Globale Erwärmung: Mensch oder Sonne?

von Dr. Hans-Rolf Dübal

Das IPCC („Weltklimarat“) vertritt bekanntlich die Auffassung, dass die gesamte globale Erwärmung seit Mitte des 19ten Jahrhunderts durch menschliche Aktivitäten verursacht wurde. In dieser Vorstellungswelt kommt das 11000jährige Aktivitätshoch der Sonne ebenso wenig vor, wie die sich im Warmmodus befindlichen Meeresoszillationen, die seit 1990 zurückgegangene Bewölkung und andere natürliche Ursachen. Nur die Treibhausgase, nichts anderes, sollen monokausal die Klimaveränderungen bestimmen, vielleicht von gelegentlichen Vulkaneruptionen unterbrochen. Eine derartige Negation natürlicher Kräfte provoziert Widerspruch. In diesem Beitrag soll dargelegt werden, dass die aktuelle Phase der globalen Erwärmung sich zu einem erheblichen Teil durchaus durch natürliche Einflussfaktoren erklären lässt. Dazu wird die Strahlungsbilanz der Erde und der Wärmeaustausch der Atmosphäre mit den Ozeanen herangezogen.

Temperatur, Energie- und Leistungsbilanz der Erde

Die Temperaturänderung ΔT der Luft berechnet sich als Quotient aus Wärmezufuhr oder -abgabe Q und der Wärmekapazität C der Atmosphäre:

   ΔT = Q/C                                                                              (1)

mit dem Wert für C= 5.2 ZJ/K (1ZJ = 1021 J). Zum Vergleich sei angemerkt, dass die Wärmekapazität der Ozeane mit 5556 ZJ/K etwa 1000mal höher ist, was für die Stabilisierung der Erdtemperatur aufgrund des ständigen Energieaustausches mit der Luft von großer Bedeutung ist. Thermodynamisch gesehen ist die Erdatmosphäre so etwas wie ein Pingpongball, der an eine Eisenkugel gebunden ist. Mag er noch so sehr hin- und herspringen: die enorme Trägheit der 1000mal schwereren Eisenkugel lässt ihn nicht von der Stelle kommen. Doch dazu später.

Die Erde ist – von der einzigen Ausnahme der Abstrahlung abgesehen- ein nahezu perfekt adiabatisches System. „Adiabatisch“ bedeutet, dass wegen des nahezu perfekten Vakuummantels, genannt „Weltall“, durch Wärmeleitung oder Konvektion kein Wärmeaustausch mit der Umgebung möglich ist und demzufolge alle von der Sonne eingestrahlte Energie auf dem Planeten verbleibt, eben mit Ausnahme der Abstrahlung. Das Klimasystem der Erde kann also Energie so gut wie ausschließlich durch solare Einstrahlung S aufnehmen und nur durch Abstrahlung D verlieren. Es gibt keine anderen klimarelevanten Energiequellen und -senken von nennenswerter Größe.

Allerdings kann die eingestrahlte Energie sich umwandeln, z.B. bei der Photosynthese, bei Phasenumwandlungen (Verdampfen von Wasser, Schmelzen von Eis) oder bei Änderungen der kinetischen Energie von Meeres- und Luftströmungen. In diesen Fällen wird Wärme unter Erhalt der Energie verringert bzw. in den umgekehrten Prozessen freigesetzt. Eine Abschätzung der Größenordnungen zeigt jedoch, dass diese Beiträge im Verhältnis zur eingestrahlten Solarenergie recht gering sind. Tabelle 1 zeigt einen Vergleich.

Tab. 1: Vergleich einiger klimarelevanter Leistungsbeiträge zur Veranschaulichung der Größenordnungen. Das Vorzeichen bedeutet Energieaufnahme (+) bzw. Energieabgabe (-).

Abb. 1: Schema des einfachen Energiefluss-Modells. Die Füllstande der Behälter symbolisieren die Wärmemengen und damit die Temperaturen.

S und D sind Leistungsgrößen und besitzen die Einheit Watt (bzw. W/m²). Die Enthalpieänderung ΔH (Einheit Joule = Wattsekunde) des Klimasystems, bezogen auf ein Zeitintervall von einem Jahr (Δt =1 Jahr, Jahresmittelwerte und A=Erdoberfläche) lautet demnach:

ΔH = Δt  · A ·  (S – D)  .                                                                                  (2)

Aus diesem ΔH speisen sich u.a. die globale Erwärmung der Atmosphäre und der Ozeane, das Pflanzenwachstum, die Erwärmung der Landoberfläche sowie die Phasenübergänge usw. und natürlich alles vice versa.

Gehören Sie zur D-, DS- oder S-Fraktion?

Es lohnt sich, über diese einfache Gleichung (2) nachzudenken. Das IPCC, die überwiegende Medienwelt und die Mehrzahl deutscher Politiker sieht S als Konstante an und D als abnehmend (Treibhauseffekt). Wärmeinhalt und Temperatur steigen an, solange S>D ist und bei steigender Emission erst recht, da D dann noch weiter sinkt. Ich nenne diese Gruppe hier die D-Fraktion, die die Erwärmung als monoton fortschreitenden und bei steigender Emission sogar noch beschleunigten Prozess ansieht, der irgendwann kritisch werden muss. Sie sieht als einzigen Ausweg eine schnelle und durchgreifende Senkung der Emissionen, also die Erhöhung von D, damit wenigstens eine Balance S≈D erhalten wird. Die D-Fraktion scheut dafür selbst disruptive politische Veränderungen („Autoritarismus“) nicht.

Wissenschaftler kommen eigentlich nicht umhin, weder S noch D als konstant anzusehen: beide sind erwiesenermaßen variabel und können zur Temperaturänderung beitragen. Die Streitfrage geht lediglich um das Größenverhältnis beider Beiträge. Ein Teil der Erwärmung ist natürlichen Ursprungs und nicht zu ändern, ein anderer Teil wird durch menschliches Zutun verstärkt und ist beeinflussbar. Das eine Grad Erwärmung seit Mitte des 19ten Jahrhunderts ist zum einen eine natürliche Schwankung und zum anderen die Folge anthropogener Treibhausgasemissionen. Dies ist die DS-Fraktion, die seltsamerweise oft genug wegen ihrer moderaten Haltung kritisiert wird. Der Autor selbst rechnet sich klar zu dieser Gruppe. Eine gewisse Eingrenzung der Erwärmung, falls sie denn überhaupt kritische Dimensionen erreichen würde, erfolgt hier durch die kontinuierliche Verbesserung und den technisch-organisatorischen Fortschritt.

Und schließlich kommt die S-Fraktion, die kaum wahrgenommen und dort, wo sie auftritt, sich glücklich schätzen darf, wenn sie lediglich ignoriert wird. Sie nimmt an, D sei in etwa konstant und S variabel. Und da dieser extreme „anti-mainstream“ Standpunkt so wenig Beachtung findet, soll er hier genauer untersucht werden. Wie weit kommt man mit diesem Ansatz? Lässt sich die aktuelle globale Erwärmung damit ebenso erklären und lassen sich damit realistische historische Temperaturschwankungen herleiten?

Die Konstanz von D – ist das realistisch?

Die angenommene Konstanz der Dissipation D ist keineswegs selbsterklärend. Wie lässt sich diese begründen? Das überragende Temperaturkorrektiv des Klimasystems besteht im Stefan-Boltzmann- Gesetz, nachdem die ausgehende Strahlung eines schwarzen Körpers proportional zur vierten Potenz der Temperatur ist. Schon bei kleinen Schwankungen der Erdtemperatur steuert die Abstrahlung massiv dagegen. Die langwellige Abstrahlung ist -grob betrachtet- in dem Maße konstant wie die vierte Potenz der absoluten Temperatur (zu beachten ist, dass <T4> ≠ <T>4).  Hätte man im letzten Jahrtausend Schwankungen der Jahresmitteltemperaturen um ca. ±1 K, so wären das ca. ±0.3% bei der Temperatur und ca. ±1.4 % bei der ir-Abstrahlung.

Es gibt dazu empirische Daten. Für den Zeitraum 2001-2018 berichten Dewitte et.al. [DEW_2019] Werte zwischen 237.4 W/m² und 238.7 W/m², also 238.1±0.6 W/m², eine Schwankung von 0.25%, allerdings in diesem Zeitraum mit einer geringen Anstiegstendenz von 0.23 W/m² (0.1%) pro Jahrzehnt, die etwas schwächer ist, als man aus der T4 Betrachtung erwarten würde. Die in Tab. 1 zusammengestellten Jahresmittelwerte schwanken noch etwas weniger. Ist es für die langfristige Energiebilanz erlaubt, die Jahreswerte durch einen Mittelwert anzunähern? Die beiden rechten Spalten bejahen das: die vorletzte Spalte zeigt, dass dem Klimasystem der Erde im Zeitraum 2001-2017 genau 248,62 ZJ Energie zugeführt wurde. Die Welt ist in diesen Jahren wärmer geworden. Die letzte Spalte zeigt die nach Gl. (4) bis (6) berechnete Zufuhr mit konstantem D, die gut mit dem empirischen Wert übereinstimmt. Das ist angesichts der Linearität dieser Gleichungen und den geringen Schwankungen der Größen S und a bzw. Spalte 2 und 4, nicht überraschend.

Für das extreme solare Modell lautet also die einfachste denkbare Annahme:

D(t) –> <D(t)> = D = konstant.                                                                     (3)

In Worten: der tatsächlich schwankende Wert D(t) wird ersetzt durch seinen langfristigen Mittelwert und ab hier mit D bezeichnet. Bei der Berechnung der Wärmemengen Gl. (6), aus denen sich letztlich die Temperatur berechnen lässt, gleichen sich positive und negative Abweichungen weitgehend aus und es entsteht dabei vermutlich nur ein kleiner Fehler. 

Somit lässt sich die langfristige Temperaturänderung ΔT(t) durch Berechnung der Wärmemenge Q(t) gemäß Gl. (1) für jedes Jahr t allein aus einer Zeitreihe der solaren Schwankungen ermitteln. Mit der bereits erwähnten energetischen Vernachlässigung von Photosynthese, Phasenumwandlungen, Landwärme und der Änderungen der kinetischen Energie von Luft- und Meeresströmungen gilt für die Wärme q(t), die im Jahr t zu- oder abgeführt wird:

q(t) ≈ ΔH(t) = Δt  · A ·  [ S(t) – D ]      .                                                          (4)

Jahre mit S(t) > D sind Heizjahre. In ihnen wird dem System Wärme zugeführt und die Temperatur steigt an. Ist jedoch S(t) < D, so haben wir ein Kühljahr und die Temperatur fällt. Vorweggenommen sei gesagt, dass das letzte Kühljahr in diesem Modell 1925 war und wir seitdem fast 100 Heizjahre in Folge hatten. Alle 17 Jahre in Tab. 2 waren starke Heizjahre und die Wärme des Klimasystems nahm daher in diesem Zeitraum zu. Jahresausschläge zeigen, dass Gl. (3) nur über längere Zeiträume gültig sein kann.

Für die effektive Sonneneinstrahlung S(t) wird üblicherweise angesetzt:

            S(t) =  (1-a) · I(t) / 4    ,                                                                                  (5)      

worin A die Erdoberfläche und I(t) die „Total Solar Irradiance (TSI)“ bedeuten, also die veränderliche „Solarkonstante“, angegeben in W/m². Der Parameter a steht für Verluste aus Reflexion und Lichtstreuung und der Faktor 4 ist das Verhältnis einer Kugeloberfläche (Erde 4πr²) zu einer Scheibe (Strahlungsquerschnittsfläche des Sonnenlichts πr²), die sich im Verlaufe eines Tages gewissermaßen um die Erdkugel „wickeln“ muss. In Abb.1 sind die Modellparameter und ihr Zusammenwirken veranschaulicht.

Tab. 2: Empirische Jahresmittelwerte für die solare Einstrahlung (S_obs), die reflektierte Strahlung (RSR_obs),  den Reflektionsgrad, die ausgehende langwellige Strahlung (OLR_obs), die Nettoleistungsaufnahme (P_obs), die berechnete Nettoleistungsaufnahme (P_calc), die Abweichung, und schließlich die empirische und berechnete Enthalpieänderung von 2001-2017 in ZJ (1E21J). Die empirischen Jahresdaten wurden von Dewitte et.al. [DEW_2019] graphisch entnommen. Daher können kleinere Abweichungen zu den Originaldaten auftreten.

Kennt man also die totale Sonneneinstrahlung I(t) als Zeitreihe, so lässt sich daraus S(t) ermitteln, wobei die Parameter a und D an empirische Temperaturdaten angepasst werden. Beginnend von einem Anfangszustand Q(0)≡0, T(0) wird sukzessive Jahr für Jahr die Wärmemenge q(t)  nach Gl. (4) und (5) berechnet und aufaddiert, wobei die Wärmemenge Q(t) je nach Vorzeichen von q(t) steigt oder fällt, gleichsam dem Pegelstand der symbolischen Behälter in Abb. 1.  

Q(t) = q(1) + q(2) + q(3) +  ….. + q(t)                                                             (6)

Man kann auf dieser Basis mit Gl. (1) den 1000jährigen Temperaturverlauf berechnen.

T(t) = T(0) + Q(t) / C                                                                                      (7)

Bei dieser Temperaturberechnung stößt man auf zwei Schwierigkeiten. Zum ersten gibt es zwar genaue aktuelle Messdaten für I(t) = TSI(t), nur die Rekonstruktionen für die Vergangenheit unterscheiden sich stark, wenn man verschiedene Autoren vergleicht. Der TSI-Hub aus dem Maunder-Minimum (ca. 1700) bis heute liegt je nach Rekonstruktion zwischen ca. 1 und 7 W/m². Diese Größe geht jedoch entscheidend in die Modellrechnungen ein und bestimmt die Dynamik der Temperaturänderungen. Somit lassen sich nur mit Datenreihen mit starker Differenzierung in I(t) realistische Ergebnisse erhalten. Die folgenden Berechnungen fußen auf der recht aktuellen Datenreihe einer sehr erfahrenen Arbeitsgruppe, Egorowa et.al. [EGO_2018, Datensatz „Chronos MC17“], mit einem Wert von 6 W/m² zwischen Maunder-Minimum und heute. Mit diesem Datensatz wurden stimmige Ergebnisse erhalten.

Die zweite Schwierigkeit ist die zwingende Einbeziehung der Ozeane. Die Ozeane absorbieren den größten Teil des einfallenden Sonnenlichtes, haben einen intensiven Energieaustausch mit der Atmosphäre und besitzen die bereits erwähnte überwältigend hohe Wärmekapazität, 1000mal größer als die der Atmosphäre und erst recht höher als die obere Landkruste (nur etwa 1.8 ZJ/K – selbst, wenn man eine Tiefe von bis zu 10 m als relevant für den Wärmeaustausch ansetzt). Der Wärmeaustausch erfolgt durch den üblichen Ansatz:

      qAtm-Oc / Δt = k ·  A Oc · (TAtm – TOc)                                                          (8)

Es werden nachgeschaltet noch vereinfachte Transportgleichungen für den weiteren Wärmetransport in die tieferen Meeresschichten eingesetzt, die in der Originalarbeit [DUE_2020] beschrieben sind und hier der Kürze halber weggelassen werden. Lässt man den Energieaustausch mit den Ozeanen weg, erhält man die realitätsferne graue Kurve in Abb.2 oben.

Ergebnisse der 1000jährigen solaren Modellrechnung („S-Modell“)

Das Ergebnis für die Lufttemperatur ist in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt. In Abb. 2 erkennt man auch das Prinzip dieser Rechnung für das vergangene Jahrtausend: ganz unten der TSI-Datensatz, darüber der flächenbezogene Wärmestrom (>0 heizend, <0 kühlend), dann noch die berechnete ozeanische Wärmeaufnahme, verglichen mit den Ergebnissen von Gebbie und Huybers [GEB_2019] und ganz oben die Temperaturanomalie mitsamt drei empirischen Datenreihen (Hadcrut4, GISS und Satelliten-UAH). Man erkennt die ausgeprägte mittelalterliche Warmperiode (Medieval Climate Anomaly, MCA), die kleine Eiszeit (Little Ice Age, LIA) und die heutige Warmperiode (Current Warm Period, CWP). Letztere ist in Abb. 3 noch einmal gespreizt dargestellt. Es wird ein realistischer Trend erhalten, allerdings zuletzt etwas flacher als die empirischen Datensätze. Möglicherweise ist diese Abweichung eine Folge der Vernachlässigung des anthropogenen Treibhausanteils. Es sei noch erwähnt, dass die Satellitentemperaturen systematisch etwas tiefer liegen als die terrestrischen Datensätze. Das wurde so belassen und nicht angepasst. Ferner sind die empirischen Datensätze auf das erdnahe Niveau bezogen (2m Höhe), wohingegen die Temperaturdefinition nach Gl. (1) die mittlere Temperatur der gesamten Atmosphäre ist und daher -trotz Parameteranpassung an die empirischen Daten- abweichen kann.

In Abb. 4 sind die ozeanischen Wärmeaufnahmen für verschiedene Meerestiefen dargestellt und mit den Ergebnissen von Gebbie und Huybers [GEB_2019] der letzten zwei Jahrtausende verglichen. Abb. 5 schließlich zeigt die nach diesem Modell berechnete ozeanische Wärmeaufnahme (obere 2000 m) der letzten Jahrzehnte, verglichen mit Literaturdaten.

In diesem Modell ergibt sich die heutige Warmperiode nicht aus dem Anstieg der Treibhausgaskonzentration, sondern durch die Wärmeakkumulation von fast 100 Heizjahren.

Abb.2 : Unten die TSI Daten für den Zeitraum AD 1000 bis 2018. Die Buchstaben stehen für die Oort, Wolf, Spörer, Maunder, Dalton und Gleissberg Minima. Ein konstanter Wert von 1355 W/m² wurde zu den Differenzwerten von Egorowa et.al. [EGO_2018] addiert. Darüber der Leistungssaldo. Das dritte Diagramm ist die berechnete ozeanische Wärmeaufnahme zusammen mit den geglätteten Daten von Gebbie und Huybers [GEB_2019], gestrichelt. Das obere Diagramm zeigt schließlich die berechnete atmosphärische Temperaturveränderung (fett blau) zusammen mit den empirischen Datensätzen und einer gestrichelten Linie, bei der der Wärmeaustausch mit den Ozeanen weggelassen wurde.

Abb.3: Spreizung des Temperaturdiagramms aus Abb.2 (ganz oben). Die fette blaue Linie ist das Modellergebnis.

Abb.4: Die ozeanische Wärmeaufnahme der vergangenen 2000 Jahre für verschiedene Tiefenbereiche nach Gebbie und Huybers [GEB_2019] und mit dem hier beschriebenen Modell.

Diskussion und Fazit

Welcher Schluss darf nun aus diesen Berechnungen gezogen werden? Zunächst sind die Einschränkungen dieses Ansatzes zu rekapitulieren. Es handelt sich um ein Temperaturmodell, nicht um ein Klimamodell. Zwar ist das Recheninkrement ein Jahr, aber die Zeitauflösung ist als Folge einer effektiven gleitenden Durchschnittsbildung nach Gl. (6) deutlich länger, vielleicht 20-30 Jahre. Man wird also keine Jahresprognosen damit machen können, zumindest nicht in der vorliegenden Ausführung. Der anthropogene und natürliche Treibhauseffekt ist nur implizit als konstanter Beitrag enthalten, ebenso Verdampfung/Kondensation, Eisschmelze/Kristallisation, die Erwärmung der Landmasse, die Veränderung der Biosphäre und der kinetischen Energie von Wind und Meer.

Immerhin zeigt das S-Modell, dass man mit vernünftigen physikalischen Annahmen ohne Zuhilfenahme eines starken anthropogenen Effektes die heutige Warmperiode zum erheblichen Teil als Naturphänomen erklären kann und dies in Übereinstimmung mit der mittelalterlichen Warmzeit, der kleinen Eiszeit und der ozeanischen Wärmeaufnahme. Letzteres bringen die ungleich mächtigeren CMIP-Modelle derzeit nicht zustande.

Die hier zitierte Arbeit von Schuckmann et.al. [SCH_2020] zeichnet hinsichtlich der Energiebilanz im 21sten Jahrhundert ein ähnliches Bild wie die Arbeit von Dewitte et.al. [DEW_2019], da beide Arbeiten auf dieselben (oder ähnliche) Rohdaten referenzieren (CERES). Etwa 90% des Energieüberschusses verbleibt nach Schuckmann et.al. in den Ozeanen, ähnlich wie im solaren Modell. Die Ozeane sind die Energiezähler des Klimasystems. In Abb. 5 ist der Enthalpieverlauf seit 1970 dargestellt. Aufgrund seiner inhärenten Trägheit und geringen Zeitauflösung kann das 1000jährige solare Modell zwar den Anstiegstrend, nicht aber die Schwankungen und die Steilheit der 2000-2018 wiedergeben.

Abb. 6 zeigt die Enthalpie seit 1750. Hier wurde die Arbeit von Gebbie und Huybers [GEB_2019] zugrunde gelegt, die eine 2000jährige Rekonstruktion der ozeanischen Wärmeaufnahme enthält. Diese Daten wurden wegen der oben angegebenen 90% durch 0.9 dividiert, um die gesamte Enthalpie des Klimasystems zu erhalten.  Es ergibt sich nun ein etwas anderes Bild: seit 1750 hat es mindestens drei auffällige Enthalpieschübe gegeben, die mit A,B,C bezeichnet sind. Es ist ein Leichtes, aus diesen jeweils etwa 20-30jährigen Zeitspannen die Nettoleistungsaufnahme auszurechnen, die zwischen 0.7 und 0.9 W/m² liegt. Der heutige dritte Schub C ist also nicht „nie dagewesen“, sondern es stellt sich vielmehr die Frage, welche Ursachen die beiden Schübe A und B bewirkt haben könnten. Treibhausemissionen waren damals zu gering, um als Erklärung herhalten zu können.

Wie so oft in der Klimaforschung lassen sich dieselben Daten und Fakten ganz unterschiedlich interpretieren. Schuckmann et. al. leiten aus dem Enthalpieanstieg C die Notwendigkeit ab, die CO2-Konzentration von 410 ppm à 353 ppm zu senken, um das Strahlungsgleichgewicht wieder auszutarieren. Hier spricht die D-Fraktion in reinster Form.

Im solaren Modell könnte die sinkende Solareinstrahlung dasselbe bewirken. Sollte das kommende zyklische Solarminimum stark ausfallen, wie etwa das Dalton (∆TSI = -4 W/m² à Effekt -1 W/m²) oder gar Maunder-Minimum (siehe Abb. 2), so ist bei Gültigkeit dieses Modells trotz steigender Emissionen wieder mit fallenden globalen Temperaturen zu rechnen. Diese Vermutung wird gestützt durch den abnehmenden (!) Leistungsüberschuss

Abb.5: Die z.T. empirisch bestimmte Enthalpiezunahme [SCH_2020 und DEW_2019] des Klimasystems, verglichen mit den berechneten Werten des 1000-jährigen solaren Modells. Der Energieschub nach 2000 ist unübersehbar und zeigt eine sprunghaft angestiegene Nettoeinstrahlung an. Allerdings sind erst seit 2001 bzw. 2004 Satellitendaten verwendet worden. Für den davor liegenden Zeitraum wurden vor allem die ozeanische Wärmeaufnahme und andere Beiträge herangezogen, was durch den blau hinterlegten Fehlerbereich zum Ausdruck kommt.

Abb.6:  Die Enthalpieentwicklung des Klimasystems seit 1750, rekonstruiert aus den Daten von Schuckmann et.al. [SCH_2020, s. Abb.5] und Gebbie & Huybers [GEB_2019]. Letztere sind die ozeanischen Wärmeaufnahmen, geteilt durch den Faktor 0.9. Die drei Heizschübe A,B und C haben eine Dauer von 20-30 Jahren und ähnlich hohe Leistungsüberschüsse. Die graue fette Kurve ist die 1000jährige Berechnung des solaren Modells (Abb. 2,3). Die Nullpunkte der drei Enthalpie-Datensätze sind passend verschoben.

bei zunehmendem CO2-Gehalt im [DEW_2019] Datensatz: 1.0à0.8 W/m² bei CO2-Anstieg von 371à410 ppm (2001-2018). Die Abnahme lässt sich fast vollständig mit der Abnahme der solaren Einstrahlung (340.5 à 340.3 W/m², – 0.2 W/m²) erklären. Also sprach die S-Fraktion!

Wie wird es weitergehen? Man darf davon ausgehen, dass die CO2-Konzentration nicht sinken, sondern weiter ansteigen wird (China, Indien usw.) und die gut gemeinten Wünsche, den CO2-Gehalt zu reduzieren, um die Strahlungsbilanz auszugleichen, ins Leere laufen werden. Sich andererseits nur auf die Solarzyklen zu verlassen, wäre wohl zu fatalistisch und das ist nicht unsere Art. Insofern sind Maßnahmen, die Emissionen zu verringern ein richtiger Weg, sofern dieser mit Geduld und Augenmaß gegangen wird. Man stelle sich vor, im Jahr 1880 hätte ein Klimaforscher die Phase A betrachtet, den Emissionen zugeschrieben und davor gewarnt, Wärmekraftmaschinen zu bauen, da sonst das Klima kippen würde. Hätte man diesem fiktiven Kollegen Gehör geschenkt, so wäre das sicher nicht zum Vorteil der Menschheit gewesen.

Es spricht am Ende vieles für die DS-Fraktion, die das Problem weder ignoriert, noch in den Panikmodus verfällt, sondern bestrebt ist, besonnen und rational einen Weg zu finden, der Klima, Freiheit und Wohlstand unter einen Hut bringt: kontinuierliche Verbesserung, technisch-organisatorischer Fortschritt und die richtige Balance zwischen Tatkraft und Geduld.

In der Wissenschaft kann man grundsätzlich nichts beweisen, sondern nur widerlegen – ihre Natur ist negativ. Aus den überraschend realistischen Temperatur- und Enthalpie-Ergebnissen des S-Modells darf man weder schließen, dass dieses Modell richtig, noch, dass der AGW-Ansatz (Anthropogenic Global Warming) falsch sei. Beide Ansätze müssen sich an der empirisch festzustellenden Realität messen lassen und für diesen Härtetest stehen die Chancen in den nächsten Jahrzehnten sehr gut. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts laufen Sonne und Treibhauseffekt im Gleichklang, dazu auch noch die AMO (Atlantische Multidekadische Oszillation), allesamt Effekte, die einen Temperaturanstieg bewirken können. Man konnte daher hinsichtlich der globalen Erwärmung den Haupteffekt kaum feststellen. In den nächsten dreißig Jahren sieht es wohl so aus, dass die Sonnenaktivität rückläufig sein wird, die Treibhausgaskonzentrationen aber weiter ansteigen. Alles andere als ein deutlicher weiterer Temperaturanstieg ist mit dem AGW-Ansatz nicht kompatibel. Stiege die Temperatur bei abnehmender Sonnenaktivität signifikant weiter an, so wäre das hier beschriebene S-Modell zu verwerfen. Mit der noch wenig verstandenen Wolkenbildung ist zudem noch ein ausgesprochen mächtiger Joker im Spiel.

Einen zweiten Erkenntniszugang bietet die Paläoklimatologie. Je genauer unsere Kenntnis historischer Temperaturverläufe und Meeresspiegel sind, desto klarer kann die natürliche Handschrift hervortreten. Hier gilt, das starke historische Varianzen nicht mit dem AGW kompatibel sind, wohl aber mit dem solaren Ansatz.

Beide Ansätze sind grundsätzlich in jedem Verhältnis misch- und kombinierbar. Der Autor selbst sieht S:D ≈ 2:1 oder gar 3:1, abgeleitet aus dem Temperaturgang der letzten 150 Jahre [Due_2020, S. 130ff] und den historischen Varianzen und rechnet mit einer noch ca. 10-20 Jahre ansteigenden Globaltemperatur, jedoch mit zunehmend schwächerer Tendenz als die heutigen 0.14 °C/Jahrzehnt.

Zum Abschluss noch eine Bitte an die Leser zum Selbergrübeln: Wie sehen Sie den realistischen S:D – Mix – und wie begründen Sie Ihre Meinung?

Literatur:

DEW_2019: Dewitte, S.,  Clerbaux, N.,  and Cornelis, J.  ; Remote Sens. 2019, 11, 663; doi:10.3390/rs11060663www.mdpi.com/journal/remotesensing

DUE_2020: Dübal, H.-R.; Klima: Auf dem Wege zu meiner eigenen Meinung;
BoD-Verlag, ISBN 978-3-7519-5041-1

EGO_2018: Egorova, T., Schmutz, W., Rozanov, E., Shapiro, A.I., Usoskin, I., Beer, J., Tagirov, R.V., and Peter, T.: Revised historical solar irradiance forcing, Astronomy & Astrophysics, 615, A85, https://doi.org/10.1051/0004-6361/201731199, 2018.

GEB_2019: Gebbie, G. and Huybers, P.: The Little Ice Age and 20th-century deep Pacific cooling, Science, 363, 70 –74, 2019.

SCH_2020: Schuckmann, K. von et.al. : Earth Syst. Sci. Data, 12, 1–29, 2020. https://doi.org/10.5194/essd-12-1-2020

Leserpost leiten wir gerne an den Autor weiter. Kommentare bitte hier.

Teilen: