Die Sonne im Juli 2016 und die Sache mit der AMO

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Unsere einzig relevante Energiequelle im Zentrum des Sonnensystems war im Juli auch für die Verhältnisse des Solaren Zyklus (SC) 24 unterdurchschnittlich aktiv. Weist der Gesamtzyklus eine Aktivität von ca. 56% des Normalen auf, so stellt die gemessene SSN von 32,5 des 92. Monats nach seinem Beginn nur 42% des mittleren Wertes aller SC in diesem Monat dar. Gegenüber dem Vormonat (es waren nur 27%) aber ein kleiner Uptick:

Abb. 1: Der Verlauf des SC 24 bis Juli 2016 (rot)  im Vergleich zu einem Durchschnittszyklus, ermittelt aus den monatlichen Werten der bisherigen SC 1…SC23, (blau) und dem zwischenzeitlich recht ähnlichen SC5 (schwarz).

 

Der kleine Aufwärts-Haken kommt vor allem dadurch zustande, dass im Juli nicht 9 völlig sonnenfleckenfreie Tage wie im Juni auftraten sondern „nur“ derer 5. Erleben wir nach dem „rekordlahmen“ Beginn des Zyklus über die ersten zwei Jahre auch ein solches Ende? Im Vergleich der Zyklen untereinander hat sich nicht sehr viel geändert zum Vormonat:

Abb. 2: Der Vergleich der Zyklen untereinander durch Aufsummieren der monatlichen Differenzen zwischen den festgestellten Werten und dem Durchschnittszyklus ( blau in Abb.1)

 

Die rote Säule rechts gewinnt seit einigen Monaten noch mehr Rasanz in ihrer Abwärtsbewegung. Im letzten Monat kamen wieder rund 46 „Miese“ dazu. Wo wird es enden? Noch bleiben ca. 36 Monate im Zyklus, und sehr wahrscheinlich geht es immer mehr in den Keller mit ihr. In unserem nächsten Report werfen wir wieder einen Blick auf die aktuellen polaren Felder, denn sie sind der erste Prädiktor für das, was uns im nächsten Zyklus erwarten könnte.

 

Die Sache mit der AMO

Die Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO) ist eigentlich kein großes Geheimnis. Sie wurde erstmals in der Literatur im Februar 1997 beschrieben als eine Oszillation der globalen Temperaturen, herrührend von einer internen Variabilität des nördlichen Atlantiks. Sie ist mit großer Sicherheit ein natürliches Phänomen, paläoklimatische Untersuchungen weisen sie lange nach in der Vergangenheit, bevor der Mensch das Klima beeinflussen konnte. Ursprünglich wird sie definiert als eine Reihe der trendbefreiten Meeresoberflächentemperaturen (SST) des nördlichen Atlantiks bis hinauf zu 70° Nord. Ihre Periode beträgt ca. 60…80 Jahre.

Diese Trendbefreiung ist nicht physikalisch, es ist eine reine arithmetische Operation die alle anderen Faktoren als linear annimmt um die AMO besser sichtbar zu machen. Daher hat eine solche Messreihe wenig mit der komplexen Wirkung der vielen anderen Faktoren des Klimas gemein. Es gibt daher neuere Arbeiten zu ihrer Definition, wir wollen hier die AMO-Reihe nach v. Oldenburgh et al.  verwenden. Sie wird gewonnen aus der Differenz zwischen den  SST des extratropischen Teils des Nordatlantiks  und den globalen Temperaturen.

Abb. 3: Die AMO seit 1950 mit jährlichen Mittelwerten ermittelt und eine 20- jährige Glättung  (Tiefpass: Loess).

 

Die AMO beeinflusst  u.a.  das Hurrican-Geschehen und die Temperaturen in der warmen Jahreszeit auch hierzulande. Ja, Sie haben richtig gelesen: Wie warm unsere Sommer sind, wird recht weitgehend auch von der Oszillation bestimmt. Ein Blick auf die Landtemperaturen Westeuropas zeigt dies recht plastisch:

Abb. 4.: Die Landtemperaturen (CRUTEM 4) in Westeuropa mit einer 20- jährigen Glättung (Loess).

 

Deutlich ist ein Peak um 1950 zu erkennen, danach fallen die Temperaturen bis zu einer Delle um 1970 und steigen wie die AMO nach 1990 wieder an mit einem Maximum um 2005. Danach wurden die Sommer wieder kühler, dem Verlauf der AMO (Abb. 3) entsprechend. Dass unser gegenwärtiger Sommer also nicht so warm ist wie die zu Beginn des Jahrtausends, kann Sie als AMO-Auskenner nun nicht mehr überraschen!

Es erhebt sich die Frage: Wie entstehen die Perioden von 60…80 Jahren der AMO? Die Atmosphäre hat kein so ausgeprägtes Langzeitgedächtnis, es kommen vor allen Dingen Ozeanströmungen infrage. Viele Studien beschäftigten sich mit der physikalischen Erklärung der AMO. So hat ein Team um John Robson von der Universität in Reading, England, die Gründe untersucht für das rapide Ansteigen der AMO in den 90er Jahren. Ihr Ergebnis: eine Mischung aus atmosphärischen Einflüssen und Tiefenströmungen. Aus ihrer Zusammenfassung:

“We present persuasive evidence that the AMOC has played a central role in the recent decadal variability of the North Atlantic, including its ability to bring about a “rapid change” event.”

Die AMOC (die Atlantic Meridional Overturning Circulation, wir hatten darüber schon oft berichtet, z.B. hier) spielt die herausragende Rolle in der Periodizität, sie spiegelt die (schwankende) Stärke nahezu des gesamten globalen ozeanischen Wärmetransportes von Süd nach Nord wieder. Bestätigt wird das auch aktuell durch eine Studie von Thomas Delworth und Kollegen, wir berichteten unlängst darüber: Ohne Mitwirkung der AMOC im tiefen Ozean kann die AMO (oder die atlantische multidekadische Variabilität, AMV) an der Oberfläche nicht erklärt werden.  Dies hat auch große Auswirkungen auf die globalen Temperaturen. Schauen Sie sich bitte unseren Beitrag vom 14.Oktober 2015 nochmals an. Wir hatten da in Abbildung 3 die Originaldaten des Antriebes („Forcings“) nach dem 5. Sachstandsbericht des IPCC (AR5) mit den globalen Temperaturen 1950…2014 verglichen:

Abb. 5: Die Regression der globalen Temperaturen an den Forcingdaten des IPCC AR5

 

Aus den Beobachtungen folgt übrigens eine Empfindlichkeit gegenüber CO2- Verdopplung beim Temperaturanstieg (Transient Climate Response, TCR) von ca. 1,3°C pro CO2-Verdopplung. Mit einer anderen Temperaturreihe und überarbeiteten Forcingdaten ergibt sich 1,2…1,4 °C, in keinem Falle 2,0 °C wie der Mittelwert der CMIP5-Modelle darstellt. Interessant ist hier besonders ein Blick auf die Differenzen zwischen den durch das Forcing zu erklärenden Änderungen (ca. 78%) und den Beobachtungen:

Abb.:6: Die jährlichen Residuen zwischen Forcing und Beobachtungen mit einer 20 jährigen Glättung (Loess)

 

Fällt Ihnen auch die große Ähnlichkeit mit der AMO aus Abb.3 auf? Das Bild scheint klar zu sein: Die natürliche AMO erzeugt niedrigfrequente Oszillationen mit einer Amplitude von ca. 0,2 °C global und zusätzlich wirken Antriebe (z.B. CO2 und andere Treibhausgase) die eine Erwärmung von ca. 1,3 °C pro Verdopplung des CO2- Anteils in der Atmosphäre bewirken. So stellen sich die Beobachtungen dar, betrachtet man die Zeitraum seit ca. 1880. Die Klimamodelle zeigen andere Ergebnisse. Per se kann das nicht verwundern, die Beobachtungen haben Unschärfen und wir haben für das Weltklima kaum ausreichend lange homogene Zeitreihen. Damit können Modelle punkten. Wie gehen sie mit der AMO um?  Sie „kennen“ sie schlicht kaum. Das liegt daran, dass die bisherigen CMIP5-Modelle hier offenbar ohne jede Mitwirkung des tieferen Ozeans im Atlantik arbeiten. Eine viel diskutierte Arbeit unter Federführung von Amy Clement weist nach, dass in der Modellwelt die AMOC im tiefen Atlantik keine Rolle spielt. Sie betont die Probleme dabei: Die Variabilität der AMO wird im Modell viel zu gering gerechnet, ob mit oder ohne tiefen Ozean:

„It could be argued that the preindustrial simulations underestimate the magnitude of observed multidecadal variability. The inclusion of historical climate forcings does enhance multidecadal variability, bringing it into better agreement with observations, although it has been shown that several models overestimate the impact of atmospheric aerosols. On the other hand, a possible source of persistence that is missing in climate models is cloud feedbacks, particularly in the tropical Atlantic. “

Wir hatten darüber ebenfalls berichtet. Das Problem mit der AMO in Modellen versucht eine neuere Arbeit unter Leitung von Annika Drews vom Helmholzzentrum in Kiel zu lösen. Es wird ein verbessertes Modell benutzt, das auch die verschobene geographische Verteilung der Variabilität der nordatlantischen SST in der bisherigen Modellwelt behebt. Das Ergebnis, wiederum mit Berücksichtigung des tiefen Ozeans, sieht schon deutlich realitätsnäher aus:

Abb. 7: Die AMO (AMV) in den Beobachtungen (a), in einem Kotrolllauf des nicht verbesserten Modells (b) und mit dem verbessertem Modell (c) über den Modelljahren, Quelle: Bild 1 der zitierten Arbeit Drews et al. (2016).

 

Auffällig am Ergebnis: viel mehr niedrigfrequente Anteile im Spektrum und höhere Amplitude in der Variabilität, nicht ganz so unähnlich zu dem was beobachtet wird. Hinzu kommt wohl ein Effekt durch Wolken, der die Beeinflussung auch zu tropischen Regionen hin verstärkt. Eine Einwirkung auch der Sonnenaktivität auf diese Vorgänge wird in der Wissenschaft diskutiert .

Am Schluss nun die Frage, was die „Causa  AMO“  denn so brisant macht. Hierzu muss man wissen, dass Modelle ein „Tuning“ erfahren. Verschiedene Parameter werden eingestellt, dies ist weniger Physik denn „Kunst“, wie eine sehr lesenswerte aktuelle  Arbeit eines Teams von Modellprofis darlegt. Darin wird betont, dass eine Einstellung der Modelle am Trend des 20. Jahrhunderts sehr oft notwendig ist. Genauer wird eine etwas ältere Studie von  Thomas Mauritsen vom Hamburger  Max-Plack- Institut für Meteorologie und seinen Kollegen: Sehr häufig wird der Zeitraum 1976…2005 für das Tuning benutzt:

„A longer simulation with altered parameter settings obtained in step 1 and observed SST’s, currently 1976–2005 from the Atmospheric Model Intercomparison Project (AMIP), is compared with the observed climate.”

Vernachlässigt man dabei die starke Wirkung der AMO als interne Variabilität besonders zwischen 1990 und 2000 (siehe Abb.3)  muss das Tuning fehlschlagen. Mit anderen Worten: Viele Klimamodelle und -prognosen sind anhand der Daten in der Zeit von 1976…2005 getunt worden und damit letztendlich der natürliche periodisch wiederkehrende AMO-Anstieg in diesen Jahren der  CO2-Wirkung  zugeschlagen worden.  Die Klimasensitivität, der Einfluss des CO2 auf die Temperaturentwicklung, ist dadurch 30-50 % zu hoch angesetzt. Die zu erwartenden Temperaturänderungen herrührend von Kohlendioxid sind um diesen Anteil geringer.

Daher fürchten einige Verfechter einer besonders hohen Klimawirkung von CO2 die AMO wie der Teufel das Weihwasser und sie wird zu einem Brennpunkt der Auseinandersetzung in der Klimadebatte so wie andere natürliche Faktoren wie die Sonnenaktivität, deren Wirkung auf das Klima modelltechnisch noch auf die Gesamtstrahlung (TSI) reduziert wird. Die AMO ist ein natürlicher Bestandteil des Klimageschehens und wurde vereinnahmt für besonders dramatische Projektionen. Sie erzeugt jedoch seit langen Zeiten periodisch ein auf und ab der Temperaturen. Bei „ab“ in negative AMO- Regionen bekommen die getunten Modelle dann so richtige Schwierigkeiten. Und das wird kommen: Delworth et al. rechnen damit etwa 2020.

 

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