Blöde Verwechslung: Kalte Winter in Mitteleuropa haben nichts mit schrumpfendem Meereis der Arktis zu tun

Erinnern Sie sich noch an die wilde Geschichte, dass kalte Winter in Mitteleuropa eine Folge der arktischen Turboerwärmung sein sollten? Eine tolle Hilfshypothese in den Jahren, als die Winter plötzlich kälter waren als gedacht. Eine Studie von Dai & Song 2020 hat die Idee nun in das Reich der Fabelwelt zurückbefördert. Es ist nichts dran. Abstract:

Little influence of Arctic amplification on mid-latitude climate

Observations1,2,3 and model simulations3,4 show enhanced warming in the Arctic under increasing greenhouse gases, a phenomenon known as the Arctic amplification (AA)5, that is likely caused by sea-ice loss1,3. AA reduces meridional temperature gradients linked to circulation, thus mid-latitude weather and climate changes have been attributed to AA, often on the basis of regression analysis and atmospheric simulations6,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19. However, other modelling studies20,21,22 show only a weak link. This inconsistency may result from deficiencies in separating the effects of AA from those of natural variability or background warming. Here, using coupled model simulations with and without AA, we show that cold-season precipitation, snowfall and circulation changes over northern mid-latitudes come mostly from background warming. AA and sea-ice loss increase precipitation and snowfall above ~60° N and reduce meridional temperature gradients above ~45° N in the lower–mid troposphere. However, minimal impact on the mean climate is seen below ~60° N, with weak reduction in zonal wind over 50°–70° N and 150–700 hPa, mainly over the North Atlantic and northern central Asia. These results suggest that the climatic impacts of AA are probably small outside the high latitudes, thus caution is needed in attributing mid-latitude changes to AA and sea-ice loss on the basis of statistical analyses that cannot distinguish the impact of AA from other correlated changes.

Die Neue Zürcher Zeitung berichtete über die Studie am 12.2.2020:

Der Abgesang auf den Jetstream war verfrüht

Die Arktis erwärmt sich rascher als der Rest der Erde. Manche Forscher vermuten einen paradoxen kühlenden Effekt auf die Winter der mittleren Breiten. Doch dieser Effekt scheint sehr schwach zu sein.

[…] Wetterlagen aber – mit einem kräftigen Jetstream, der sich in gerader Linie von Neuengland bis Grossbritannien erstreckt – könnten in Zukunft seltener werden. Das vermuten jedenfalls einige Forscher, die dem arktischen Meereis einen starken Einfluss auf das winterliche Wetter und Klima der mittleren Breiten zuschreiben. Doch die Kritik an dieser These wird immer lauter.

[…] Gemäss Dai und Song führt die Zunahme der Treibhausgase alleine – also ohne arktische Verstärkung – in den mittleren Breiten sogar zu einer Intensivierung der Westwinde um ein paar Prozent, und das gilt auch für den Jetstream. Die «zugeschaltete» arktische Verstärkung reduziert die Westwinde dann wieder ein klein wenig. Aber diese klimatische Wirkung ist im Vergleich sehr gering.

Warum sind dann andere Forscher so sehr vom Einfluss des Meereises überzeugt? Dai und Song haben eine Vermutung. Demnach ist die Korrelation zwischen Meereisschwund und Jetstream-Schwäche nicht auf einen direkten ursächlichen Zusammenhang zurückzuführen, sondern auf eine gemeinsame Ursache. Das arktische Meereis geht nämlich immer dann besonders schnell zurück, wenn der Nordatlantik im Zuge einer langfristigen klimatischen Oszillation besonders warm ist. In solchen «positiven» Phasen bremst die Oszillation womöglich ausserdem die Westwinde (inklusive Jetstream).

Ganzen Artikel in der NZZ lesen.

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Schöne neue Elektro-Auto-Welt. Gerade will der Volkswagen-Konzern in Sachen E-Autos durchstarten, da gefährdet ein Rechtsstreit die Belieferung mit Batterien mit gravierenden Folgen auch für andere Autobauer. Das Manager Magazin berichtet über den Fall.

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Daniel Wetzel thematisiert in der WELT den Atomausstieg Deutschlands am Beispiel von Schweden. Dort musste ein sich in Revision befindliches Kernkraftwerk wieder an das Netz, damit dieses stabilisiert wird.

„Ende des kommenden Jahres folgt die Abschaltung der drei Atomkraftwerke Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C. Die Hoffnung, den Wegfall der steuerbaren Grundlastkraftwerke durch vermehrte Stromimporte auszugleichen, könnte sich als trügerisch erweisen: Nachbarländer wie die Schweiz, Frankreich, Belgien und die Niederlande wollen ebenfalls Atom- und Kohlekapazitäten abschalten. Ähnlich wie Schweden und Deutschland kommunizieren auch diese Länder ganz offen, künftig verstärkt auf Stromimporte setzen zu wollen. Offen bleibt, wer überhaupt noch liefern kann.“

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Über den aktuellen Stand in Sachen Gaspipeline Nordstream 2 berichtet ebenfalls die WELT in dem Artikel „Der drohende Showdown in der Ostsee“.

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Die Salonkolumnisten reflektieren über die Grünen, deren Verhältnis zur Wissenschaft in Sachen Homöopathie, Gentechnik und Atomausstieg. Deutet sich ein Generationenwechsel an in Sachen Einstellung?

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Am 20.7.2020 kam in der DLF-Sendung „Forschung-Aktuell“ ein Beitrag, der gut zu einem 1. April passen würde. Allerdings scheint es sich tatsächlich nicht um Satire zu handeln, obwohl das kaum zu glauben ist! Um die Entstehung des Treibhausgases Ammoniak zu reduzieren, versucht eine Forschungsgruppe am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie, Milchkühe dazu zu trainieren, dass diese zum Pinkeln in Freilauf-Ställen spezielle „Latrinen“ aufsuchen, damit Urin und Kot getrennt gesammelt werden können. DLF:

Toilette für Kühe. Verhaltensbiologe: Stallreine Rinder – weniger Treibhausgas

Optischer Reiz, Belohnung und harmlose Strafe: Auf diese Weise können Kälber trainiert werden, Latrinen zu benutzen, erläuterte der Wissenschaftler Jan Langbein im Dlf. So werde es möglich, Kot von Urin zu trennen – und damit die Bildung von Ammoniak, einem Treibhausgas, zu verhindern.

Mal ganz davon abgesehen, dass Ammoniak ein ziemlich unbedeutendes Treibhausgas ist, weil dieses schnell aus der Atmosphäre ausgewaschen wird, ist es schon reichlich bizarr, dass die Forscher es offenbar für realistisch halten, abertausende von Ställen für den Einbau von Kuh-Latrinen aufwendig umzubauen und die Landwirte mit ihren Kühen ein aufwendiges „Toiletten-Training“ durchführen zu lassen, weil die ja sonst nix besseres zu tun haben. Also wenn das wirklich keine Sommerloch-Satire des DLF war, so wäre das Projekt jedenfalls ein heisser Kandidat für einen Ig-Nobelpreis! Und die Krönung dieser irren Parodie ist schliesslich noch die Tatsache, dass dieses Leibniz-Institut für Nutztierbiologie ausgerechnet in DUMMERSTORF zuhause ist. Na – wenn das mal nicht perfekt passt, frei nach dem Motto „Nomen est omen“ !

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Kolumne von Nikolaus Blome am 20.7.2020 im Spiegel:

Klimaschutz: Die Freitags-Revolutionäre

„Fridays for Future“ schärfen ihre Systemkritik nach – und werden vollends links-fundamental. Ob das der Bewegung guttut?

Ende vergangener Woche, kurz vor dem großen EU-Gipfel, veröffentlichten Greta Thunberg und Luisa Neubauer einen Brief an die Staats- und Regierungschefs. Einige wenige Medien in Deutschland vermeldeten das kurz und erwähnten, dass auch Schauspieler wie Leonardo DiCaprio unterzeichnet hätten.

[…] Darüber hinaus jedoch handelt es sich um einen wirklich fulminanten Text, der sich nur als Kriegserklärung lesen lässt. Gemeint sein muss, wenn auch nicht wörtlich erwähnt: der globale Kapitalismus, wie wir ihn kennen, mit allen Vorteilen und Nebenwirkungen. „Unser derzeitiges System ist nicht ‚kaputt‘ – das System tut genau das, was es soll und wofür es geformt wurde. Es kann nicht länger ‚repariert‘ werden. Wir brauchen ein neues System“, heißt es in dem Text, den ich auf Anhieb nur auf Englisch im Netz gefunden habe.

Ganze Kolumne im Spiegel lesen.

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