Die Sonne im Dezember 2016 und eine Vorschau

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Unsere einzig nennenswerte Energiequelle war auch im Dezember ausgesprochen ruhig. Die vermeldete SSN (SunSpotNumber) für den letzten Monat betrug 19,5.  An 6 Tagen konnte man eine völlig fleckenfreie Sonne bewundern, für den laufenden Monat Januar sind es bis dato ( 14.1.) bereits 10. Diese auch für den fortgeschrittenen absteigenden Ast der Aktivitätskurve des Solaren Zyklus (SC) sehr maue Aktivität schlägt sich auch darin nieder, dass dies nur 35% des Üblichen für den Zyklusmonat ist.

Abb.1: Die Aktivität des laufenden Zyklus 24 (rot) im Vergleich zu einem mittleren Zyklus (blau) und dem zeitweise recht ähnlichen Zyklus 5 (schwarz), der von 1798 bis 1810 dauerte.

 

Der Vergleich der Zyklen untereinander bis zum aktuellen 97. Monat seit Beginn des SC24 im Dezember 2008 zeigt mit jedem Monat deutlicher, wie stark er unterhalb der üblichen Aktivität liegt. Er ist der drittschwächste seit Beginn der systematischen Beobachtungen im Jahre 1755.

Abb.2: Der Vergleich der Zyklen untereinander. Die Zahlen entstehen durch das Aufsummieren der monatlichen Anomalien, dies sind die Differenzen zwischen den jeweils ermittelten SSN-Zahlen und dem Mittelwert, blau in Abb.1.

 

In keinem Jahr seit Beginn des Zyklus erreichte die Aktivität ein Normalniveau:

Abb.3: Die relative Sonnenfleckenaktivität der Kalenderjahre des Zyklus 24

 

Im Mittel schaffte unsere Sonne im SC24 bisher nur eine Aktivität von 56% der durchschnittlichen Aktivität seit 1755. Für die Einschätzung dessen was uns im kommenden Zyklus 25 (etwa ab 2020) erwarten könnte ist die Entwicklung der polaren Felder der Sonne von großem Interesse.  Das letzte Mal hatten wir im November 2016 einen Blick darauf geworfen  und erklärt, was es damit auf sich hat. Die Daten sind nun aktualisiert bis Mitte Dezember und wir schauen zunächst auf den arithmetischen Mittelwert der Felder beider Pole:

Abb.4: Die Entwicklung der polaren solaren Felder seit 1977. Die Ähnlichkeit des Auf und Ab zum Sonnenfleckenzyklus (vgl.  Abb.1 in blau) ist offenkundig.

 

Es scheint so, dass sowohl bei den polaren Feldern als auch bei den Sonnenflecken ein zügiger Aufbau bis etwa 3 Jahre nach dem Nulldurchgang erfolgt, ein Maximum erreicht wird und danach ein Abbau über den Rest der Zeit von etwa  11 Jahren bis zum nächsten Nulldurchgang von statten geht. Die 36 Monate seit dem Nulldurchgang sind nun fast vergangen, im aktuellen Zyklus war dieser Nulldurchgang  (er entspricht zeitlich dem  Sonnenfleckenmaximum) im März 2013. Die Höhe des Maximums der Felder bestimmt recht gut, wie stark der nächste Sonnenfleckenzyklus sein wird. Aus Abb.4 folgt: er wird etwa so stark sein wie der gegenwärtige, vielleicht ein wenig schwächer aber nicht wesentlich unterschiedlich. Auf keinen Fall sollte er „Normalstärke“ erreichen wie der Zyklus 20 oder 23. Die gegenwärtige schwache Aktivität ist also kein „einmaliger Ausrutscher“ , auch SC25 ( etwa bis 2031 dauernd) sollte ausgeprägt inaktiv werden und damit unterscheidet sich die Periode nach  2005 wesentlich von der aktivitätsstarken der Zyklen 18…23.

Eine andere Beobachtung im Zusammenhang mit den polaren Feldern ist interessant: Die Feldstärken der beiden Pole sind zwar nicht völlig unabhängig voneinander, es können jedoch zeitweise Asymmetrien bestehen. Wir vergleichen daher die Entwicklung der letzten beiden Zyklen seit dem jeweiligen  Nulldurchgang:

Abb.5: Der Verlauf der beiden polaren Felder im Vergleich. Die geglätteten Felder des Nordpols (blau) und des Südpols (rot) sind als Beträge dargestellt, ebenso wie der Mittelwert (schwarz).

 

Um den Nulldurchgang herum (bis etwa ½ Jahr danach) sind Wechsel in der Stärke der noch gering ausgeprägten Felder durchaus normal. Im SC23 hat sich später alles um den Mittelwert herum eingeschwungen, im aktuellen Zyklus sahen wir noch keinen Wechsel in der Stärke: der Südpol hatte die gesamte Zeit über das deutlich stärkere polare Feld. Dies war noch in keiner seit 1977 beobachteten Phase des Aufbaus der polaren Felder der Fall: mindestens einen „Führungswechsel“ gab es seitdem immer. Die Felder scheinen nun viel mehr entkoppelt zu sein als bisher beobachtet. Seit 2013 ist das Feld des Südpols unserer Sonne zunächst stark angewachsen um sich über das Jahr 2016 hin abzuschwächen und sich nunmehr der deutlich schwächeren Nordpolfeldstärke anzunähern. Was bedeutet diese ungewöhnliche Entkopplung?  Ist das ein weiteres Vorzeichen für den SC25? Wir wissen es noch nicht, denn solch genaue Beobachtungen sind erst seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts möglich.

Bislang konnten wir die Rückschau über die Entwicklung der polaren Felder nur bis 1976, dem Beginn des Satellitenzeitalters betrachten. Das Ergebnis einer neue Arbeit  gibt uns die Möglichkeit, 100 Jahre zurückzuschauen. Dazu ermittelte das Autorenteam um Kalevi Mursula von der Universität in Oulu in Finnland die Stärke Koronaler Löcher, um daraus Hinweise auf die polaren Felder seit 1910 zu gewinnen. Koronale Löcher  sind ebenso wie Eruptionen aus Sonnenflecken („Flares“)  Quellen von Plasmaaustritten aus der Sonne, die den  Sonnenwind verstärken, der seinerseits das Magnetfeld der Erde beeinflusst. Ein schönes Exemplar dieser Spezies fotografierte ein Raumfahrzeug  im entsprechenden Spektralbereich:

Abb.6: Ein riesiges zentrales Koronales Loch ( dunkler) auf der Sonne, Quelle: NASA

 

Polarlichter in hohen Breiten sind die Folge von entsprechend positionierten Flares und Koronalen Löchern auf der Sonne. Beide kommen im abflauenden Teil des Sonnenfleckenzyklus gehäuft vor. Es gibt schon recht lang zurückreichende Archive und es  gelang den Autoren  damit Rückschlüsse auf die Stärke der polaren koronalen Löcher zu ziehen. Das Ergebnis: sie waren am meisten ausgeprägt im abschwingenden Ast des SC 18, der SC19 mit dem Höhepunkt im Jahre 1957 war folgerichtig  danach der aktivste Zyklus der systematisch beobachteten Sonnengeschichte.

Völlig anders das  Bild im abschwingenden Teil des SC23 ab etwa 2002: hier waren die zentralen Koronalen Löcher (vgl. Abb.6) am stärksten, die polaren koronalen Löcher und damit auch die Felder gering ausgeprägt wie die direkten Messungen bestätigen (vgl. Abb.4). Die Autoren folgern: beide Ereignisse markieren im Beobachtungszeitraum seit 1910 jeweils Rekorde und stehen am Beginn und Ende des Langzeitmaximums der Sonnenaktivität (vgl. Abb.2)  in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.  Die Sonne schaltete in den 50er Jahren hinsichtlich der polaren Felder einen Gang hoch und nach der Jahrtausendwende wieder einen zurück, dies ist durch diese Arbeit wiederum bestätigt worden.

Und die Sonne beeinflusst die Erde auch durch ihre Nicht-Aktivität: Der nachlassende Sonnenwind bringt es mit sich, dass wir mehr von galaktischen kosmischen Strahlen getroffen werden. Ist er stärker hält er diese Strahlung wirkungsvoll fern. In der Hochatmosphäre kommt es zu Reaktionen die am Ende Gamma- und Röngenstrahlung erzeugen, von der wir mehr abbekommen als bei aktiverer Sonne. Über die mögliche Wirkung der galaktischen Strahlung auf Wolken berichteten wir unlängst.Ein umfangreiches Messprogramm ist daher gestartet worden: Welche Dosis von Strahlung bekommt der Mensch wo ab wenn er in unterschiedliche Höhen vordringt und wie verändert sich dies durch geringeren  Sonnenwind? Ein erstes Resultat:

Abb. 7: Die Strahlung in der Stratosphäre im Verlaufe einer Phase nachlassender Sonnenaktivität, Quelle.

 

Der recht solide Trend von 11% Wachstum der Strahlung ist Ausdruck des schwindenden Sonnenwindes. Ein Aufsteigen in die Stratosphäre ist mit einer Strahlungsdosis von etwa dem 80 fachen der auf Meeresspiegelhöhe verbunden, ein Flug in ca. 12.000 m Höhe beaufschlagt den Organismus mit der 50- fachen Dosis. Eine solche Erhöhung würde auf der Erde diverse Notfallprogramme aktivieren, die Auswirkung auf den Körper ist aber natürlich zeitabhängig.  Ein 10-Stunden-Interkontinentalflug hinterlässt so viel Wirkung wie etwa 20 Tage auf dem Erdboden bei normaler Beaufschlagung. Im Laufe des Lebens werden Sie also als Nicht-Super-Oft-Flieger auf Dauer viel mehr von der geringen Strahlung am Boden beeinflusst als von der hoch droben. Keine übertriebene Angst vorm Fliegen also deshalb. Wie weit die allgegenwärtige Röntgen-und Gammastrahlungsbelastung noch ansteigen wird hin zum Minimum der Sonnenaktivität? Wir halten Sie auch hier auf dem Laufenden!

 

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