Technische Universität München mit überraschendem Ergebnis: Bäume treiben trotz Klimaerwärmung nicht noch früher aus

Ein heißer Sommer, schon war es der Klimawandel. Die Welt baute am 28. August 201 eine dramatische Geschichte draus und fragt natürlich – wen sonst – das PIK:

So wirkt sich der Klimawandel auf Deutschland aus
Im Sommer hielten Hitze und Gewitter das Land in Atem. Weinreben und Bäume sind im Stress, denn der Boden ist teilweise so trocken wie seit 50 Jahren nicht. Müssen wir uns dauerhaft darauf einstellen?
Über 40 Grad Hitze, wochenlange Dürre, Unwetter mit Regensturzfluten – im Sommer 2015 hat Deutschland all das erlebt. Sieht so der Klimawandel aus? „Es passt ins Bild“, sagt Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Allmählich nervt die Klimarhetorik. Die Floskel „Es passt ins Bild“ ist offizieller Klima-Sprech und soll heißen: „Wir können nicht beweisen, dass dieser heiße Somer eine Folge des Klimawandels ist. Aber es würde in unsere alarmistischen Modelle passen.“ Zu gerne würden wir mal in die Klimarhetorik-Fibel schauen, aber die wird sorgfältig von den Instituten unter Verschluss gehalten. Die Formulierungen sind mühsam ausgetüftelt, versuchen Fehler der Vergangenheit zu vermeiden.

Dann geht es um eines der Lieblingsthemen: Die zeitliche Vorverlegung von Vegetationsereignissen:

Seit Jahren wird im hessischen Rheingau mit seinen berühmten Riesling-Weinbaulagen ein Temperaturanstieg gemessen. Die Reben treiben früher aus, auch die Lese im Herbst beginnt früher, wie aus jahrzehntealten Aufzeichnungen des Weinbauamts Eltville und der Außenstelle Geisenheim des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hervorgeht. Der Austrieb der Reben beginnt danach inzwischen rund zehn Tage früher als vor 60 Jahren.

Auch diese Masche wird irgendwann ins Auge gehen. Denn wenn erstmal herauskommt, dass die Weinreben zur Zeit der Mittelalterlichen Wärmeperiode vor 1000 Jahren sogar noch früher ausgetrieben sind, wirds peinlich. Bei den Bäumen, zum Beipiel, hat es kürzlich einen herben Rückschlag gegeben. Sie wollen sich nicht von der Klimakatastrophe vereinnahmen lassen und machen einfach ihr eigenes Ding. Trotz Klimaerwärmung treiben Bäume nicht noch früher aus. Die Technische Universität München vermeldete am 29. September 2015 per Pressemitteilung Überraschendes:

Temperaturempfindlichkeit von Pflanzen auf Klimawandel nimmt ab:
Bäume treiben trotz Klimaerwärmung nicht noch früher aus

Der Mechanismus, dass Blätter aufgrund des veränderten Klimas früher austreiben, hat sich seit den 80er-Jahren abgeschwächt. Dies ist das Ergebnis einer kürzlich in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Studie, an der auch Professorin Annette Menzel vom Fachgebiet für Ökoklimatologie der TU München beteiligt war. Die abnehmende Temperaturempfindlichkeit der Pflanzen könnte das Potenzial von Wäldern reduzieren, mehr Kohlenstoff zu binden als dies heute der Fall ist.

Eine verfrühte Blattentfaltung im Frühling ist eine häufig beobachtete Reaktion von Pflanzen auf die Klimaerwärmung. Um ihre Winterruhe (Dormanz) zu durchbrechen, brauchen viele Laubbaumarten einen Kältereiz, was auch „chilling“ genannt wird. Da sich durch den Klimawandel die Kältereize jedoch verringert haben, ist auch die verfrühte Blattentfaltung rückläufig. Bisher konnte dies allerdings nur sehr begrenzt empirisch nachgewiesen werden.

Um herauszufinden, ob die warmen Winter bereits die Verfrühung der Frühlingsphänologie abgeschwächt haben, hat ein internationales Forscherteam mit Wissenschaftlern aus China, Belgien, Frankreich, Spanien, der Schweiz und Deutschland den veränderten Zeitpunkt der Blattentfaltung aufgrund der Klimaerwärmung untersucht. Dazu wurden an 1.245 Standorten in Mitteleuropa Langzeitbeobachtungen für sieben in Europa vorherrschende Baumarten durchgeführt wie etwa Buche, Eiche, Esche, Linde oder Birke.

Früherer Blattaustrieb ging um 40 Prozent zurück

Diese Analysen haben ergeben, dass der Blattaustrieb zwischen 1980 und 1984 durchschnittlich um vier Tage je Grad Celsius Anstieg der Frühlingstemperatur früher erfolgte. Dieser Wert ist zwischen 1999 und 2013 auf 2,3 Tage je Grad Celsius gesunken – was einem Rückgang um über 40 Prozent entspricht.

„Dass die Bäume weniger stark auf den Klimawandel reagieren, hängt wahrscheinlich mit wärmeren Wintermonaten zusammen“, erläutert Yongshuo H. Fu von der Universität in Peking, Erstautor der Studie. Denn Kälte zögert normalerweise das Ende der biologischen Ruhephase (Dormanz) hinaus. „Allerdings können wir photoperiodische Effekte und die Strahlung der Sonne als ebenfalls beteiligte Mechanismen nicht vollständig ausschließen“, sagt Yongshuo H. Fu – „diese beiden Einflüsse könnten auch zu limitierenden Faktoren werden, wenn der Blattaustrieb im Frühjahr zu früh einsetzt.”

Die Studie liefert den ersten groß angelegten empirischen Nachweis, dass der zunächst festgestellte zu frühe Blattaustrieb wegen der Klimaerwärmung bei ausgewachsenen Bäumen in Mitteleuropa abnimmt. „Die europäische Phänologiedatenbank PEP725 bot eine perfekte Ausgangsbasis, um aufzuzeigen, dass eine starke Wintererwärmung den verfrühten Blattaustrieb künftig abschwächen könnte“, sagt Annette Menzel, Professur für Ökoklimatologie an der Technischen Universität in München.

Wälder können bei verfrühtem Blattaustrieb weniger Kohlenstoff binden

Je nachdem, in welchem Entwicklungsstadium eine Pflanze steckt, beeinflusst das ihre Kohlenstoffaufnahme. Ebenso ist davon der Wasserhaushalt von Ökosystemen abhängig. Daher kann der Zeitpunkt des Blattaustriebs das Potenzial von Wäldern reduzieren, mehr Kohlenstoff zu binden als dies heute der Fall ist.

Letztendlich könnte sich dies aber ebenso vorteilhaft auf Bäume auswirken, weil so das Risiko von Frostschäden im Spätfrühling reduziert werde, wenn in Zukunft – so die Prognosen – die klimatischen Extremereignisse zunehmen.

Publikation:
Yongshuo H. Fu, Hongfang Zhao, Shilong Piao, Marc Peaucelle, Shushi Peng, Guiyun Zhou, Philippe Ciais, Mengtian Huang, Annette Menzel, Josep Peñuelas, Yang Song, Yann Vitasse, Zhenzhong Zeng and Ivan A. Janssens: ‚Declining global warming effects on the phenology of spring leaf unfolding‘, Nature 23.9.2015. 

 

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