Kleine Anfrage zum Klima-Exodus im Orient

In einer Pressemitteilung vom 11. Februar 2016 warnte das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) davor, den Klimawandel als einen Haupttreiber von Migration, Flucht und Konflikten im Mittleren Osten misszudeuten. Auszug:

Die Friedensforscherin Christiane Fröhlich stellte beim DKK-Klima-Frühstück ihre aktuelle Studie zum Einfluss der Dürre auf die Binnenmigration in Syrien und deren Rolle beim Ausbruch der Unruhen 2011 vor. Auf der Grundlage von Befragungen syrischer Bauern und Landarbeiter, die sie 2014/15 in jordanischen Flüchtlingslagern durchführte, kam sie zu dem Schluss: „Die vielfach propagierte einfache Kausalität zwischen Dürre, Migration und Konfliktausbruch in Syrien lässt sich so nicht halten. Zwar nahm die Binnenmigration tatsächlich während der Dürre zu, doch weder war die Dürre ihr einziger Auslöser, noch waren es die ‚Klimamigranten‘, die die Proteste initiierten.“

Die Fraktion DIE LINKE hat die Facheinschätzung des DKK zur Thematik offenbar nicht mitbekommen, denn sie reichte am 20. April 2016 beim Deutschen Bundestag eine ‚Kleine Anfrage‘ mit 25 Einzelfragen als Drucksache 18/8224 zum selben Thema ein:

Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Birgit Menz, Niema Movassat, Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Klimawandel und Migration im Nahen Osten und Nordafrika (MENA-Region)

[…] Der Klimawandel wird in der MENA-Region, die als eine der konfliktreichsten Weltregionen gilt (vgl. Institute for Economics and Peace, 2013), vielfach als Verstärker oder sogar Auslöser für die Eskalation von Konflikten identifiziert. […] Im Koalitionsvertrag der die Bundesregierung stellenden Parteien wird der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration genannt. Hervorgehoben wird Deutschlands Mitverantwortung für die Entstehung und Bewältigung aktueller Krisen: „Globale Ungleichgewichte, Klimawandel und der Verbrauch knapper Ressourcen erfordern ein neues, nachhaltiges Wohlstandsmodell“ (Deutschlands Zukunft gestalten, 2013, S. 7). Um Klimawandelfolgen besser zu verstehen, werde Klimaforschung gestärkt „mit den Schwerpunkten Klimamodellierung und regionale Klimafolgenabschätzung“, die ein Verständnis für „Chancen und Risiken sowie zu Handlungsoptionen“ ermöglichen soll.

Gleich zu Beginn der Kleinen Anfrage wird die Bedeutung des Klimawandels entgegen der DKK-Einschätzung von den LINKEN deutlich überbetont. Der Hinweis auf laufende Forschungen ist hingegen sinnvoll. Die Ergebnisse dürften den LINKEN jedoch nicht gefallen, denn sie sind weit weniger dramatisch, als es die Fraktion wohl annimmt:

Wir wollen Sie an dieser Stelle nicht mit allen 25 Fragepunkten langweilen und greifen daher nur einige exemplarisch heraus:

5. Welche Rolle spielen klimawandelbedingte Migrations- und Fluchtfaktoren bei der Bestimmung sicherer Herkunftsländer gemäß des gesetzlichen Ermessenspielraums durch die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass der globale Klimawandel die Verwirklichung der Menschenrechte gefährdet und dies insbesondere für diejenigen Bevölkerungsgruppen gilt, deren Rechte und deren Existenz ohnehin besonders bedroht sind, und wenn keine, warum nicht? Sind diesbezüglich gesetzliche Neuerungen geplant?

6. Welche Rolle spielen klimawandelbedingte Migrations- und Fluchtfaktoren bei der Einzelfallprüfung von Asylbegehren vor dem Hintergrund, dass der globale Klimawandel die Verwirklichung der Menschenrechte gefährdet und dies insbesondere für diejenigen Bevölkerungsgruppen gilt, deren Rechte und deren Existenz ohnehin besonders bedroht sind, und wenn keine, warum nicht? Sind diesbezüglich gesetzliche Neuerungen geplant?

7. Befragt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Antragstellerinnen und Antragsteller auf Asyl zu umwelt- und klimabezogenen Migrations- und Fluchtgründen? Wenn nein, warum nicht, und gedenkt sie dies künftig zu tun?

Fluchtgrund Klimawandel: Die drei oben genannten Studien geben dieser Idee kaum eine Chance. Zu komplex sind die Zusammenhänge. Welche Zeiträume sollen betrachtet werden, um anthropogene Entwicklungen von der natürlichen Klimavariabilität sicher zu unterscheiden? Vermutlich sollten hier eher Jahrtausende anstatt Jahrzehnte untersucht werden.

Mit Punkt 15 der Kleinen Anfrage wird die Bundesregierung ihre reine Freude haben. Die detaillierte Ausarbeitung dürfte geschätzte 3 Jahre in Anspruch nehmen:

15. Welche spezifischen durch den Klimawandel ausgelösten Chancen, Risiken und Handlungsoptionen identifiziert die Bundesregierung für:

– Syrien
– Türkei
– Jordanien
– Libanon
– Israel
– Palästinensische Gebiete
– Irak
– Iran
– Ägypten
– Jemen
– Saudi-Arabien
– Katar
– Kuweit
– Bahrain
– Vereinigte Arabische Emirate
– Oman
– Sudan
– Somalia
– Dschibuti
– Marroko
– Tunesien
– Algerien
– Mauretanien (bitte in Form gesonderter und ausführlicher Klima-Länderberichte im Anhang anführen)?

Aber auch der nachfolgende Punkt ist hochinteressant. Wieviele Klimaspione gibt es eigentlich in Deutschland? Bitten nennen Sie Vor-, Nach- und Decknamen, zusammen mit den geheimen Telefonumern und Lagekarten der Toten Briefkästen:

23. Welche Stellen in der Bundeswehr, Bundesgrenzschutz und Bundesnachrichtendienst beschäftigen sich seit 2007 zuständigkeitshalber schwerpunktmäßig mit dem Zusammenhang von Klimawandel und Sicherheit (bitte nach Institution, Anzahl Personalstellen, Mitteleinsatz auflisten)?

Auf die Antwort auf Frage 24 sind wir besonders gespannt. Vermutlich wird das PIK hier Spitzenreiter in der Geldrangliste werden:

24. Welche Studien hat die Bundesregierung zur Erforschung des Zusammenhangs von Klimawandel und Sicherheit in der Vergangenheit in Auftrag gegeben? Welche plant sie in Auftrag zu geben (bitte Nennung der beauftragen Forschungsinstitute, Studientitel, Jahr, Kosten seit 2007)?

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War es nur Zufall, dass die Max-Planck-Gesellschaft eine Woche später, am 28. April 2016, eine reißerische Pressemitteilung zum gleichen Thema herausgab, die den LINKEN ziemlich gut gefallen haben muss?

Dem Orient droht ein Klima-Exodus

Der Klimawandel könnte Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas unbewohnbar machen

Die Zahl der Klimaflüchtlinge könnte künftig dramatisch steigen. Wie Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und vom Cyprus Institute in Nicosia berechnet haben, dürfte es im Nahen Osten und in Nordafrika so heiß werden, dass Menschen dort in vielen Gegenden nicht mehr leben können. Das Ziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, was auf den jüngsten UN-Klimakonferenzen beschlossen wurde, wird nicht ausreichen, das zu verhindern. Denn die sommerliche Durchschnittstemperatur in den bereits heute sehr heißen Regionen des Orients wird mindestens doppelt so schnell ansteigen wie global. Das hätte zur Folge, dass die Temperaturen südlich des Mittelmeers schon Mitte des Jahrhunderts an besonders heißen Tagen etwa 46 Grad Celsius erreichen werden. Und von diesen Tagen wird es dann mehr als fünfmal so viele geben wie noch zur Jahrtausendwende. Zusammen mit einer steigenden Luftverschmutzung durch Wüstenstaub, könnte die zunehmende Hitze das Leben vieler Menschen dort so unerträglich machen, dass sie sich zur Flucht gezwungen sehen dürften.

Über 500 Millionen Menschen leben im Nahen Osten und in Nordafrika – einer Region, die bereits jetzt vom Klimawandel stark betroffen ist. So hat sich dort die Zahl der extrem heißen Tage seit 1970 verdoppelt. „Das Klima in weiten Teilen des Orients könnte sich in den kommenden Jahrzehnten so verändern, dass es geradezu lebensfeindlich wird“, sagt Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie und Professor am Cyprus Institute.

Er und seine Kollegen haben jetzt detailliert ermittelt, wie sich die Temperaturen im Nahen Osten und in Nordafrika im 21. Jahrhundert entwickeln werden. Heraus kam Erschreckendes: Selbst wenn sich die Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit im Schnitt nur um zwei Grad Celsius erwärmt, steigt die Temperatur dort im Sommer um mehr als das Doppelte. In den wärmsten Zeiten werden die Thermometer schon Mitte des Jahrhunderts nachts nicht unter 30 Grad fallen und am Tag auf 46 Grad Celsius ansteigen. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die Mittagstemperatur während heißer Tage sogar bei 50 Grad Celsius liegen. Ein weiteres Ergebnis: Hitzewellen können zehnmal häufiger auftreten.

Ein Max-Planck-Direktor, der an zwei Instituten gleichzeitig tätig ist. Vermutlich im Winter im schönen Zypern und im Sommer im dann sonnigen Mainz. Die Prognosewerte werden von Lelieveld vorgestellt, als würde es sich um eine genaue Vorhersage ohne größere Unsicherheit handeln. Wie wurden die Berechnungen durchgeführt? In der Pressemitteilung heißt es:

Für die jetzt veröffentlichte Studie verglichen Lelieveld und seine Kollegen zunächst Klimadaten der Jahre 1986 bis 2005 mit den Vorhersagen von 26 Klimamodellen für den gleichen Zeitraum. Da die Messdaten und die Prognosen sehr gut übereinstimmten, nutzten die Wissenschaftler die Modelle, um die Klimadaten für die Zeiträume 2046 bis 2065 und 2081 bis 2100 zu berechnen.

Ist es nicht seltsam, dass das Kalibrierungsintervall zur Überprüfung der Klimamodelle im Jahr 2005 endet, obwohl man doch bis heute hätte durchziehen können? Gerade im Zeitraum 1998-2016 haben die Klimamodelle ihre großen Schwächen offenbart, da keines die noch immer anhaltende Erwärmungspause vorhergesagt hatte. Es ist schon Irrsinn, dieses Problemintervall einfach größtenteils wegzuschneiden und dann zu behaupten, die Klimamodelle würden die Realität bestens abbilden. Eine tolle Finte, die vermutlich kaum einer bemerkt hat.

Da die Klimamodelle bei Betrachtung des gesamten Zeitraums überhaupt nicht mehr mit den realen Messwerten übereinstimmen, fällt das ganze Fundament der Studie krachend in sich zusammen. Die Zahlen haben keinen Wert. Die in den Modellen verwendete CO2-Klimasensitivität ist viel zu hoch. Neuere Studien kommen auf viel gerigere Wert als vom IPCC im letzten Klimabericht angegeben. Einen „besten Schätzwert“ traute man sich damals gar nicht mehr zu nennen, angesichts der großen Diskrepanzen zwischen modellierter und realer Wert. Wer zudem etwas tiefer in den 5. IPCC-Bericht hineinliest, findet die klare Aussage des IPCC, dass die Modelle die Mittelalterliche Wärmeperiode in ihrer Ausprägung nicht reproduzieren können. Die Konsequenz: Diese Modelle können für Zukunftsmodellierungen gar nicht mehr verwendet werden, zunächst muss die Kalibrierung mit der Vergangenheit bewältigt werde. Ob sich Jos Lelieveld dessen bewusst ist? Damit werden natürlich auch alle rührig zusammengeschriebenen Szenarien zum angeblichen Klima-Exodus hinfällig.

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Zum Thema passt auch der folgende Beitrag auf EU-Infothek:

Recht auf Asyl auch für „Umweltmigranten“ und „Klimaflüchtlinge“?

Verschlechterungen von Umwelt und Klima begründen keinen „asylfähigen“ Fluchtgrund.

Im Zuge der gegenwärtigen Flüchtlingskrise werden eine Reihe von Begriffen verwendet, deren genaue völkerrechtliche, europarechtliche und staatsrechtliche Bedeutung nicht immer korrekt angegeben wird. So wird von Flüchtlingen, Konventionsflüchtlingen, Migrationsflüchtlingen, Kriegsflüchtlingen, Wirtschaftsflüchtlingen, Vertriebenen, subsidiär Schutzberechtigten uam gesprochen, die offensichtlich vor Gewalt, Bedrohung und Verfolgung außer Landes geflüchtet sind und in dritten Staaten Schutz suchen.[1])

Nicht erwähnt werden dabei aber diejenigen Personen, die im Gefolge von natürlichen, chemischen oder nuklearen Katastrophen, dh nicht konfliktbedingt, geflüchtet sind und in einschlägigen Dokumenten als „Umwelt“- oder „Zwangsmigranten“ bezeichnet werden.[2]) Unter diesen „Umweltmigranten“ stellen wiederum die „Klimaflüchtlinge“ die wichtigste Gruppe dar. Obwohl der Klimawandel und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Menschen und deren Habitat seit Langem bekannt sind, existieren bis heute – im Gegensatz zur Kategorie des „politischen Flüchtlings“ „Umweltmigranten“ und „Klimaflüchtlingen“. Es wurden lediglich, und auch das nur nach langwierigen, jahrelangen Verhandlungen, einige wenige Verträge über den Klimaschutz und die Eindämmung des Klimawandels abgeschlossen.

Diesem interessanten Umstand soll in der Folge nachgegangen werden, wobei es interessanterweise nicht die Europäische Union (EU), sondern einmal mehr ein Organ des Europarates war, das diese Frage vor kurzem aufgegriffen und erstmals politisch problematisiert hat. Um die gesamte Tragweite dieses Problems zu verstehen, muss zunächst aber ein Blick auf den Klimawandel und die langwierigen Versuche zu dessen Bekämpfung geworfen werden. In der Folge werden dann sowohl die „Umwelt“- als auch die „Klima“-Flüchtlinge darzustellen und deren rechtlicher Status zu bestimmen sein. Den Abschluss bildet dann der Forderungskatalog der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Erfassung dieses Phänomens sowie eine Bewertung der Erfolgsaussichten der Umsetzung desselben.

Weiterlesen auf EU-Infothek

 

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