Europäisches Forschungskonsortium verwirft extreme Meeresspiegelprognosen

Im Rahmen eines mit insgesamt 10 Millionen Euro geförderten europäischen Forschungsprogrammes untersuchte ein Verbund von 24 Instituten Szenarien für die zukünftige Meeresspiegelentwicklung. Beteiligt war unter anderem auch das Bremerhavener Alfred Wegener Institut (AWI). Hauptziel des von 2009 bis 2013 aktiven ice2sea-Programm war es dabei, das Abschmelzen von auf dem Land befindlichen Eismassen zu quantifizieren. Im Mai 2013 haben die Forscher nun ihren Abschlussbericht vorgelegt (pdf hier). Das Forschungskonsortium kommt zu dem Schluss, dass im wahrscheinlichsten Szenario der Meeresspiegel bis zu Ende des Jahrhunderts zwischen 16,5 cm und 69 cm ansteigen wird. In einem Reuters-Interview erklärte der Programmleiter David Vaughan vom British Antarctic Survey, dass dies „gute Nachrichten“ wären, da die vormals vorgeschlagenen Horrorszenarien mit Anstiegen bis zu 2 m damit nun unwahrscheinlich geworden sind.

Noch vor vier Jahren hatte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit eben solchen Extrem-Szenarien für Aufsehen gesorgt. In einer Pressemitteilung vom 7. Dezember 2009 erklärte das Institut kurz vor dem Kopenhagener Klimagipfel:

Meeresspiegel könnte innerhalb dieses Jahrhunderts bis zu 1,9 Meter ansteigen

Eine neue wissenschaftliche Studie warnt, dass der Meeresspiegel deutlich schneller ansteigen könnte als bislang erwartet. Laut einer heute in der US-Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichten Studie könnte der Pegel im Jahr 2100 75 bis 190 Zentimeter höher stehen als heute. Die Autoren, Martin Vermeer von der Helsinki University of Technology in Finnland und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) werteten Meeresspiegel- und Temperaturmessungen aus den vergangenen 130 Jahren aus. Die Daten belegen, dass die Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs maßgeblich von der globalen Mitteltemperatur beeinflusst wird.

Die mehrjährigen Untersuchungen des großangelegten ice2sea-Forschungsprogrammes konnten Rahmstorfs Horrorszenarien letztendlich nicht bestätigen. Bereits 2009 hatte Rahmstorfs Schnellschuss bei seinen Fachkollegen sichtlichen Unmut erregt. So sagte der IPCC-Autor Peter Lemke vom AWI damals, wer die Meeresspiegel-Prognose für das Jahr 2100 auf bis zu zwei Meter erhöhe, „schießt aus der Hüfte. Das sind unbegründete Horrorszenarien.“ Erst im Dezember 2012 hatte das PIK seine Meeresspiegel-Apokalypse weitergesponnen und meldete entzückt:

Projektionen zum Meeresspiegelanstieg könnten unterschätzt worden sein

Während die globale Mitteltemperatur in den letzten Dekaden in einer Geschwindigkeit zugenommen hat, die gut mit den Projektionen des Weltklimarats übereinstimmt, ist der Meeresspiegel schneller angestiegen als vorhergesagt. Das geht aus einer Studie hervor, die jetzt im Fachjournal Environmental Research Letters veröffentlicht wurde. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Kollegen vergleichen darin für den Zeitraum zwischen 1990 und 2011 Projektionen mit tatsächlichen Messdaten. Der schnellere Anstieg des Meeresspiegels könnte darauf hinweisen, dass auch für die Zukunft die Berechnungen vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu niedrig sind, so die Wissenschaftler.

Das Potsdamer Institut bewegt sich mit seinen extremen Thesen immer weiter ins Abseits des wissenschaftlichen Mainstreams. Bislang schauen die deutschen Forschungsbehörden dem wilden Treiben auf dem Telegraphenberg noch tatenlos zu. Aber wie lange noch? Immerhin geht es hier um knappe Forschungsgelder, also Steuegelder, die an anderer Stelle möglicherweise besser angelegt wären.

 

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