Was weiß der Papst über unser Klima?

Von Uli Weber

In seiner Enzyklika ‚Laudatio si’ sorgt sich Papst Franziskus um das „gemeinsame Haus“, und damit hat er dem Grunde nach nicht Unrecht. Unter Punkt „I“ seiner Enzyklika behandelt Papst Franziskus Umweltverschmutzung und Klimawandel. Leider beschränkt sich die päpstliche Sicht aber in der Klimafrage auf streng alarmistische Standpunkte. An dieser Stelle seien einige Zitate herausgegriffen:

20. „… Eine mit dem Finanzwesen verknüpfte Technologie, die behauptet, die einzige Lösung der Probleme zu sein, ist in der Tat oft nicht fähig, das Geheimnis der vielfältigen Beziehungen zu sehen, die zwischen den Dingen bestehen, und löst deshalb manchmal ein Problem, indem sie andere schafft.

Diese Aussage gilt aber nicht nur für marktwirtschaftliche Technologien, sondern in noch viel stärkerem Maße für planwirtschaftliche Mechanismen. Denn die mit der Klimarettung verknüpften ökologischen Anstrengungen zur Nutzung von erneuerbaren Energien erzeugen gerade jetzt ganz erhebliche Probleme in der Dritten Welt, die völlig ignoriert werden. Dort werden für unser gutes ökologisches Gefühl nämlich Urwälder gerodet, um Anbauflächen zur Bioethanol-Herstellung für unseren ‚ökologisch wertvollen‘ E10-Kraftstoff zu schaffen.
Hier wäre eine klare Stellungnahme des Papstes zu unserem Öko-Ablasshandel auf Kosten der Dritten Welt durchaus wünschenswert gewesen. Stattdessen wird eine solche aktive Umweltzerstörung pauschal einem angeblichen Klimawandel zugerechnet, der dann wiederum zu Migrationsbewegungen von Klimaflüchtlingen führen soll, Zitat aus der päpstlichen Enzyklika:

25. „…So verursachen die klimatischen Veränderungen zum Beispiel Migrationen von Tieren und Pflanzen, die sich nicht immer anpassen können, und das schädigt wiederum die Produktionsquellen der Ärmsten, die sich ebenfalls genötigt sehen abzuwandern, mit großer Ungewissheit im Hinblick auf ihre Zukunft und die ihrer Kinder…“

Erstmals seit dem Mittelalter sind sich wissenschaftlicher Mainstream und katholische Kirche wieder einig, Zitat aus der Enzyklika:

23. „… doch zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass der größte Teil der globalen Erwärmung der letzten Jahrzehnte auf die starke Konzentration von Treibhausgasen (Kohlendioxid, Methan, Stickstoffoxide und andere) zurückzuführen ist, …  Das wird besonders durch das Entwicklungsmodell gesteigert, das auf dem intensiven Gebrauch fossiler Kraftstoffe basiert, auf den das weltweite Energiesystem ausgerichtet ist …“,

… und beide stimmen mit der Politik überein:

26. „… Darum ist es dringend geboten, politische Programme zu entwickeln, um in den kommenden Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen stark verunreinigenden Gasen drastisch zu reduzieren, … Es gab auch einige Investitionen in Produktionsweisen und Transportarten, die weniger Energie verbrauchen und geringere Mengen an Rohstoff erfordern, sowie in Bauformen oder Arten der Bausanierung, um die Energieeffizienz zu verbessern. Doch diese guten Praktiken haben sich noch lange nicht überall eingebürgert.“

Die hier implizit geforderte Dekarbonisierung der globalen Energieerzeugung kennen wir ja bereits vom G7 Gipfel auf Schloss Elmau und aus dem „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) von 2011. Ebendieser WBGU teilte am 17. Juni 2015 mit, Hans Joachim Schellnhuber, Vorsitzender des WBGU und Direktor des PIK, würde in Rom am 18. Juni 2015 gemeinsam mit Kardinal Turkson die Enzyklika ‚Laudatio si’ von Papst Franziskus vorstellen. Diese Umweltenzyklika erkläre, dass der menschengemachte Klimawandel eine wissenschaftliche Tatsache sei und engagierter Klimaschutz für die Menschheit einen moralischen und religiösen Imperativ darstelle. Verkündet der Papst jetzt ‚ex cathedra‘ klimawissenschaftliche Wahrheiten?

—————————-

Unser Leser Manfred Büchel weist auf einen weiteren wichtigen Punkt in der Enzyklika hin, der sich ganz am Ende des Ersten Kapitels versteckt:

61. In Bezug auf viele konkrete Fragen ist es nicht Sache der Kirche, endgültige Vorschläge zu unterbreiten, und sie versteht, dass sie zu­hören und die ehrliche Debatte zwischen den Wissenschaftlern fördern muss, indem sie die Unterschiedlichkeit der Meinungen respektiert.

Manfred Büchel sieht sich aber außer Stande diesem Satz Glauben zu schenken.

—————————-

Uli Weber hat sich mittlerweile weiter durch die Enzyklika gekämpft und zusätzliche beunruhigende Aspekte gefunden. Absatz 60 bereitet den oben genannten Absatz 61 vor und lässt ihn in einem anderen Lichte erscheinen:

VII. DIE UNTERSCHIEDLICHKEIT DER MEINUNGEN

60. Schließlich erkennen wir an, dass sich in Bezug auf die Situation und die möglichen Lösungen unterschiedliche Sichtweisen und gedankliche Richtungen entwickelt haben. Im einen Extrem vertreten einige um jeden Preis den Mythos des Fortschritts und behaupten, dass sich die ökologischen Probleme einfach mit neuen technischen Programmen lösen werden, ohne ethische Bedenken und grundlegende Änderungen. Im anderen Extrem ist man der Meinung, der Mensch könne mit jedem seiner Eingriffe nur eine Bedrohung sein und das weltweite Ökosystem beeinträchtigen. Deshalb sei es angebracht, seine Präsenz auf dem Planeten zu reduzieren und ihm jede Art von Eingriff zu verbieten. Zwischen diesen beiden Extremen müssten mögliche zukünftige Szenerien erdacht werden, denn es gibt nicht nur einen einzigen Lösungsweg. Das würde Anlass zu verschiedenen Beiträgen geben, die in Dialog treten könnten im Hinblick auf ganzheitliche Antworten.

Es geht hier also um den Austausch zwischen den Positionen extremer Fortschrittsgläubigkeit, wobei der Begriff „ohne ethische Bedenken“ offenbar einen Bezug zur Gentechnik/Massentierhaltung herstellen will, und den ökologischen Befürwortern eines globalen Morgenthauplans (= seine [des Menschen] Präsenz auf dem Planeten zu reduzieren).

Die sogenannten Klimarealisten, die lediglich Zweifel an Art und Umfang des menschlichen Klimabeitrags äußern und sich in ihrer Mehrheit ebenfalls Sorgen um die Ressourcen unseres Planeten machen, kommen im Absatz 60 also gar nicht vor. Ergo können sie im Absatz 61 auch gar nicht gemeint sein, wo es um die „ehrliche Debatte“ zwischen Extremisten geht. Nach den in der Anlage zitierten Äußerungen von Prof. Schellnhuber durften die Klimarealisten bei der Diskussion im Vatikan über die Erkenntnisse der Klimawissenschaft noch nicht einmal ihre Position darstellen – übrigens ein schönes Beispiel für das Verständnis von wissenschaftlicher Freiheit und die „ehrliche Debatte zwischen den Wissenschaftlern…, indem sie die Unterschiedlichkeit der Meinungen respektiert.Bleibt die Frage: Verkündet der Papst jetzt ‚ex cathedra‘ klimawissenschaftliche Wahrheiten?

Bei der Recherche ergaben sich weitere Auffälligkeiten, die auch das Demokratieverständnis der päpstlichen Enzyklika bemerkenswert (meine Hervorhebungen) erscheinen lassen – der WBGU mit seinem „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ lässt grüßen:

175. Die gleiche Logik, die es erschwert, drastische Entscheidungen zur Umkehrung der Tendenz zur Erderwärmung zu treffen, unterbindet auch die Verwirklichung des Ziels, die Armut auszurotten. Wir brauchen eine verantwortlichere weltweite Reaktion, die darin besteht, gleichzeitig sowohl die Reduzierung der Umweltverschmutzung als auch die Entwicklung der armen Länder und Regionen in Angriff zu nehmen. Während das 21. Jahrhundert ein Regierungssystem vergangener Zeiten beibehält, ist es Schauplatz eines Machtschwunds der Nationalstaaten, vor allem weil die Dimension von Wirtschaft und

Finanzen, die transnationalen Charakter besitzt, tendenziell die Vorherrschaft über die Politik gewinnt. In diesem Kontext wird es unerlässlich, stärkere und wirkkräftig organisierte

internationale Institutionen zu entwickeln, die Befugnisse haben, die durch Vereinbarung unter den nationalen Regierungen gerecht bestimmt werden, und mit der Macht ausgestattet sind, Sanktionen zu verhängen.

Das demokratische System wird in der Enzyklika also offen als „Regierungssystem vergangener Zeiten“ bezeichnet. Die dort implizit formulierte Forderung nach „transnationalen“ Institutionen, die „mit der Macht ausgestattet sind, Sanktionen zu verhängen“, erinnert in der Aussage sehr stark an manche alarmistischen Forderungen nach einer diktatorischen „Weltregierung“, weil angeblich demokratische Systeme den Klimawandel nicht aufhalten könnten…

Frage: Wenn wir also demnächst eine Heilige Katholische Klima-Inquisition haben, wer wird dann Großinquisitor?

 

Teilen: