Die (müde) Sonne im September 2013 und spektrale Fortschritte

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Die Sonnenaktivität stellte sich weit unterdurchschnittlich dar, die Sonnenfleckenzahl (Sunspot Number, SSN) war 36,9. Sie erreichte nur 36% dessen, was im jetzigen ausgewerteten Zyklusmonat 58 üblich ist als Mittelwert aller bisherigen Zyklen 1-23 . Es bleibt dabei: die Sonne befindet sich in einem außergewöhnlich schwachen 24. Zyklus, der sich schon durch einen 1-2 jährigen verspäteten Start im November 2008 auszeichnete. In der Grafik ist wie immer der Mittelwert (blau) und der aktuelle Zyklusverlauf (rot) sowie der recht ähnliche Sonnenfleckenzyklus SC5 des Dalton Minimums Anfang des 19. Jahrhunderts als Vergleich aufgetragen:

 

In verschiedenen Veröffentlichungen wurde vermutet, dass der Zyklus einen „Doppelhöcker“ aufweisen könnte. Dem Maximum der Sonnen-Nordhemisphäre (NH) könnte schon im November 2013 ein weiterer Peak folgen, wenn die Südhemisphäre (SH) ihr Maximum erlebt. Das könnte nun schon Geschichte sein.Viel spricht dafür, dass der  zweite Ausschlag  sehr wahrscheinlich schon im April/Mai 2013 stattfand. Es könnte gut sein, dass das „Maximum“ des SC24 vorbei ist und die Aktivität nun tendenziell noch weiter abnehmen wird. Dafür spricht auch stark, dass sich die polaren Magnetfelder der Sonne abschließend umgepolt haben.  Einzelne Ausreisser bleiben natürlich möglich. Der Vergleich zwischen den genauer dokumentierten Zyklen 1-24 stellt sich so dar:

 

Von Zyklus 1 (1755-1766) bis heute wurde die Differenz zwischen dem Mittelwert und den beobachteten monatlichen Sonnenfleckenzahlen aufsummiert.Bis zum aktuellen Sonnenzyklus 24  stellt sich das Bild so dar, dass wir keinen schwächeren Zyklus seit 1828 (SC7) verzeichnen. Dabei wurde die Korrektur durch die „Waldmeier-Diskontinuität“ um 1945 berücksichtigt.

Die Sonne ist seit ca. 2006 so wenig aktiv wie seit dem Ende des  Dalton-Minimums vor 190 Jahren nicht mehr.

Viele Menschen machen sich naturgemäß  bereits lange Gedanken, was das für die Erde bedeutet. Schließlich ist unsere Sonne fast die einzige Energiequelle für unseren Planeten. Sie liefert an der Oberkante der Atmosphäre die gigantische Menge von 1365W/qm. Dabei ist die Strahlung über den Bereich von Infrarot bis Gammastrahlung verteilt, das meiste empfangen wir  freilich um den sichtbaren Teil des Spektrums herum. Und genau dieser Teil ist von den Aktivitätsschwankungen der Sonne kaum betroffen: die Variation zwischen ganz ruhiger Sonne und maximaler Aktivität beträgt nur ca. 0,1%. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass wir da sind, um die Frage nach solaren Auswirkungen zu stellen: Bei mehr Variation hätte sich Leben in den ca. 4,5 Milliarden Jahren der Existenz unseres Planeten Erde sehr wahrscheinlich unmöglich entwickeln können.

Die über alle Frequenzen des Spektrums integrierte Sonnenleistung bezeichnet man als Gesamtstrahlung  (Total Solar Irradiance – TSI). In der Klimatologie wurde in der Vergangenheit sehr oft ausschließlich diese Größe betrachtet und man folgerte: Mehr als ca. 0,1K Temperaturvariation kann die Sonne kaum ausmachen, und sei sie noch so aktiv oder inaktiv. So argumentiert auch der neueste IPCC-Report 2013, der in dieser Woche veröffentlicht wurde. Als Strahlungsantrieb (also die Fähigkeit die Energiemenge, die von der Erdoberfläche absorbiert wird, zu verändern) wird 0,05 Watt pro Quadratmeter angegeben. Das ist weniger als 2 % der anthrogenen Strahlungswirkung ( 2,24 W/ m²).

Ein gewichtiges Argument  spricht gegen diese Ansicht des IPCC. In der vorindustriellen Zeit wurden Klimaschwankungen im Zusammenhang mit der Sonnenaktivität in viel größerem Umfang beobachtet. Wir berichten hier regelmäßig von Forschungsresultaten dazu. Trotzdem wurde an diesem Verdikt festgehalten mit dem Ergebnis, dass die Wirkung von Treibhausgasen als Treiber des Klimas über alles dominierte, seitdem der Mensch sie zusätzlich zu natürlich vorkommenden Treibhausgasen wie Wasserdampf und CO2 freisetzte.  Noch 2007 im vorletzten IPCC- Bericht ging man von 0,2 Grad Celsius Erwärmung pro Jahrzehnt aus, sollten die Emissionen in leichem Tempo ansteigen – was der Fall war. Gehen wir von klimatisch relevanten Perioden von 30 Jahren aus,  so sollte sich demnach bis 2030 die Erdmitteltemperatur im Vergleich zu 2000 um 0,6 Grad Celsius erhöhen. Im neuesten  Bericht 2013 wird übrigens ein Anstieg um 0,3 bis 0,7  für die Periode 2016 bis 2035 progostiziert.

Wo stehen wir heute, mehr als 13 Jahre nach dem Start? Die beobachtete Realität weicht seit 2006 deutlich von den Prophezeiungen ab. Das folgende Diagramm zeigt die monatlichen Beobachtungen nach GISS und deren Abstand von den postulierten 0,2 Grad Celsius Erwärmung/ Dekade sowie einen 60-monatigen Tiefpass.

 

Wo ist die Wärme hin? In die Tiefsee, wie eine der wohlfeilen Erklärungen lautet? Im Blog von Hans v. Storch  („Klimazwiebel“)  erschien unlängst eine aufschlussreiche Grafik, die Eduardo Zorita erstellte. Sie zeigt, dass vor allem die Wintertemperaturen der nördlichen eurasischen Landmassen zur Abweichung beitragen:

Abbildungsquelle:  Klimazwiebel

Die Temperaturen im Nordhalbkugel-Winter gehen nicht etwa über den Ozeanen besonders zurück, sondern über Land zwischen 30 und 60 Grad Nord! Auch die Wärmemenge in den Tiefen der Meere bis 700m in der Region der außertropischen Nordhalbkugel will sich partout nicht an die Klimamodelle halten, sie zeigt vielmehr um 2007 einen Höhepunkt und seitdem geht’s mehr oder weniger bergab:

 

 

Abbildungsquelle: „Climate explorer“

 

Auf der extratropischen Südhalbkugel ist so etwas nicht zu sehen, dort steigt die Wärmemenge in den Ozeanen weiter leicht an. Wie passt das zur Theorie des Treibhausgasantriebes? Oder gar des Entkommens der Wärme in die Tiefe der Meere unterhalb 700m? Könnte die Sonne eine große Rolle spielen? Eine aktuelle sehr lesenswerte Arbeit von Ermolli et al. (2013) beschäftigt sich mit dem Einfluss der spektralen Variation der Sonnenstrahlung (SSI) , besonders des ultravioletten Anteils. Der schwankt nämlich bedeutend stärker: um bis zu 10% zwischen ruhiger und aktiver Sonne. Und er erzeugt bei geringer Sonnenaktivität genau das Muster in den Wintermonaten, das wir seit 2006 sehen: Die nordatlantische Oszillation (NAO), die besonders in den Wintermonaten die Temperaturen im eurasischen Raum beeinflusst, wird durch die UV-Variation der Sonnenstrahlung stark mit gesteuert und bewirkt: Bei geringer Sonnenaktivität wird es dort kälter. Und genau das beobachten wir und der Großteil der Abweichung von den reinen GHG-Modellen stammt genau daher. Sollte dies nicht ein Weckruf für die Klimawissenschaften sein, von der mehr oder weniger oberflächlichen TSI-Betrachtung zur genaueren Untersuchung der SSI  zu schreiten? Das hätte man schon lange tun sollen, nur hätte das impliziert: Treibhausgase sind nicht alles.

Im  neuen IPCC- Bericht ist die Chance verpasst worden, mit Szenarien zu rechnen, die einen größeren Sonneneinfluß beinhalten. Der Einfluß der Sonne wird auf TSI beschränkt und wird auf nahe Null bei -0,1 bis +0,1 ° C.geschätzt. Doch je länger Klimamodelle und Realität auseinanderklaffen und die prognostizierte Erwärmung ausbleibt, umso mehr wird sich die Welt der Wissenschaft letztendlich den Fragen der natürlichen Variabilität, insbesondere der UV-Strahlung widmen. Die unterschätzte Sonne im Klimageschehen: Bleiben Sie schön neugierig!

 

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