden, um 15-jährige Klimaentwicklungen vorherzusagen, sondern langfristigeren Klimawandel. […] „Schwankungen über kurze Zeiträume sagen nichts aus“, erklärte der frühere Chef der Weltmeteorologischen Organisation WMO, Michel Jarraud. Alle Jahre des 21. Jahrhunderts gehörten schließlich zu den wärmsten seit Beginn der Messungen, das unterstreiche den Klimawandel.

Die eigentliche Nachricht ist also das Eingeständnis, dass die Klimamodelle die Ozeanzyklen und andere wichtige Klimafaktoren im Jahrzehntmaßstab nicht reporduzieren können. Das wäre aber egal, erklärt man. Nein, es ist nicht egal. Denn die Modelle haben die starke Erwärmung 1977-1998 als Basis genommen, eine Erwärmung die maßgeblich von den Ozeanzyklen verstärkt wurde (siehe „Chinesische Studie: Etwa die Hälfte der Erwärmung der letzten 30 Jahre geht auf das Konto von natürlichen Ozeanzyklen „). Die Modelle müsen diesen Verstärker nachvollziehen können, genauso wie den Abschwächeffekt der letzten 15 Jahre. Ansonsten laufen die Modelle auch in den langfristigen Vorhersagen zu heiß. Die Unzulänglichkeiten der Modelle kann man schön in der Rückwärtsmodellierung sehen. Die gut dokumentierte Mittelalterliche Wärmeperiode vor 1000 Jahre kann von den Modellen nicht reproduziert werden, gab der IPCC unlängst in seinem letzten Klimabericht kleinlaut zu. Konsequenzen wagte die Organisation daraus jedoch nicht zu ziehen. Denn wenn Modelle die Klimageschichte nicht abbilden können, sollten sie auch für Zukunftsprognosen nicht verwendet werden.

Bei all dem Gezetere und Geschnattere reicht ein einziger Blick auf die RSS-Satellitentemperaturen. Fakt ist, dass es seit 1998 kaum wärmer geworden ist. Laut Modellen hätten aber 0,4°C hinzukommen sollen. Irgendwas ist faul.

Abb. 1: Globale Temperaturentwicklung laut RSS-Satellitendaten während der letzten 40 Jahre. Graphik: Woodfortrees.

 

In den oben genannten Presseartikeln wird stets Mojib Latif zitiert, der die vermisste Wärme im Ozean vermutet. Der Ozean nimmt, der Ozean gibt. So einfach ist das. Wirklich? Latifs Hamburger Kollegen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie sind sich da gar nicht so sicher. Die Wärme könnte genausogut in den Weltraum abgestrahlt worden sein, schreiben sie in einer Pressemitteilung vom 18. April 2017. Es gäbe in Punkto Hiatus noch viele offene Fragen:

Neue Studie stellt frühere Annahmen zum „Hiatus“ in der Oberflächenerwärmung in Frage

Viele Klimawissenschaftler machen den Ozean für die Verlangsamung in der Oberflächenerwärmung von 1998-2012 („Hiatus“) verantwortlich, indem die Wärme von der Erdoberfläche in die Tiefe des Ozeans verbracht wird. In einer neuen Studie bezweifeln Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-M) diese Sichtweise: die Wärme könnte genauso gut von der Oberfläche in den Weltraum abgestrahlt werden, und die Unsicherheit in den Beobachtungen zeigt, dass wir vermutlich nie wissen werden, was genau die Verlangsamung der Oberflächenerwärmung verursacht hat.

Die Oberflächentemperatur der Erde stieg in der Zeitspanne von 1998-2012 langsamer an als man unter Berücksichtigung der meisten Modellprojektionen oder der langzeitlichen Erwärmungstrends erwarten konnte. Klimawissenschaftler schreiben diese Verlangsamung der Oberflächenerwärmung („Hiatus“) der Wärmeaufnahme in den tieferen Ozean zu, was sie auch mit Beobachtungen nachgewiesen haben. Das Problem ist jedoch, dass sie die entscheidende Wärmeaufnahme nicht einmal, sondern mehrmals gefunden haben. Jedes Mal liegt der schlagende Beweis in einer anderen Region: im Atlantik, im Pazifik, im Indischen Ozean, im Südozean, oder in einer Kombination dieser Ozeane.

„Nicht so schnell“, sagt Christopher Hedemann, Leitautor der neuen Studie. Er und seine Co-Autoren Thorsten Mauritsen, Johann Jungclaus und Jochem Marotzke finden heraus, dass die Wärmeaufnahme in nur einer Ozeanregion – und sogar in allen Weltmeeren zusammen genommen – den Hiatus nicht erklären kann.

Das Team am MPI-M wollte herausfinden, was die Oberflächentemperaturen vor dem Hintergrund der langzeitlichen globalen Erwärmung variieren lässt, manchmal schneller, manchmal langsamer sich erwärmend als erwartet. Um diese quasi-zufälligen Variationen („interne Variabilität“) vom globalen Signal zu trennen benutzten sie ein Ensemble von Klimasimulationen in bisher nie dagewesener Größe, was umfangreiche Rechenzeit benötigte. Eine gute Gelegenheit ergab sich: das Swiss National Computing Centre (CSCS) an der ETH Zürich bot seinen neuen Supercomputer während seiner leeren Startphase an.

In dem großen Ensemble fanden die Autoren ungefähr 360 Ereignisse mit dem gleichen Verhalten der Oberflächentemperaturen wie beim 1998-2012 Erwärmungshiatus und machten ein paar unerwartete Entdeckungen.

Erstens ist die Wärme, die benötigt wird, um einen Hiatus im Ensemble zu verursachen, kleiner als gedacht. Frühere Studien hatten Abweichungen von 0.5 Wm-2 als nötig angesehen, wohingegen die Autoren der neuen Studie herausfinden, dass der Wert eher bei 0.1 Wm-2 liegt. Sie erklären, dass die Oberflächenschicht des Ozeans, die die dekadische Variabilität der Oberflächentemperatur regelt, viel dünner ist als in den früheren Hiatus-Studien angenommen. Daher ist weniger Variation im Energiehaushalt an der Oberfläche nötig, um die Erwärmung zu verlangsamen.

Zweitens fanden die Autoren heraus, dass ein Hiatus nicht nur durch den Wärmeverlust von der Oberfläche in den darunterliegenden Ozean eintritt. Eine Verlangsamung der Erwärmung kann auch durch eine zeitweilige Zunahme der Energieabstrahlung von der Oberfläche in den Weltraum entstehen. Aber in den meisten Fällen wird ein Hiatus durch den gesamten Energiehaushalt an der Oberfläche erklärt, d.h. durch die globale Wärmeaufnahme des Ozeans und die gesamte ausgehende Strahlung. Studien, die das Gesamtbudget vernachlässigen oder sich auf bestimmte Ozeanbecken konzentrieren, misinterpretieren wahrscheinlich die Ursache des Hiatus mit Beweisen, wo keine sind.

Hedemann und seine Kollegen haben weiterhin die Ergebnisse ihrer Studie mit verschiedenen Beobachtungen des Energiehaushalts der Erde seit dem Jahr 2000 verglichen. Anstrengungen, die Weltmeere mit automatischen Bojen zu beobachten, und die Strahlung in den Weltraum mit verbesserten Satelliten zu messen, werden erst seit ungefähr zehn Jahren unternommen. Da aber die Variation der Energie, die benötigt wird, um einen Hiatus zu verursachen, kleiner als bisher angenommen ist, ist es notwendig, den Energiehaushalt mit höchster Genauigkeit zu kennen, um den Ursprung solch eines Ereignisses zu bestimmen. Das MPI-M-Team fand heraus, dass die momentan verfügbaren Beobachtungen, die der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung stehen dazu nicht ausreichen. Deshalb wird der Ursprung des aktuellen Hiatus möglicherweise niemals identifiziert werden können.

Originalveröffentlichung:
Hedemann, C., T. Mauritsen, J. Jungclaus and J. Marotzke (2017) The subtle origins of surface warming hiatuses. Nature Climate Change, Opens external link in current windowdoi: 10.1038/NCLIMATE3274.

Hier der Abstract der Arbeit von Hedemann et al. 2017:

The subtle origins of surface-warming hiatuses
During the first decade of the twenty-first century, the Earth’s surface warmed more slowly than climate models simulated1. This surface-warming hiatus is attributed by some studies to model errors in external forcing2, 3, 4, while others point to heat rearrangements in the ocean5, 6, 7, 8, 9, 10 caused by internal variability, the timing of which cannot be predicted by the models1. However, observational analyses disagree about which ocean region is responsible11, 12, 13, 14, 15, 16. Here we show that the hiatus could also have been caused by internal variability in the top-of-atmosphere energy imbalance. Energy budgeting for the ocean surface layer over a 100-member historical ensemble reveals that hiatuses are caused by energy-flux deviations as small as 0.08 W m−2, which can originate at the top of the atmosphere, in the ocean, or both. Budgeting with existing observations cannot constrain the origin of the recent hiatus, because the uncertainty in observations dwarfs the small flux deviations that could cause a hiatus. The sensitivity of these flux deviations to the observational dataset and to energy budget choices helps explain why previous studies conflict, and suggests that the origin of the recent hiatus may never be identified.

Seltsamerweise schwieg sich die Presse zu dieser ernüchternden Max-Planck-Arbeit beredt aus. Die Studie bestätigt die Existenz der Pause bzw. Erwärmunsabbremsung und räumt ein, dass man sie nicht versteht. Wäre das nicht eine Schlagzeile wert gewesen? Lediglich Spiegel Online erwähnte sie am Rande.

Und hier gleich noch Begründung Nummer 31 für den Hiatus, den es laut Rahmstorf und deutscher Presse angeblich gar nicht gibt. Oka & Watanabe am 15. April 2017 in den Geophysical Research Letters:

The post-2002 global surface warming slowdown caused by the subtropical Southern Ocean heating acceleration
The warming rate of global mean surface temperature slowed down during 1998–2012. Previous studies pointed out role of increasing ocean heat uptake during this global warming slowdown, but its mechanism remains under discussion. Our numerical simulations, in which wind stress anomaly in the equatorial Pacific is imposed from reanalysis data, suggest that subsurface warming in the equatorial Pacific took place during initial phase of the global warming slowdown (1998–2002), as previously reported. It is newly clarified that the Ekman transport from tropics to subtropics is enhanced during the later phase of the slowdown (after 2002) and enhanced subtropical Ekman downwelling causes accelerated heat storage below depth of 700 m in the subtropical Southern Ocean, leading to the post-2002 global warming slowdown. Observational data of ocean temperature also support this scenario. This study provides clear evidence that deeper parts of the Southern Ocean play a critical role in the post-2002 warming slowdown.

 

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