Die Sonne im März 2020 und Klima-„Triggerpunkte“

Von Frank Bosse

Erleben wir gerade das Ende des Zyklus 24 unseres Zentralgestirns? Diese Frage ist durchaus berechtigt. Einige Zeichen deuten in diese Richtung. Eine frische (pre-print) Studie ermittelt aus der Radiostrahlung der Sonne gar den Start von Zyklus 25 bereits im vergangenen Herbst. Die solaren polaren Felder der Hemisphären scheinen auch auf ein Ende des SC24 gegen Dezember 2019 zu deuten, der geglättete Mittelwert erreichte das Maximum.

Ohne die Anwesenheit von Sonnenflecken des neuen SC (für Solar Cycle) 25 bleibt es weiterhin schwierig, ein wohl definiertes Enddatum für SC24 zu finden und man muss mit der endgültigen Abgrenzung noch warten.  Hier sei daher der Zyklus 24 noch als aktiv betrachtet. Die Flecken machten sich also naturgemäß mitten im Minimum rar im März 2020. Die festgestellte SSN ( für SunSpotNumber) betrug 1,5. An nur 4 Tagen ergab sich überhaupt nur etwas Zählbares, alle anderen Tage waren „Spotless“. Das schlägt sich im Diagramm für den Zyklus 24 so nieder:

Abb. 1: Der Zyklus 24 (rot) im Vergleich zu einem mittleren Zyklus ( blau) -errechnet aus den Mittelwerten aller bisherigen Zyklen- und dem über lange Zeiträume recht ähnlichen Zyklus 5 ( schwarz).

Wie gering die Sonnenaktivität im Vergleich zum letzten Minimum (ab 2003)seit 2016 war, wird hier deutlich:

Abb. 2: Vergleich der SSN-Zahlen in den Minimum-Zeiträumen, jeweils ab Zyklusmonat 100 aufgetragen.

Die einzelnen gesamten SC gegenüber gestellt:

Abb. 3: Die bisher seit 1755 systematisch beobachteten SC  mit ihrer Sonnenfleckenaktivität.

Der Absturz des letzten Zyklus im Vergleich zu den übernormal aktiven Zyklen 17-23 (1933-2008) ist eindrucksvoll. Ob  im nächsten Monat rechts eine neue Säule für den SC25 einfügt werden muss? Wir werden sehen, auch der April 2020 wird wohl nur sehr geringe Sonnenaktivität bringen und eindeutige Zeichen (Flecken von SC25) für einen neuen Zyklus fehlen weiterhin.

Klimatriggerpunkte?

In der Klimawissenschaft haben sich schwammige Begriffe „Tipping Points“ oder auch „Kipppunkte“ eingebürgert, hier sei der Begriff „Trigger“ verwendet. Er stammt aus der Elektronik und beschreibt eine Anordnung, die bei Erreichen einer definierten Schwelle am Eingang in einen anderen binären Ausgangszustand fällt. Dabei ist eine Hysterese von Bedeutung, sie beschreibt die Eigenschaft der Anordnung, dass ein Zurückfallen in den Urzustand erst bei einer bedeutend geringeren Beaufschlagung des Einganges möglich ist.

Realisiert wird dies meist durch einen Operationsverstärker, dessen Ausgang definiert zum (nicht invertierenden)  Eingang geführt wird, man spricht von „Mitkopplung“. Der Operationsverstärker hat dabei die Eigenschaft, dass er im Idealfall eine unendliche Verstärkung hat. Das ist seit Jahrzehnten bekannte Technik, jeder Dämmerungsschalter an Tageslicht-gesteuerten Lampen funktioniert im Prinzip so oder jede Zweipunktregelung einer Heizung.

Und was hat das mit Klima zu tun? Es wird angenommen, dass unser Klimasystem unter bestimmten Bedingungen genauso verhält wie die recht simple Elektronik-Schaltung. Hier ist nicht das Tageslicht das steuernde Element am Eingang, sondern Klimagrößen wie Temperatur oder Feuchte. Was lassen sich mit dem Trigger für Szenarien aufbauen, die dem Leser der Aufsätze die Schauer über den Rücken treiben?

Wir hatten hier über das Papier Steffen et al (2018)  berichtet, was gar eine ganze Kaskade von sich gegenseitig auslösenden Klimatriggern beschrieb, die die Erde in eine nahezu unbewohnbare Kugel ( „Hothouse“) verwandeln könnte, menschverschuldet. Nun befassten sich Wang/Hausfather mit dem Thema.  Um es vorwegzunehmen: sehr lesenswert. Sie beschreiben die Wirkmechanismen der diskutierten  „Trigger“ und ordnen ein, wie wahrscheinlich es in überschaubaren Zeiträumen ist, dass so etwas eintritt. Zur „Kaskade“ haben sie einen Satz in der Zusammenfassung übrig: “over the next century remains unlikely“. „Es bleibt unwahrscheinlich“ ist eine nette Umschreibung von Science Fiction in der Wissenschaft.

Auch einzelne Trigger werden diskutiert. So wird ein Zusammenbruch („Kollaps“) der AMOC beschrieben. Die Meeresströmung  transportiert Wärme von der Südhalbkugel und den Tropen im Atlantik Richtung Norden. In ihrem nördlichen Teil ist sie thermohalin angetrieben: Das warme und salzreiche Oberflächenwasser kühlt nahe Grönland stark ab und ist nun mit seinem Salzgehalt der Tropen schwerer, es „fällt“ bis in große Tiefen und fließt als Tiefenwasser zurück nach Süden. Das funktioniert natürlich nur, wenn der Salzgehalt nicht dramatisch  abnimmt, z.B. durch Schmelzwasser Grönlands. Soweit der simple Ansatz. Wie genau geht das, welcher Triggerpunkt stellt sich ein, wo genau findet die „Versüßung“ statt: das wären die Fragen zur Definition des Triggers. Und sie sind offen!

Die Frage nach dem „Wo“ konnte erst 2019 teilweise beantwortet werden: Bis dahin ging man davon aus, dass der Austausch vornehmlich südwestlich von Grönland (Labradorsee) geschieht, ein neues Beobachtungsprogramm brachte die Überraschung: es passiert das allermeiste östlich der arktischen Insel. Die Frage nach dem Triggerpunkt ist ebenso unbeantwortet. Klimamodelle sehen ihn überhaupt nicht voraus, ein „AMOC-Trigger“ kommt da nicht vor bis 2100, nur ein langsames Nachlassen.

Es ist wie mit so Vielem: Es könnte Trigger geben im Klimasystem (u.a. noch Grönlandeis, Antarktiseis, Amazonaswald) bei  starkem anthropogenem Antrieb. Die Auslösung hätte potentiell große Auswirkungen, die Wahrscheinlichkeit ist jedoch bis 2100 recht gering. Es ist viel zu wenig bekannt, sie sind „unknown area“.

Umso mehr wundert man sich gelegentlich, mit welcher Sicherheit von solchen Ereignissen die Rede ist. Seit dem Jahr 2004 geistert der Begriff „Tipping Point“ in der Klimawissenschaft herum, eingeführt übrigens von Hans-Joachim Schellnhuber persönlich, nicht etwa in einer Studie sondern gegenüber einem Journalisten der BBC in seiner Rolle als „Klimakommunikator“ .

Was wir an echtem Wissenszuwachs seitdem haben, geht praktisch gegen null, trotz allen Einsatzes.  In 2020, 15 Jahre später, werden sie noch als die großen „Unknowns“ beschrieben. Wir kennen kein einziges Design dieser ominösen Trigger. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden hier über einen Virus reden, wüssten jedoch kaum etwas über ihn und verblieben aus Angst die jahrelang in einer Art „Lockdown“, weil: Sicher ist sicher. Unvorstellbar? Ja!   

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