Beruhen die letzten warmen Sommer primär auf natürlichen Zyklen?

Von Dr. Ludger Laurenz

Kurz gefasst:

  • Das hohe Temperaturniveau der letzten 20 Jahre in Deutschland ist primär eine Folge der aktuellen Warmphase der Atlantischen Multidekadischen Oszillation (AMO). Dabei wirkt die in den letzten Jahrzehnten mit der wärmeren AMO gestiegene Sonnenscheindauer als Temperaturverstärker der AMO, mit bis zu 4 °C höherer  Hochsommertemperatur in der aktuellen AMO-Warmphase.
  • Die extreme Hitze 2018 könnte das Ergebnis der Addition von Warmphase der AMO und Einfluss des Hale-Zyklus der Sonne sein. Ein wissenschaftlicher Beleg für den Einfluss des Hale-Zyklus der Sonne steht noch aus.  Die bisherigen Beiträge des Autors zum Einfluss des Hale-Zyklus auf unser Wetter sind als Anregung für Klima- und Atmosphärenforscher zu verstehen, den Hale-Zykluseinfluss zu überprüfen.

Ist die hohe Temperatur der letzten 20 Jahre Ausdruck einer anthropogen verursachten Klimakrise oder basiert das hohe Temperaturniveau primär auf natürlichen Zyklen? Diese Frage stellt sich nicht nur global, sondern auch in Deutschland, wo das Temperaturniveau noch stärker als im globalen Durchschnitt angestiegen ist. Eine Antwort liefert die Analyse des Trends der Sonnenscheindauer.

Sonnenscheindauer als Temperaturverstärker der AMO

Ein natürlicher Einflussfaktor auf das Klima in Mitteleuropa ist die zyklisch schwankende Wassertemperatur im nördlichen Atlantik, die in der Klimawissenschaft  als Atlantische Multidekadische  Oszillation (AMO) bezeichnet wird. Die AMO ist eine fortlaufende Serie von lang anhaltenden Veränderungen der Meeresoberflächentemperatur des Nordatlantiks mit kühlen und warmen Phasen, die jeweils 20-40 Jahre andauern können, und einem Unterschied von etwa 0,5 °C zwischen den Extremen. (https://www.aoml.noaa.gov/phod/faq/amo_faq.php)

Veränderungen in den letzten 20 Jahren mit der aktuellen Warmphase liegen innerhalb der natürlichen Variabilität. Hinweise auf jüngere wissenschaftliche Publikationen zum Thema Golfstrom und Wassertemperatur im Nordatlantik liefert die 114. Klimaschau. (https://kaltesonne.de/klimaschau-114-potsdamer-golfstrom-alarm-faellt-in-sich-zusammen/)

Der Zusammenhang zwischen der AMO und dem Temperaturtrend in Europa ist bekannt und wissenschaftlich vielfach dokumentiert. Der Zusammenhang mit der Sonnenscheindauer wurde erst in den letzten Jahren intensiver untersucht (1), mit folgendem Ergebnis:

„Einen bedeutenden Anteil der Varianz der jährlichen Sonnenscheindauer über Mitteleuropa kann mit Änderungen der Wassertemperaturverhältnisse über dem Nordatlantik erklärt werden.“

Eine Verknüpfung zwischen der AMO und Sonnenscheindauer in Mitteleuropa zeigt auch die Gegenüberstellung von AMO-Index und Jahres-Sonnenscheindauer von Potsdam in der folgenden Abbildung. Hier sind die Daten von Potsdam gewählt worden, weil sie bis 1893 zurückreichen, während im Flächenmittel von Deutschland erst Daten ab 1951 vom Deutschen Wetterdienst zur Verfügung gestellt werden. Das gleitende 11-Jahresmittel wird verwendet, um den langfristigen Trend ungestört von Einzeljahreseffekten und dem Einfluss des 11-jährigen Schwabe-Zyklus zum Ausdruck zu bringen.

Abbildung 1: AMO-Index und Jahres-Sonnenscheindauer in Potsdam seit 1893

Der Trend des AMO-Index und der Sonnenscheindauer verlaufen in ähnlichen Bahnen. Die Beziehung zwischen der Wassertemperatur im Atlantik und der Sonnenscheindauer in Potsdam ist offensichtlich. Um den Trend der letzten Jahre hervorzuheben, ist das gleitende 11-Jahresmittel am Ende schrittweise auf 6 Jahre verkürzt und der Kurvenverlauf bis 2021 verlängert.  Um 2020 hat das Niveau des AMO-Index als auch die Sonnenscheindauer die höchsten Werte der letzten 130 Jahre erreicht.

Die folgende Abbildung mit Daten des Flächenmittels von Deutschland, verfügbar ab 1951, zeigt eine enge Verzahnung zwischen Sonnenscheindauer und Temperatur.

Abbildung 2: Jahres-Sonnenscheindauer und Jahres-Mitteltemperatur im Flächenmittel von Deutschland seit 1893

Seit ca. 1990 sind sowohl die Sonnenscheindauer als auch die Temperatur auf das heutige Maximalniveau angestiegen. Der Kurvenverlauf ist auch hier bis 2021 durchgezogen und das gleitende 11-Jahresmittel schrittweise auf 6 Jahre verkürzt.

Der Einfluss der AMO und Sonnenaktivität auf die Sonnenscheindauer zeigt sich am stärksten im Hochsommer.  In der folgenden Abbildung ist deshalb die Sonnenscheindauer der Mitteltemperatur von Juli und August für das Flächenmittel von Deutschland gegenübergestellt.

Abbildung 3: Korrelation zwischen Sonnenscheindauer und Mitteltemperatur Juli/August im Flächenmittel von Deutschland seit 1951

Im Hochsommer besteht zwischen der Sonnenscheindauer und der Temperatur eine hoch signifikante Korrelation. Je nach Jahr schwankt die Sonnenscheindauer seit 1951 zwischen ca. 260 und 550 Stunden. Diese Schwankung bewirkt eine Variation der Hochsommertemperatur von mehr als 4 °C. 

Die Punkte der letzten vier Jahre sind rot markiert und liegen – AMO beeinflusst – auf hohem Niveau im seit 1951 vorgegebenen Trend. Bemerkenswert ist die Extremposition von Sonnenscheindauer und Temperatur im Jahr 2018. Für diese Extremposition könnte neben der AMO auch ein zweiter natürlicher Zyklus verantwortlich sein, der 22-jährigen Hale-Zyklus der Sonne, was im folgenden Abschnitt gezeigt werden soll.

Extremhitze 2018 – ein Produkt von AMO und Hale-Zyklus der Sonne?

Die Sonne durchläuft in ca. 22 Jahren einen Aktivitätszyklus, der Hale-Zyklus genannt wird. Jedes einzelne Jahr korreliert mit Wettertrends (Monats- oder Jahreswerten) und sorgt dafür, dass sich bestimmte Trends nach etwa 22 Jahren wiederholen. Wer mit Google Scholar sucht, bekommt weltweit zahlreiche Nachweise für den Einfluss des Hale-Zyklus der Sonne auf Wettertrends.

Erst seit dem letzten Jahr sind Dank der Veröffentlichung von Leamon (2) die Anfangsjahre der Hale-Zyklen bekannt. Mit Hilfe der Anfangsjahre kann der Einfluss auf das Wetter noch anschaulicher als bisher  dargestellt werden. Der Nachweis für den Einfluss des Hale-Zyklus der Sonne auf unser Wetter gelingt auch anhand der seit 1893 vorliegenden Daten der Sonnenscheindauer von Potsdam, wie die folgende Abbildung zeigt.

Abbildung 4 : Sonnenscheindauer Juli + August in Potsdam mit Hale-Zyklen der Sonne

Zu Beginn der Hale-Zyklen erreicht die Sonnenscheindauer regelmäßig das Maximum, um dann in der Mitte des Zyklus auf ein Minimum abzufallen. Eine Ausnahme bildet der 1926 beginnende Zyklus, mit (a) gekennzeichnet. Während dieses Zyklus ist der AMO-Index stark angestiegen. Dabei hat die Sonnenscheindauer so stark zugenommen, dass in der Mitte dieses Hale-Zyklus der zu erwartende Abfall über den extrem schnellen Anstiegs des AMO-Index und der damit verbundenen steilen Zunahme der Sonnenscheindauer vermutlich überkompensiert wurde.

Insgesamt betrachtet ist seit 1893 ein steigender Trend der Sonnenscheindauer zu beobachten. Die Ausschläge innerhalb der Hale-Zyklen werden allmählich kleiner. Die Maximum-Spitzen bleiben auf gleichem Niveau, während die Minima kontinuierlich ansteigen.  Im aktuellen, 2011 beginnenden Zyklus, ist in der Mitte um 2022 herum aufgrund des Kurvenverlaufs kaum noch mit einem Absinken der Sonnenscheindauer wie in der Hale-Zyklen zuvor zu rechnen. Die in diesem Jahr 2022 bisher in Deutschland gemessene außergewöhnlich hohe Sonnenscheindauer im Juli/August bestätigt die Annahme aus dem Kurvenverlauf.

Die Erkenntnis, dass der Abfall der Sonnenscheindauer in der Mitte der Hale-Zyklen von Zyklus zu Zyklus abnimmt, ist neu. Bei einer Mittelwertbetrachtung aller früheren Zyklen wäre für 2022 mit einem Absinken der Sonnenscheindauer zu rechnen gewesen. Mit der neuen Erkenntnis wird nachvollziehbar, warum die Sonnenscheindauer auch 2022 auf so hohem Niveau verharrt.

Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, wie stark AMO und Hale-Zyklus der Sonne Einfluss auf  Klimaveränderungen in Mitteleuropa nehmen und das Wechselspiel zwischen AMO und Sonnenaktivität noch viel Stoff für Forschungsaktivitäten bietet. Der Autor konnte in den letzten Jahren zahlreiche Nachweise für den Einfluss des Hale-Zyklus der Sonne auf Wettertrends in ganz Europa erbringen (3, 4, 5). In der Hoffnung, dass die Beobachtungen Anlass für weitere wissenschaftliche Analysen liefern, hat er sich in den letzten Monaten an Klima- und Atmosphärenforscher in Berlin, Hamburg, Bremerhaven und Kiel gewandt, ohne bisher eine Interesse zeigende Antwort bekommen zu haben. Offensichtlich besteht aktuell eine gewisse Scheu, natürliche Zyklen für das hohe Temperaturniveau der letzten Jahre verantwortlich zu machen.

Grundsätzlich korreliert die Sonnenscheindauer nicht nur mit der Temperatur, sondern auch mit der Niederschlagsaktivität. Die Ursache für die Dürre der letzten Jahre, die aktuelle Dürre und die eventuell noch folgenden Dürresommer dürfte, wie in diesem Beitrag gezeigt, eher im Wechselspiel zwischen Ozean-und Sonnenzyklen liegen als in anderen Faktoren. Diese Annahme wird durch eine Publikation von M. Ionita vom AWI in Bremerhaven aus 2021 untermauert, die mit ihrem Team die Ursachen von Dürren der letzten 1000 Jahre untersucht hat und vor gehäuftem Auftreten von Dürre in den nächsten beiden Jahrzehnten warnt (6).

Quellen:

(1)   Andrzej A. Marsz et al. 2021: The thermal state of the North Atlantic and macro-circulation conditions in the Atlantic-European sector, and changes in sunshine duration in Central Europe,  https://doi.org/10.1002/joc.7270

(2) Robert J. Leamon et al. (Feb. 2021), Termination of Solar Cycles and Correlated Tropospheric Variability,  https://doi.org/10.1029/2020EA001223

(3) Laurenz, L. 2021: Signifikanter Einfluss der Sonnenaktivität auf die Dürre 2018 und 2019, https://kaltesonne.de/signifikanter-einfluss-der-sonnenaktivitaet-auf-die-duerre-2018-und-2019/

(4) Laurenz, L. 2021: Wie die Sonnenaktivität in Deutschland in den letzten vier Jahren Sonnenscheindauer und Temperaturniveau im Hochsommer geprägt hat, https://kaltesonne.de/wie-die-sonnenaktivitaet-in-deutschland-in-den-letzten-vier-jahren-sonnenscheindauer-und-temperaturniveau-im-hochsommer-gepraegt-hat/

(5) Laurenz, L. 2021: Signifikanter Einfluss der Sonnenaktivität auf die Wintertemperatur in der Polarnacht von Skandinavien,  https://kaltesonne.de/signifikanter-einfluss-der-sonnenaktivitaet-auf-die-wintertemperatur-in-der-polarnacht-von-skandinavien/

(6) Ionita, M., Dima, M., Nagavciuc, V. et al. 2021: Past megadroughts in central Europe were longer, more severe and less warm than modern droughts.  https://doi.org/10.1038/s43247-021-00130-w

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