Die Sonne im April 2020 und die Frage nach dem Ende des aktuellen Zyklus

Von Frank Bosse

Unser Stern war ruhig, wie nicht anders zu erwarten im Minimum zwischen den Zyklen 24 und dem folgenden Nummer 25. Die festgestellte SSN (für SunSpotNumber) betrug 5,4, damit immerhin etwas aktiver als der Vormonat mit SSN=1,5. An insgesamt 9 der 30 Tage gab es (sehr winzige) Flecken, die übrige Zeit zierte die Aufschrift „Spotless“ die veröffentlichten Bilder der Sonne. Die aufsummierten Tage ohne einen Sonnenfleck:

Abb.1: Die Summe aktuellen der fleckenlosen Tage (grün) im Vergleich zu recht schwachen Zyklen ( blau) und zu stärkeren Zyklen (rot). Der Graph bewegt sich momentan außerhalb der Standardabweichung (hellblau gepunktet) auch der wenig aktiven Perioden. Quelle.

Es ist also schon etwas Ungewöhnliches an der Tiefe des gegenwärtigen Minimums. Der Solare Zyklus (SC für Solar Cycle) im Überblick:

Abb.2: Der SC24 (rot) im Vergleich zu einem mittleren Zyklus (blau) als Mittelwert der Monate der bisher systematisch beobachteten Zyklen und zum über weite Zeiträume recht ähnlichen SC5 (schwarz)

Die absteigende Phase des Zyklus  (etwa ab Zyklusmonat 70, das war September 2014) ist schon recht außergewöhnlich gering aktiv, das wird deutlich bei dem Vergleich der Zyklen untereinander:

Abb.3: Die Fleckenaktivität der Zyklen im Vergleich untereinander. Die Zahlen entstehen durch die monatliche Aufsummierung der Differenzen zwischen den jeweils beobachteten SSN-Zahlen und dem Mittelwert (blau in Abb.2).

Der SC5 war insgesamt deutlich weniger aktiv als der aktuelle und trotzdem wurde mehr Aktivität im abfallenden Teil des Zyklus beobachtet. Nach „hinten raus“ sehen wir schon bemerkenswert  geringe Aktivität des SC24. Erhebt sich die Frage: Wann geht es los mit der Aktivität des Folgezyklus? In Abb.1 sieht man am mittleren Zyklus (blau), dass es schon wenige Monate nach seinem Start eine deutliche Aktivitätssteigerung gibt, nach nur 3 Jahren ist ein sehr hohes Niveau erreicht und nach einer Plateauphase beginnt der abfallende Teil, der dann um die 6-7 Jahre dauert. Die Frage nach dem Ende des Zyklus ist also implizit die Frage: Wann gibt es wieder mehr Aktivität auf der Sonne?

Wir hatten hier vor über einem Jahr gemutmaßt: August 2020 mit einer Streuung, die schon den März einschloss. Wann genau ist der Zyklus zu Ende? Das ist schwierig „Echtzeit“ zu sagen, man wartet bis die geglättete Kurve deutlich ansteigt und legt im Nachhinein das Ende/den Start des alten/neuen Zyklus fest.

Eine aktuelle Arbeit sieht ein Event , der einen „plötzlichen Tod“ jedes Zyklus postuliert: Ein „Terminationsereignis“ ist ein solarer „Tsunami“, eine Welle im Plasma über der Oberfläche der Sonne, der innerhalb nur einer Umdrehungsperiode der Sonne am Äquator (27 Tage) den laufenden Zyklus beendet. Wer sich für Details interessiert, dem sei diese Pressemitteilung empfohlen. Die Autoren folgern aus ihren Beobachtungen:

„The cyclic and somewhat predictable behavior of the magnetic-activity bands (McIntosh and Leamon, 2017) points to a terminator occurring in late 2019 or early 2020 when the activity bands of Solar Cycle 24 reach the Equator and eventually terminate. This event should permit the growth of activity in what will become Solar Cycle 25 …”

In einer etwas neueren Arbeit werden sie genauer: Sie legen den Beginn des SC25 auf Mai 2020 mit einer Unsicherheit März…August. Wenn es so eintrifft, dann sind wir schon oder sehr bald im SC25!  Das kann durchaus so sein, denn das ganz langsame Wachstum zu Beginn (etwa 6-8 Monate) des neuen Zyklus unterscheidet sich von der auslaufenden Aktivität des alten nicht wirklich, vgl. Abb.1. Auf die Bestätigung oder die Zurückweisung der Hypothese müssen wir wohl noch einige Monate warten. Nicht so lange…das hat diese falsifizierbare Hypothese manch anderer voraus.

Überhaupt sind die Zyklizität und die Amplitude der Aktivitätsänderung nicht nur unserer Sonne sondern aller sonnenähnlichen Sterne ein Gegenstand der aktiven Forschung. Wir wissen darüber nicht so viel bisher. Eine sehr frische Arbeit veröffentlicht jetzt vergleichende Beobachtungen.

Abb.4:  Der Radiofluss der Sonne im Vergleich zu einem anderen sonnenähnlichen Stern. Die solare Variation ist nur ein Bruchteil dessen, was bei diesem Stern auftritt. Quelle: Fig. 2 aus Reinhold et al (2020)

Auch im Maximum nach 2013 erreicht die Sonne nicht entfernt die Aktivität des Vergleichssterns. Die Autoren um Timo Reinhold vom MPI für Sonnensystemforschung in Göttingen bieten zwei Erklärungen dafür an:

1. Die Sonne ist anders als andere ihr ähnliche Sterne. Das wäre beruhigend

2. Die Sonne und ihr ähnliche Sterne durchlaufen Phasen mit niedriger und viel höherer Aktivität. Die Sonne ist nur gegenwärtig so ruhig.

Die Autoren lassen beides zu.  Die zweite Möglichkeit ist eher wenig beruhigend, denn die Sonne könnte (auch recht schnell) das Regime wechseln und viel, viel aktiver werden. Das wäre allerdings keine gute Nachricht, denn es wäre für unsere Zivilisation schon ein riesen Problem, auf einmal mit viel mehr „Weltraumwetter“ und solaren Ausbrüchen klar kommen zu müssen. Die Vorzüge eines vergleichsweise „ruhigen“ Sterns machte wohl die Evolution bis heute möglich. Hoffen wir also auf Hypothese 1 der Arbeit. Das war das kleine Sonnenupdate für den April. Hoffentlich wurden sie gut unterhalten.

Teilen: