In der Zeitung geht der Meeresspiegel immer nur in eine Richtung – nach oben. In Wahrheit war die Entwicklung jedoch viel komplexer als der Leserschaft gemeinhin zugemutet wird. Beispiel Australien. Die Welt meldete am 24. Mai 2011:
Erderwärmung: Meer vor Australien könnte um einen Meter steigen
Als Folge der Erderwärmung könnte der Meeresspiegel einer neuen Studie zufolge innerhalb eines Jahrhunderts um bis zu einen Meter steigen. Dadurch nehme die Gefahr verheerender Überschwemmungen zu, heißt es in einem Bericht der Klimakommission der australischen Regierung.
Tolle Alarmstory. Eine Kleinigkeit blieb dann jedoch im Artikel unerwähnt: Der aktuelle Meeresspiegel liegt bis zu mehrere Meter tiefer als während des Großteils der vergangenen 7000 Jahre. Welch Überraschung. Nachzulesen ist dies beispielsweise in einer Arbeit von Stephen Lewis und Kollegen, die im August 2013 in den Quaternary Science Reviews erschien. Das Forscherteam fasst in der Studie den aktuellen Wissensstand zur Meeresspiegelhistorie Australiens für die vergangenen 10.000 Jahre auf Basis einer Vielzahl von Arbeiten zusammen. Die Entwicklung folgte einem einfachen Muster: Gegen Ende der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren ereignete sich ein rapider Meeresspiegel-Anstieg, der vor 7000 Jahren schließlich endete. Dabei schoss der Meeresspiegel in der Endphase mehrere Meter über das heutige Niveau hinaus. In den sieben nachfolgenden Jahrtausenden sank der Meeresspiegel dann relativ gleichmäßig, vielleicht aber auch oszillierend, bis schließlich der heutige Stand erreicht wurde. Diese Entwicklung ist gleich für mehrere Küsten Australiens nachgewiesen, darunter West-Australien (Abbildung 1) und Ost-Australien (Lewis et al. 2008).
Abbildung 1: Meeresspiegelentwicklung in West-Australien während der vergangenen 8000 Jahre. Quelle: Lewis et a. 2013.
Auch im Großen Barriereriff lässt sich ein drastischer Meeresspiegelabfall nachweisen. In den letzten 2000 Jahren sackte dort der Meeresspiegel um 1,0 bis 1,3 m ab, wie ein Forscherteam um Daniel Harris im Januar 2015 in Geology dokumentierte. Eine schöne Studie, die die Autoren natürlich gerne in der Presse verbreitet sehen wollten. Allerdings gab es dabei den Schönheitsfehler, dass das Ergebnis so gar nicht in das klimaalarmistische Erzählmuster stetig steigender Fluten passte. In der entsprechenden Pressemitteilung der Universität Sydney vom 22. Januar 2015 mussten aus diesem Grund entsprechende Formulierungen eingefügt, die das massive Absinken des Meeres als „relativ kleinen Meeresspiegelrückgang“ verniedlichten. Es ist schon putzig zu lesen: Die Universität spricht schadensbegrenzend von einem „small drop“, „small change“, „minor sea level change“ und „relatively small sea level fall”. Erst im letzten Drittel der Meldung wird dann das ganze Ausmaß von mehr als einem Meter Differenz eingeräumt. Allesamt Vorkehrungen, um ja nicht Gefahr zu laufen, als Klimaskeptiker abgestempelt zu werden. Hier die Pressemitteilung in ganzer Länge:
Small drop in sea level had big impact on southern Great Barrier Reef
The idea that coral reefs have formed over millennia in a continuous process has been challenged by a study of the southern Great Barrier Reef. The research, led by the University of Sydney, shows that even small variations in sea level can cause significant change across the reef. „We create a new narrative for how the Barrier Reef and other coral reefs came about and explain the importance of surprisingly small changes in sea level,“ said Associate Professor Jody Webster from the University of Sydney’s School of Geosciences and an author on a recently published article on the findings in Geology.„That such a minor sea level change has stalled coral reef growth and sediment production is an unexpected and significant finding.“ During rising sea levels reefs grow vertically upwards until they reach sea level. Then they grow away from the reef front, producing massive amounts of sediment which gradually fill in the reef lagoon, much like filling a bucket. „Most current models describe this infilling as a continual process, taking place over the past 6000 years or mid-Holocene, the geological era dating to the present day, following the reef reaching present sea level,“ said Dr Ana Vila-Concejo, also from the School and an author on the study. „Instead our research suggests that the majority of lagoon infilling occurred for only four thousand years and was ‚turned off‘ by a relatively small sea level fall 2000 years ago.“
The researchers analysed samples from One Tree Reef in the southern Great Barrier Reef. They radiocarbon dated sediment cores from the lagoons of the coral reef to calculate sand infilling. Sea level change was calculated by dating fossil samples from micro-atolls. „We established that starting about 6000 years ago there was 4000 years of rapid sediment production and transport until a sea level fall of between 1 to 1.3 metres. This fall coincided with a dramatic slowing of the coral reef’s growth on the broadest part of the reef over the next 2000 years,“ said Dr Daniel Harris, the lead author on the study which he completed as a PhD student in the School of Geosciences.
Associate Professor Jody Webster said, „Our findings suggest that reefs will be sensitive to sea level changes likely to take place because of climate change, quite apart from other impacts such as ocean acidification or pollution. Based on our model higher sea level might allow for greater coral reef growth and more carbonate sediment production but that would rely on the reef systems otherwise being in good health.“ Quan Hua from ANSTO,Professor Yusuke Yokoyama from the University of Tokyo and Professor Paula Reimer from Queen’s University Belfast are contributing authors on the Geology article.
Bei der Betrachtung dieser langen Zeitmaßstäbe und dem enormen Meeresspiegel-Absenkungsbetrag von mehreren Metern gehen kürzermaßstäbliche Entwicklungen etwas unter. Natürlich ist in den letzten 100 Jahren im Zuge der Wiedererwärmung nach der Kleinen Eiszeit auch in Australien der Meeresspiegel angestiegen. Ein Forscherteam um Neil White hat im September 2014 in Earth Science Reviews eine Analyse dieser Entwicklung publiziert. Laut White und Kollegen zeigen Küstenpegel zwischen 1966 und 2010 einen Anstieg von 2,1 mm pro Jahr. Das entspricht einem Gesamtanstieg von 9,2 cm, ein magerer Betrag im Vergleich zum vorangegangenen Meeresspiegelabfall von mehreren Metern. Selbst der Gesamtanstieg seit 1880 beträgt lediglich 15 cm. Im Folgenden die Kurzfassung der Arbeit: