Weltklimarat IPCC in seinem Bericht von 1990: „Es gibt keine überzeugenden Hinweise darauf, dass sich der Meeresspiegelanstieg im 20. Jahrhundert beschleunigt hätte“

Zum Abschluss unserer Schwerpunktserie zum Meeresspiegel wollen wir noch einmal den Kontext in Erinnerung rufen, in dem sich das aktuelle Geschehen abspielt. Im geologischen Maßstab hat der Meeresspiegel in den vergangenen 180 Millionen Jahren etwa die Hälfte der Zeit deutlich höher gelegen als heute (Abbildung 1).

Abbildung 1: Meeresspiegelentwicklung der vergangenen 180 Millionen Jahre. Quelle: David Middleton

 

Betrachtet man nur die Nacheiszeit, also die letzten 12.000 Jahre, dann erkennt man einen rapiden Anstieg in den ersten 8000 Jahren mit Anstiegsraten von mehr als 10 Millimetern pro Jahr, der ab 4000 v. Chr. stark abbremst (Abbildung 2). Der heutige Meeresspiegelanstieg mit 1-3 mm pro Jahr fällt in diese erschlaffende Endphase der nacheiszeitlichen Entwicklung.

 

Abbildung 2: Meeresspiegelentwicklung der vergangenen 14.000 Jahre. Quelle: David Middleton

 

Wir befinden uns heute in einer Warmzeit, die der letzten Eiszeit folgte. Während der Eiszeit waren große Wassermengen in großen Eisschilden gespeichert, die sich bis Norddeutschland vorschoben. Der Meeresspiegel lag entsprechend 120 Meter tiefer als heute. Vor der letzten Eiszeit, der Weichsel-Vereisung, gab es jedoch ebenfalls eine Warmzeit, die Eem-Warmzeit die vor 126.000 Jahren begann und vor 115.000 Jahren endete. Damals lag der Meeresspiegel bis zu 9 m höher als heute – ganz ohne menschliches Zutun. Dieser Wert wurde von mehreren Arbeiten kürzlich erneut bestätigt (Dutton & Lambeck 2012 in Science, Muhs et al. 2012 in Quaternary Research, O’Leary et al. 2013 in Nature Geoscience).

Wir zoomen uns jetzt weiter ein und betrachten die letzten 300 Jahre. Dem allgemeinen Trend ist eine Zyklik aufgeprägt, die dem Rhythmus von Warm- und Kaltphasen folgt. Während der Kleinen Eiszeit vor 300 Jahren wuchsen die Eismassen der Erde an, so dass der Meeresspiegelanstieg stoppte (Abbildung 3). Im Übergang zur Modernen Wärmeperiode begann der Meeresspiegel dann wieder zu steigen – erst langsam, dann schneller, bis um 1920 die volle Geschwindigkeit erreicht wurde. Seit knapp 100 Jahren hat sich an dieser Anstiegsrate nichts geändert. Es ist daher schwer, an dieser Entwicklung einen menschengemachten Einfluss erkennen zu wollen, da der vermehrte anthropogene CO2-Ausstoß erst vor ca. 50 Jahren richtig ins Gewicht fiel.

 

Abbildung 3: Meeresspiegelentwicklung der vergangenen 300 Jahre. Quelle: Roger Andrews.

 

Man hört in der Presse immer wieder von einer Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs. Betrachtet man die harten Messdaten, handelt es sich hierbei lediglich um das Wiederanfahren des Anstiegs im Übergang von der Kleinen Eiszeit zur Modernen Wärmeperiode. Interessanterweise sah der IPCC dies in seinem ersten Bericht von 1990 ähnlich. Dort heißt es:

Auf Basis von Untersuchungen lokaler Meeresspiegelentwicklungen sowie der globalen Meeresspiegelkurve gibt es keinen überzeugenden Hinweis auf eine Beschleunigung des globalen Meeresspiegels im 20. Jahrhundert.

 

Auszug aus dem 1. IPCC Klimabericht von 1990 zur Meeresspiegelentwickung. Mit Dank an Climate Depot.

 

Die Einschätzung des IPCC von 1990 hat inhaltlich noch immer Bestand, wie Judith Curry Ende 2012 in ihrem Blog Climate Etc. bestätigte:

The evidence for accelerating anthropogenic sea level rise is pretty weak, and lost in the noise of natural variability

Wenn man sich die knapp 200 existierenden globalen Küstenpegelmessreihen mit längerer zeitlicher Abdeckung anschaut, so kommt man für die letzten 100 Jahre auf einen durchschnittlichen Anstieg von nur 1,1 mm pro Jahr. Dies ist deutlich geringer als die aus Satelliten abgeleiteten Werte von mehr als 3 mm pro Jahr. Eine Ursache könnte in Kalibrierungsproblemen der Satellitendaten liegen (siehe unseren Blogartikel „Nachträgliche Korrekturen der Satelliten-Meeresspiegeldaten: Was nicht passt wird passend gemacht?“). So wurden im Nachhinein Satellitendaten kräftig nach oben korrigiert, wie ein Vergleich eines Datensatzes in der Version von 2004 und 2013 zeigt (Abbildung 4).

Abbildung 4: Satelliten-Meeresspiegeldaten wurden nachträglich kräftig nach oben korrigiert. Vergleich desselben Datensatzes in den Versionen von 2004 und 2013. Quelle: The Hockey Schtick.

 

Mittlerweile untersucht das Jet Propulsion Laboratory der die NASA bereits selbst mögliche Fehlerquellen in der satellitengestützten Meeresspiegelmessung.

Verkürzen wir jetzt den Betrachtungszeitraum weiter und schauen uns die Meeresspiegelkurve der letzten Jahrzehnte an. Es ist dabei zu erkennen, dass der Meeresspiegelanstieg in einem Takt von etwa 60 Jahren pulsierte (Abbildung 5). Wir haben an dieser Stelle bereits mehrfach über diesen aufgeprägten Zyklus berichtet, der von Ozeanzyklen wie der PDO, AMO und NAO herrührt (siehe z.B. unseren Blogartikel: Forscherteam der University of Colorado Boulder: Ozeanzyklen haben Meeresspiegelanstieg in den letzten 20 Jahren verstärkt“). Der Einfluss der Ozeanzyklen wurde auch kürzlich von einem Forscherteam um Benjamin Hamlington von der University of Colorado in Boulder weiter ausgearbeitet. Hierzu veröffentlichten die Autoren im Oktober 2013 in den Geophysical Research Letters den Artikel „Contribution of the Pacific Decadal Oscillation to global mean sea level trends”. Insbesondere die Pazifisch Dekadische Oszillation (PDO) sehen Hamlington und Kollegen als wichtigen Faktor. Während der vergangenen 20 Jahre soll die PDO etwa 0,5 mm pro Jahr zum beobachteten Meeresspiegelanstieg beigetragen haben. Dieser PDO-Beitrag müsse bei globalen Langzeitbetrachtungen und Prognosen berücksichtigt werden und reduziert den Langzeitanstieg, schreiben die Forscher.

Abbildung 5: Meeresspiegelentwicklung der vergangenen 90 Jahre. Quelle: David Middleton

 

Eine Wissenschaftlergruppe um Xianyao Chen veröffentlichte im Januar 2014 im Fachmagazin Global and Planetary Change eine Analyse des globalen Meeresspiegeltrends auf Basis von Satellitendaten. Dabei stellten sie eine Verlangsamung der Anstiegsgeschwindigkeit fest. Die ersten zehn Jahre von 1993 bis 2003 stieg der Meeresspiegel um 3.2 mm pro Jahr an. Ab 2004 verlangsamte sich der Anstieg jedoch und erreichte 1,8 mm pro Jahr um 2008. Ursache hierfür sind laut Chen und Kollegen pazifische Ozeanzyklen.

Abbildung 6: Meeresspiegelentwicklung der letzten 20 Jahre auf Basis von Satellitendaten im Vergleich zu Prognosen der Rahmstorf-Gruppe.

 

Halten wir fest: Abgesehen vom Einfluss der Ozeanzyklen, ist der Meeresspiegelanstieg in den letzten 80 Jahren ziemlich konstant geblieben. Nimmt man die gleiche Meeresspiegelanstiegsrate auch für die kommenden Jahrzehnte an, so würde der Meeresspiegel bis 2100 lediglich um 20-30 Zentimeter ansteigen. Erst durch die Annahme einer bislang nicht zu belegenden Beschleunigung des Abstiegs in der Zukunft, kommen IPCC-nahe Wissenschaftler auf Meeresspiegelanstiegsbeträge von mehr als einem Meter (Abbildung 7).

Abbildung 7: Meeresspiegelentwicklung der vergangenen 100 Jahre sowie Prognosen für die kommenden 85 Jahre. Quelle: Roger Andrews.

 

Eines dieser apokalyptischen Szenarien stammt von einer Forschergruppe um Stefan Rahmstorf. In einem Paper, das im Januar 2014 in den Quaternary Science Reviews erschien (Horton et al.) präsentiert die Gruppe das Ergebnis einer Umfrage unter Fachkollegen in der mögliche Entwicklungen mit Anstiegsbeträge von bis zu 1,20 Metern bis 2100 für möglich gehalten werden. Interessanterweise wagen sich Rahmstorf und Kollegen sogar an Prognosen bis 2300 heran, obwohl diese aufgrund der enormen Unsicherheiten in allen Parametern und Zusammenhängen wohl nicht ganz ernst gemeint sein können. Hier wird über Anstieg von bis zu drei Metern orakelt. Überprüfbar sind weder die Vorhersagen bis 2100, noch die bis 2300. Die Prognostiker werden sich daher nie einer Überprüfung mit der realen Entwicklung zu stellen haben, was eine komfortable Ausgangsposition ist.

Bei Kurz- und Mittelfristprognosen ist dies zum Glück anders. Bei Prognoselaufzeiten von wenigen Jahrzehnten kommt unweigerlich irgendwann der Zeitpunkt der Wahrheit. So sagte der Weltklimarat in seinem ersten Bericht von 1990 bis 2014 einen Meeresspiegelanstieg von 12 Zentimetern voraus. Damals gab es noch keine Satellitenmessungen, so dass die Prognose auf Küstenpegel-Basis erstellt wurde. Das Jahr 2014 ist jetzt gekommen und an den Küstenpegeln ist nur etwa ein Fünftel des prognostizierten Meeresspiegelanstiegs zu verzeichnen. Die Prognose schoss meilenweit über das Ziel hinaus.

Wichtigste Grundlage derartiger Vorhersagen ist ein angenommener Zusammenhang zwischen Temperatur und Meeresspiegel. Da die CO2-Klimasensitivität in diesen Modellen nach IPCC-Manier noch immer stark überschätzt wird, ist auch das hieraus berechnete Meeresspiegelresultat fragwürdig. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass der simplistische Temperatur-Meeresspiegelansatz wohl gar nicht gültig ist, worauf Alberto Boretti von der australischen University of Ballarat bereits im Februar 2012 in einem Artikel im Fachmagazin Coastal Engineering hinwies. Dabei bezog sich Boretti explizit auch auf die Modelle von der Rahmstorf-Gruppe. Aufgrund dieses Defizits zweifelt Boretti die Gültigkeit von Rahmstorfs Langfristprognose an.

Simplistische Modelle lehnt auch ein 18-köpfiges Forscherteam um Jonathan Gregory von der University of Reading ab, das im Juli 2013 im Journal of Climate eine Arbeit herausbrachte, die das Fundament aktueller Langzeitprojektionen anzweifelt. Gregory und Kollegen fanden unter anderem, dass die Gletscher in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ähnlicher Höhe schmolzen wie in der zweiten Hälfte. Ein beschleunigtes Abschmelzen in den letzten Jahrzehnten war nicht festzustellen, obwohl die CO2-Emissionen vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nach oben schnellten. Einen überzeugenden Zusammenhang zwischen dem „globalen Klimawandel“ und der Anstiegsrate des Meeresspiegels konnten die Wissenschaftler nicht entdecken. Meeresspiegelprojektionen, die einen solchen einfachen Zusammenhang annehmen, sind daher laut des Forscherteams mit Skepsis zu begegnen. Hier der entsprechende Auszug aus der Kurzfassung der Arbeit (mit Dank an The Hockey Schtick):

Semiempirical methods for projecting global-mean sea level rise (GMSLR) depend on the existence of a relationship between global climate change and the rate of GMSLR, but the implication of the authors‘ closure of the budget is that such a relationship is weak or absent during the twentieth century.

Wenn man sich auf die diversen Meeresspiegelmodellierungen trotzdem einlässt, so gibt es durchaus auch positive Nachrichten. So sagte ein britisch-italienisches Forscherteam um Giorgio Spada voraus, dass der Meeresspiegel in Europa bis 2100 weniger stark ansteigen wird als in anderen Regionen der Erde. Die Studie erschien im Februar 2013 in den Geophysical Research Letters.

Wem diese Anstiegsszenarien für die kommenden 100 bis 300 Jahre bereits restlos überzeugt haben, der sollte sich vielleicht Gedanken über eine Wohnung in einer schwimmenden Siedlung auf dem Meer machen. Die Welt berichtete am 5. Oktober 2012:

Der Städtebau der Zukunft liegt auf dem Meer
Die Motive für ein Leben auf hoher See sind vielfältig: Flucht vor der Steuer, Abenteurertum oder Angst vor den Auswirkungen des Klimawandels an Land. Sogar Millionenstädte auf dem Meer sind möglich. […] Die Idee, Städte weit draußen auf dem Meer zu bauen, wird vor allem vom „The Seasteading Institut“ (TSI) in San Francisco verbreitet. Der Name leitet sich von „sea“ (Meer) und „homesteading“ (Besiedlung) ab. Es wir indes meist von seasteads gesprochen, was frei übersetzt „Meeresstädte“ bedeutet. Das Institut wurde 2008 gegründet, um die Errichtung autonomer, mobiler Gemeinschaften auf schwimmenden Plattformen in internationalen Gewässern zu erleichtern. Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde es, als der Finanzgründer und PayPal-Teilhaber Peter Thiel sich für die Idee friedlicher, politik- und steuerfreier Städte auf dem Wasser begeisterte.

Weiterlesen au welt.de.

Wussten Sie eigentlich, dass sich der Meeresspiegel global um mehr als 100 Meter unterscheidet? Sehen Sie diesen Beitrag des Bayerischen Rundfunks:

 

Eine gelungene und kurzweilige Einführung in die gängigsten Fragen zur Meeresspiegelmessung gibt es auf Minute Physics:

 

Folgende Seemannsweisheit lässt sich auf jeden Fall auch auf die gerade umschwenkende Klimadiskussion übertragen:

Die Ratte, die das sinkende Schiff verläßt,
ist klüger als der Kaptän, der damit untergeht.
Jonathan Swift (1667-1745)

Damit wollen wir die Artikelserie zum Schwerpunkt Meeresspiegel für diesmal schließen. Falls Sie noch immer nicht genug über das Meer und seine Kapriolen haben, sei Ihnen Alfred Brandenbergers Übersicht zum Thema im Internet-Vademecum empfohlen, wo es Allerlei zu stöbern gibt.

 

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