Waldbrände im europäischen Mittelmeerraum sind in den letzten 30 Jahren seltener und kleiner geworden

In Südwesteuropa lodern zur Zeit Waldbrände und legen große Waldgebiete in Schutt und Asche. Insbesondere die Eukalyptus-Plantagen fackeln ab wie Zunder. Auf der spanischen Kanareninsel hat ein Deutscher das Feuer fahrlässig verursacht. Bild berichtete am 10. August 2016:

La Palma in Brand gesteckt: Deutscher Klopapier-Zündler war ein Hunde-Beißer!
Die Geschichte um Aussteiger Scott S. (27), der auf der La Palma Klopapier angezündet hatte und dadurch einen Teil der Kanaren-Insel abfackelte, wird immer irrer! Der Deutsche, der vor fünf Jahren ausgewandert war, sorgte bereits Anfang des Jahres für Schlagzeilen – weil er einen Hund gebissen hatte!

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Am selben Tag brachte schwaebische.de ein lesenswertes Interview mit dem Wissenschaftler Johann G. Goldammer zu den Waldbränden in Südeuropa:

Schwaebische.de: Wie problematisch sind Waldbrände wie sie derzeit wüten?

Goldammer: Auf den kanarischen Inseln ist das Feuer nichts ungewöhnliches. Dort gibt es eine Kieferart, die sich den Feuern anpasst und danach auch noch austreiben kann. Jetzt ist allerdings eine sehr große Fläche auf La Palma zerstört, mit Stabilität der Wald-Ökosysteme wird es so problematisch. Ein Problem dort ist, dass die Siedlungen direkt an den Wald grenzen. Das gilt gleichermaßen für Portugal. Und dort werden auch gerade sehr die Eukalyptus-Aufforstungen diskutiert. Wenn Sie vor 50 Jahren diese Landschaft besucht hätten, dann hätten Sie gesehen, dass da gar kein Wald ist. Das waren traditionelle Landwirtschaftsgebiete. Die Landflucht hat dazu geführt, dass diese Flächen verwildern. Dort ist einfach kein Mensch. Jetzt ist diese Landschaft plötzlich brennbar. Da fragt man sich, in welche Situation sich die Gesellschaft selbst manövriert hat. Das Problem ist absolut selbst geschaffen.

Ganzes Interview auf schwaebische.de lesen.

Passgenau zum Thema erschien im März 2016 in PLOS One eine neue Arbeit eines Teams um Marco Turco, in dem die Wissenschaftler das deutliche Ergebnis sogar in den Titel schrieben: Im europäischen Mittelmerrraum hat die verbrannte Fläche und Anzahl von Bränden in den letzten knapp 30 Jahren abgenommen. Nur in Portugal zappeln die Daten ein wenig stärker. Die allgemeine Abnahme der Waldbrände führen die Forscher auf verbesserte Feuerbekämpfungsvorkehrungen zurück. Lokale Anstiege interpretieren Turco und Kollegen als Folge „gefährlicherer Landschafts-Konfigurationen“, was vermutlich als Eukalyptus und Bauen in Waldnähe übersetzt werden kann. Die Klimaerwärmung wird ebenfalls kurz genannt, allerdings mit untergeordneter Bedeutung.

Im Folgenden der Abstract der wichtigen Studie:

Decreasing Fires in Mediterranean Europe

Forest fires are a serious environmental hazard in southern Europe. Quantitative assessment of recent trends in fire statistics is important for assessing the possible shifts induced by climate and other environmental/socioeconomic changes in this area. Here we analyse recent fire trends in Portugal, Spain, southern France, Italy and Greece, building on a homogenized fire database integrating official fire statistics provided by several national/EU agencies. During the period 1985-2011, the total annual burned area (BA) displayed a general decreasing trend, with the exception of Portugal, where a heterogeneous signal was found. Considering all countries globally, we found that BA decreased by about 3020 km2 over the 27-year-long study period (i.e. about -66% of the mean historical value). These results are consistent with those obtained on longer time scales when data were available, also yielding predominantly negative trends in Spain and France (1974-2011) and a mixed trend in Portugal (1980-2011). Similar overall results were found for the annual number of fires (NF), which globally decreased by about 12600 in the study period (about -59%), except for Spain where, excluding the provinces along the Mediterranean coast, an upward trend was found for the longer period. We argue that the negative trends can be explained, at least in part, by an increased effort in fire management and prevention after the big fires of the 1980’s, while positive trends may be related to recent socioeconomic transformations leading to more hazardous landscape configurations, as well as to the observed warming of recent decades. We stress the importance of fire data homogenization prior to analysis, in order to alleviate spurious effects associated with non-stationarities in the data due to temporal variations in fire detection efforts.

Bereits am 3. Mai 2016 hatte das Karslruher Institut für Technologie (KIT) eine interessante Pressemitteilung zur globalen Entwicklung von Waldbränden herausgegeben:

Flächenbrände: Je mehr Mensch, desto weniger Feuer

Wissenschaftler des KIT sowie aus Schweden und Amerika zeigen, dass der Einfluss der demografischen Entwicklung auf Feuer in Ökosystemen genauso stark ist wie der des Klimawandels

Jährlich verbrennen weltweit etwa 350 Millionen Hektar Landoberfläche – das entspricht der Größe von Indien. Im Hinblick auf gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden sind genaue Prognosen über die zukünftige Entwicklung von Feuern von großer Bedeutung. Frühere Untersuchungen nennen in diesem Zusammenhang oft den Klimawandel als wichtigsten Faktor. Dass die Bevölkerungsentwicklung jedoch mindestens genauso viel Einfluss nimmt, konnte nun eine Forschergruppe mit Beteiligung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zeigen. Die Ergebnisse stellten sie im Fachblatt Nature Climate Change vor (dx.doi.org/10.1038/nclimate2999 ) [Knorr et al. 2016].

Feuer in Wäldern und Savannen sind für viele natürliche Ökosysteme essentiell: So tragen sie beispielsweise zur natürlichen Verjüngung und Biodiversität von Wäldern bei. Allerdings setzen sie auch große Mengen Luftschadstoffe frei, wie etwa Rußpartikel oder Ozon. „In einer zukünftig wärmeren, und häufig auch trockeneren Welt wird das Brandrisiko noch weiter ansteigen“, sagt Almut Arneth, Professorin am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung des KIT. „Dadurch erhöht sich das Schadensrisiko für den Menschen.“ Wie sich Wald- und Savannenbrände zukünftig entwickeln und ausbreiten, haben die Umweltforscherin und ihre Kollegen der schwedischen Universität Lund sowie des amerikanischen National Center for Atmospheric Research in Colorado untersucht. In der globalen Modellstudie berücksichtigten sie dabei, welche Auswirkungen Faktoren wie Klimawandel oder Vegetationswachstum, aber auch der Mensch haben könnten. Als Grundlage nutzten die Wissenschaftler Satellitenaufnahmen von Flächenbränden, beginnend im Jahr 1997. Diese verknüpften sie mit Computersimulationen über die Entwicklung der Vegetation weltweit in Folge von Klimaveränderungen. Außerdem berücksichtigten sie verschiedene Szenarien aus globalen Klimamodellen sowie der länderspezifischen Bevölkerungsentwicklung.

Dabei zeigte sich ein komplexeres Bild, als die Forscher angenommen hatten: „Bisher gingen wir davon aus, dass der Klimawandel die Anzahl der Flächenbrände erhöht“, so Arneth. „In weiten Teilen der Welt hat die Größe der verbrannten Flächen über das vergangene Jahrhundert jedoch nicht zu- sondern abgenommen.“ Simulationen, die ausschließlich den Einfluss des Klimawandels abbildeten, zeigten allerdings, dass es zukünftig mehr Feuer weltweit geben wird: Vor allem in Nordamerika, Südeuropa, Zentralasien und in großen Teilen Südamerikas verstärkt der Klimawandel Flächenbrände. „Die Ursache für den Rückgang der Feuer musste also eine andere sein. Als wir die Modelle um demografische Faktoren erweiterten, dämpfte das die Folgen des Klimawandels stark ab“, erklärt Arneth. Das liege daran, dass der Mensch Flächenbrände weitestgehend unterdrücke, zum Beispiel durch das aktive Löschen von Bränden oder durch die „Fragmentierung“ der Landschaft: So bremsen etwa Straßen oder Felder die Ausbreitung von Waldbränden. Mit steigender Bevölkerungsdichte sinke demnach die Anzahl der Feuer. In Zukunft bremse die wachsende Bevölkerung sowie die Erschließung ländlicher Flächen als Lebensraum die Entstehung von Flächenbränden, vor allem in Afrika sowie Teilen Asiens und Südamerikas.

Dies heiße aber nicht, so Arneth, dass zukünftig das Brandrisiko für Mensch und Umwelt sinkt: So entstehen beispielsweise immer mehr Siedlungsgebiete in feueranfälligen Regionen. In diesen Gebieten sei dann schlicht aufgrund der wachsenden Bevölkerungsdichte das Risiko höher, durch Feuer Schäden zu erleiden. Genauso begünstige eine niedrige Population das Entstehen von Feuern: „Ländliche Gebiete, die durch den Umzug der Bevölkerung in Städte verlassen sind, werden wieder anfälliger für Flächenbrände werden“, so Arneth. Die Ergebnisse können vor allem dazu beitragen, zukünftige Feuerrisiken besser abzuschätzen, um Feuermanagementstrategien zu verbessern: „Raumplanung und Klimapolitik müssen eng miteinander verbunden sein. Mit einer sorgfältigen Planung und einem bewussten Umgang mit der Landoberfläche, kann das Risiko für Flächenbrände verringert werden.“

Im selben Monat gab die walisische Swansea University am 25. Mai 2016 eine Pressemitteilung mit ähnlicher Stoßrichtung heraus:

Wildfire: misconceptions about trends and impacts revealed in new research

A new analysis of global data related to wildfire, published by the Royal Society, reveals major misconceptions about wildfire and its social and economic impacts. Prof. Stefan Doerr and Dr Cristina Santin from Swansea University’s College of Science carried out a detailed analysis of global and regional data on fire occurrence, severity and its impacts on society. Their research, published in Philosophical Transactions of the Royal Society B, examined a wide range of published data arising from satellite imagery, charcoal records in sediments and isotope-ratio records in ice cores, to build up a picture of wildfire in the recent and more distant past.

In contrast to what is widely portrayed in the literature and media reports, they found that:

  • global area burned has seen an overall slight decline over past decades, despite some notable regional increases. Currently, around 4% of the global land surface is affected by vegetation fires each year;
  • there is increasing evidence that there is less fire in the global landscape today than centuries ago;
  • direct fatalities from fire and economic losses also show no clear trends over the past three decades

The researchers conclude: “The data available to date do not support a general increase in area burned or in fire severity for many regions of the world.   Indeed there is increasing evidence that there is overall less fire in the landscape today than there has been centuries ago, although the magnitude of this reduction still needs to be examined in more detail.”

Notwithstanding the serious impacts on society that emerge when fires occur close to populated areas, as exemplified so dramatically by the un-seasonally early wildfires in Canada this spring that led to the successful evacuation of an entire town of 80,000 inhabitants, the researchers find that the risk of direct death from fire for the population as a whole is relatively low compared with other natural hazards.

Global deaths 1901-2014

•    wildfire             3,753
•    earthquakes     2.5 million
•    floods                7 million

Data from EM-DAT, emergency events database

The researchers, however, also warn about the serious implications of climate change, land use changes and increasing population density in the so called wildland-urban interface. For instance, climate change has already led to a lengthening of the fire season in parts of North America and is likely to increase fire occurrence and severity in many regions of the globe including the UK.

They note: “The warming climate, which is predicted to result in more severe fire weather in many regions of the globe in this century, will probably contribute further to both perceived and actual risks to lives, health and infrastructure.  Therefore the need for human societies to coexist with fire will continue, and may increase in the future.”

Prof. Stefan Doerr of Swansea University, who is also the Editor-in-Chief of the International Journal of Wildland Fire, explained: “Large scale land use changes are increasingly exposing non-fire adapted landscapes such as tropical peatlands to serious damage by fire”.  

Dr Cristina Santin, a biologist at Swansea University, whose research also focuses on the impact of fires on the carbon cycle, added: “Fire is a fundamental natural ecological agent in many of our ecosystems and only a ‘problem’ where we choose to inhabit these fire-prone regions or when we humans introduce it to non-fire-adapted ecosystems”.

In the synthesis the experts highlight the often fundamental, complex and inevitable role that fire has in both ‘natural’ and ‘man-made’ environments. They argue that the ‘wildfire problem’ is essentially more a social than a natural one and that we need to move towards a more sustainable co-existence with fire. This requires a balanced and informed understanding of the realities of wildfire occurrence and its effects.

Kurzer Routine-Check: Wer hat über diese drei spannenden Studien medial berichtet?

Mittelmeerstudie: Hier hat offenbar niemand im deutschsprachigen Raum bisher berichtet, trotz des aktuellen Bezugs. Ein Fall für das „Schweigen im Wald“

Karlsruher Studie: Hier gab es Berichte in Lokalmedien (regio-news.de, Baden TV) sowie eine kurze Erwähnung im Tagesspiegel. Die meisten Zeitungen und Sender haben die unbequeme Studie ignoriert.

Swansea-Studie: Hier ist Spiegel Online dankenswertweise eingestiegen.

 

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