Die “Letzte Generation” zu Gast bei Markus Lanz

Die Sendung vom 09.11.2022 hatte einen besonderen Gast. Eine Vertreterin der ”Letzten Generation“, Carla Rochel, war zugegen. Die anderen Gäste waren der Grüne Jürgen Trittin und die Journalistin Eva Quadbeck. In den Sozialen Netzwerken wurde Markus Lanz stark kritisiert für seinen Auftritt. Aber, der Reihe nach.

Markus Lanz versuchte zunächst etwas über die Beweggründe der jungen Aktivistin zu erfahren. Sie führte unter anderem die Südseeinsel Palau an, dort seien schon Milliarden wegen der Klimakatastrophe gestorben. Sie hat das wirklich so gesagt. Der Gastgeber korrigierte Carla Rochel und diese stimmte dann auch zu, dass Milliarden auf der ganzen Welt gefährdet seien, aber nicht bereits tot. Bei 8 Milliarden Menschen auf der Welt wäre die Zahl auch in der Tat dramatisch.

Konkret wollte Markus Lanz wissen, was denn nach Meinung der Aktivisten passieren müsste. Er bekam zwei Forderungen als Antwort: Das 9-Euro-Ticket und Tempo 100 auf Autobahnen. Etwas ungläubig fragte er mehrfach nach, ob denn damit die beschworenen Klimakatastrophe abgewendet werden kann. Es wäre immerhin ein Anfang, meinte Carla Rochel. Die Journalistin Eva Quabeck warf ein, dass der Effekt des Verkehrs bzw. eines Tempolimits auf Einsparung minimal sei. Vielleicht geht es den Aktivisten auch erst einmal darum, die Stöckchen, über die eine Regierung springen soll, möglichst tief zu hängen, bevor man dann ggf. weitere Forderungen stellt.

(Abbildung: Screenshot ZDF-Mediathek)

Immer wieder holte Carla Rochel ”die Wissenschaft” in den Zeugenstand. Ob nun das versinkende Palau oder auch, dass 2/3 der Ernten im Jahre 2050 weltweit vernichtet werden. Die Wissenschaft als homogene Masse, das ist die Argumentationslinie. Dabei ist Wissenschaft deutlich differenzierter, vielleicht weiß sie das sogar, blendet es aber besser aus in der Sendung. Berichte des IPCC gehen nicht ohne Grund von verschiedenen Szenarien aus, weil Wissenschaftler eben keine Hellseher sind.

Die Kritik auf Twitter an Markus Lanz entzündete sich daran, dass er einwarf, dass die Erfolgsgeschichte der Menschheit immer eine Geschichte der Anpassung war. Warum denn die Aktivistin so mutlos sei, fragte er. Carla Rochel antwortete, dass die Menschheit es nicht schaffen wird, sich an ein so schnell änderndes Klima anzupassen. Dann nannte Markus Lanz Beispiele von der Geschichte der Landwirtschaft in dem heißen und eher kargen Land Israel, die nur durch Anpassung und Innovation möglich war, das überzeugte Carla Rochel aber nicht. Schon in Kürze würde 1/3 der Welt unbewohnbar, Bürgerkriege drohten und die Demokratien würden zerfallen. All das hätte die Wissenschaft klar gesagt. Sie wiederholte es mantraartig. Woher wüssten das denn die Wissenschaftler, fragte Lanz nach. Prompt wird ihm nun dafür unterstellt ein Leugner des Klimawandels zu sein. So schnell geht es heutzutage.

Es kam natürlich auch auf den tragischen Tod der Radfahrerin in Berlin auf das Tablett. Hier echauffierte sich Carla Rochel zunächst, dass man diesen Unfall instrumentalisiere, um ihre Bewegung in den Dreck zu ziehen. Glücklicherweise hatten Markus Lanz und Eva Quadbeck Fakten zur Hand und verwiesen auf einen Bericht der Berliner Feuerwehr, der in Kürze veröffentlicht wird. Sie wiesen auch darauf hin, dass die Behörden den Fall juristisch prüfen würden und das auch zu Konsequenzen führen könnte.

Rochel warf dann zwar ein, dass es doch auch ohne ihre Proteste Staus auf den Straßen gebe, sie verstand das Problem von bewusst herbeigeführten Staus offenbar nicht. Wenn es stimmt, was der Tagesspiegel herausgefunden hat, dann wird die Verteidigungslinie für die ”Letzte Generation” in der Tat sehr dünn. Auch die Aussagen einer Notärztin, auf die sich die Aktivisten immer wieder berufen hatten, wird in dem Bericht relativiert.

“Nach dem Tod einer Radfahrerin hat die Berliner Feuerwehr nun ihren Abschlussbericht zu den Folgen einer Blockade von Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ vorgelegt. Darin relativiert die Feuerwehr die Aussagen einer Notärztin, dass das verspätete Eintreffen einer Spezialeinheit infolge eines durch Klimaaktivisten ausgelösten Staus unerheblich war.

Der sogenannte Rüstwagen wäre ohne den Stau eine Minute nach der Notärztin eingetroffen. Eine Rettungsmethode, mit der das Unfallopfer besser und schonender unter dem Betonmischer hätte hervorgeholt werden können, wäre durch den Rüstwagen möglich gewesen. Stattdessen musste der Lkw erneut über das Unfallopfer gefahren werden.”

Es sind wohl Informationen wie diese, die Eva Quadbeck zu der Aussage kommen ließen, dass etwas mehr Demut angebracht wäre, denn die Fälle von Rettungswagen, die wegen der Proteste steckengeblieben sind, beschränkt sich ja nicht nur auf diesen einen aktuellen Fall. Es gäbe mehr als 30 allein in Berlin. Carla Rochel hielt tapfer dagegen. Man ließe doch immer Platz für Rettungsgassen und sie berichtete von Rettungssanitätern, die doch dankbar wären, weil die Protestler ihre Aktionen vorher ankündigen und sie sich darauf einstellen könnten. Hier versäumte Lanz darauf hinzuweisen, dass diese Ankündigungen immer erst sehr kurz vor den Aktionen passieren. Das dürfte einem Rettungswagen im Zweifel wenig helfen. Angemeldet werden diese Demonstrationen jedenfalls nicht, bei Gefährdung des Straßenverkehrs würden sie untersagt. Das wissen auch die Protestler.

Es war kaum verwunderlich, dass Jürgen Trittin Carla Rochel größtenteils zustimmte. Allerdings empfahl er den demokratischen Weg. Den lehnte Carla Rochel ab, weil wir “nur noch 2-3 Jahre haben”, um umzusteuern, sagt wieder die Wissenschaft. Auch Eva Quadbeck empfahl den Weg über die Parteien, im Grunde könne eine Bewegung wie Fridays-For-Future jede Partei und jeden Parteitag kapern. Etwas naiv war Carla Rochel auch beim Thema Beschädigung von Kunstwerken. “Wieso, da waren doch Glassplatten vor” entgegnete sie Markus Lanz, man hätte das alles vorher recherchiert. Hätten sie es einmal wirklich getan. Der Verband der Restauratoren hat ein Statement dazu.

“Positiv nehmen wir wahr, dass die Aktivisten ihre Aktionen bislang augenscheinlich sehr zielgerichtet durchgeführt haben, indem sie sich ausschließlich an Bilderrahmen und Museumswände klebten und immer verglaste Gemälde zum Bewerfen mit Lebensmitteln aussuchten.

Jedoch: Schäden unterschiedlichen Ausmaßes sind an den Bilderrahmen und teils auch an den Werken entstanden. Dazu muss man wissen, das Verglasungen nicht zwangsläufig komplett dicht sind, Flüssigkeiten in die Ritzen eindringen und mit dem Bildträger und den Malschichten in Berührung kommen können. Auch die Rahmen sind wertvoll, vor allem wenn sie aus der Zeit des Kunstwerks selbst stammen sind sie wichtiger Bestandteil des Werks. Bei unverglasten Gemälden würden die Schäden gewiss weitaus gravierender ausfallen, wobei das Ausmaß der Beschädigung sehr von der Zusammensetzung des Kunstwerkes – Ölgemälde oder ein anderes Malmedium – und auch der Art der Substanz, die auf die Oberfläche trifft, abhängt. Basisch oder sauer? Kalt oder warm? Flüssig oder klebrig? …“

Im Falle des Baberini Museums war es wohl eher glücklicher Zufall und keine Recherche, wie die Süddeutsche Zeitung (Bezahlartikel) beschreibt. Wäre da nicht ein kleines Stückchen Filz gewesen, das Monet Bild hätte ernsthaften Schaden nehmen können. Folglich lautet der Titel des Artikels auch: Denn sie wissen nicht, was sie tun. Warum die Lanz-Redaktion diese Punkte nicht vorher recherchierte und den Talkmaster entsprechend briefte, das bleibt unklar.

Ganz am Ende kam Markus Lanz dann noch auf das Thema Kernenergie. Da wand sich Carla Rochel etwas. “Wir haben uns doch als Gesellschaft darauf geeinigt, dass wir das nicht wollen”. Nun, die Politik hat sich vor langer Zeit darauf geeignet, Umfragen sehen die Haltung zur Kernenergie mittlerweile ganz anders, aber möglicherweise passt das nicht in das Weltbild der jungen Frau. “Sie wollen also keine Kernenergie und keine Kohlekraftwerke”, fragte er gegen Ende. Ja, antwortete Carla Rochel und keine fossilen Brennstoffe. Die Erneuerbaren Energien sollen es retten außerdem das 9-Euro Ticket und Tempo 100 auf Autobahnen. Da staunte auch der Moderator wieder mehrfach.

Markus Lanz verpasste hier allerdings eine Chance auf unsere Nachbarländer hinzuweisen, von denen einige auf Kernenergie setzen. Schade, denn das wäre das Argument, “wir als Gesellschaft hätten doch”, ins Wanken gekommen. Es wäre sicherlich auch interessant gewesen zu erfahren, wie die Einstellung von Carla Rochel zu den Handlungsempfehlungen des IPCC ist, die auch Kernenergie vorsehen. Es gibt also gute Wissenschaft, die ins eigene Narrativ passt und schlechte, die dem eigenen Weltbild widerspricht. In so einer Talkshow holt man nur heraus, was zur eigenen Linie passt. Es ist schon erstaunlich, warum dieses naheliegende Argument über die gute und schlechte Wissenschaft so selten in diesen Sendungen gebracht wird.

Die Argumentationslinie von Carla Rochel war ohnehin sehr interessant. Als Markus Lanz einwarf, dass 80% der Bevölkerung die Aktionen der “Letzten Generation” ablehnt, meinte die Aktivistin nur lapidar, ja das ist möglich, aber der Großteil stehe doch hinter ihren Forderungen. Außerdem wüssten sie, dass sie sich nicht beliebt machten. Das wäre bei jeder Protestaktion so, fügte Trittin noch hinzu. Das ist der Preis, den man zahlen müsste. Im Fall Berlin und getötete Radfahrerin war der Preis allerdings nicht nur der Unmut der Mehrheit, sondern der Tod eines Menschen. Bei vielen ihrer Äußerungen hatte man das Gefühl, dass Carla Rochel gleich in Tränen ausbricht, so nimmt sie die Klimakatastrophe offenbar mit. Sie hielt aber tapfer bis zum Ende der Sendung durch. Die Sendung ist noch in der ZDF-Mediathek bis zum 09.11.2023 zu sehen.

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