Pünktlich zum UN-Klimafest in Doha: Neuer Alarm aus Potsdam

Am 28.11.2012 gab das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) eine Pressemitteilung mit dem Titel „Projektionen zum Meeresspiegelanstieg könnten unterschätzt worden sein“ heraus. Natürlich ist es purer Zufall, dass dies genau in die Sitzungswochen der UN-Klimakonferenz in Doha fällt. Es geht um ein neues Paper, dass einen Tag zuvor in den Environmental Research Letters erschienen ist. Dies ist ein Open Access Journal, so dass das pdf frei herunterladbar ist.

Schauen wir kurz in die PIK-Pressmitteilung hinein:

Während die globale Mitteltemperatur in den letzten Dekaden in einer Geschwindigkeit zugenommen hat, die gut mit den Projektionen des Weltklimarats übereinstimmt, ist der Meeresspiegel schneller angestiegen als vorhergesagt. Das geht aus einer Studie hervor, die jetzt im Fachjournal Environmental Research Letters veröffentlicht wurde. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Kollegen vergleichen darin für den Zeitraum zwischen 1990 und 2011 Projektionen mit tatsächlichen Messdaten. Der schnellere Anstieg des Meeresspiegels könnte darauf hinweisen, dass auch für die Zukunft die Berechnungen vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu niedrig sind, so die Wissenschaftler.

Verwundert kratzt man sich am Kopf. Wie bitte? Die Erwärmung schreitet genau so voran, wie in den IPCC-Berichten vorhergesagt? Hatten nicht die IPCC Berichte von 2001 und 2007 eine Erwärmung von fast zwei Zehntel Grad prognostiziert, wohingegen sich die Natur seit 16 Jahren standhaft weigert, sich weiter zu erwärmen? (siehe unseren Blogbeitrag „Neue HadCRUT-Daten belegen: Globale Temperatur seit 16 Jahren nicht mehr angestiegen„). Warum wird die allseits bekannte und für die Modellierer problematische Erwärmungspause mit keinem Wort erwähnt? Sollte den Journalisten hier möglicherweise bewusst eine wichtige Zusatzinformation vorenthalten werden? Ist dies die neue Wissenschaftsethik?

Lesen wir weiter im PIK-Text:

„Die globale Temperatur steigt weiterhin in der Geschwindigkeit, die in den letzten zwei Sachstandsberichten des IPCC prognostiziert wurde. Das zeigt erneut, dass die Erwärmung sich nicht verlangsamt hat oder hinter den Projektionen zurückbleibt“, sagt Rahmstorf.

Diese Aussage passt so gar nicht mit den realen Messwerten zusammen. Stefan Rahmstorfs Studiengruppe steht mit ihrer Einschätzung in der Wissenschaft mittlerweile auch ziemlich allein da. Gerade erst erschienen zum Problem der Erwärmungspause zwei neue wissenschaftliche Studien, welche die Klimamodelle zu recht für die fehlende Vorhersagekraft kritisieren:

Noch schlimmer ist jedoch die neuerliche Meeresspiegel-Warnung der Rahmstorf-Truppe. Aus der PIK-Pressemitteilung:

Die Analyse der Daten zum Meeresspiegelanstieg ergab dagegen ein anderes Bild. Wie die neue Studie zeigt, steigen die Ozeane 60 Prozent schneller als nach der mittleren Prognose des Weltklimarats in seinen beiden letzten Sachstandsberichten. Die Forscher verglichen diese früheren Vorhersagen mit Satellitenmessungen des Meeresspiegelanstiegs. „Satelliten haben global eine deutlich bessere Abdeckung als Pegelstationen und können durch die Nutzung von Radarwellen und ihrer Reflektion von der Meeresoberfläche den Anstieg exakt messen“, sagt Anny Cazenave von LEGOS. Während der IPCC einen Meeresspiegelanstieg mit 2 mm pro Jahr ab dem Jahr 1990 prognostizierte, zeichneten Satellitendaten einen Anstieg von 3,2 mm pro Jahr auf.

Das kann doch nicht sein. Wer sich ein bisschen in der Materie auskennt weiß, dass der Meeresspiegelanstieg seit Jahren vor sich hindümpelt und der reale Anstieg absolut nicht zur Nährung von Schreckensszenarien taugt. Wir haben an dieser Stelle mehrfach darüber berichtet (siehe zum Beispiel unsere Blogbeiträge „Überraschung: Meeresspiegelanstieg hat sich in den letzten Jahren verlangsamt“ und „Beschleunigte Meeresspiegelanstiege gehören schleunigst in die Mottenkiste„). Ulli Kulke bringt es in seinem Beitrag „Falscher Klima-Alarm um einen alten Hut“ im Welt-Blog Donner + Doria auf den Punkt:

Falscher Klima-Alarm um einen alten Hut: Steigt der Meeresspiegel um 60 Prozent höher als bisher angenommen? Da hat einer seine eigenen Daten von gestern vergessen. […] Der Meeresspiegel steigt. Mit saisonalen Schwankungen. Hochsaison ist immer dann, wenn die jährliche Weltklimakonferenz Ende November tagt. Deshalb meldet Stefan Rahmstorf, führender Forscher am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) jetzt an die Agenturen: Seine neuesten Erkenntnisse hätten ergeben, dass der Spiegel um 60 Prozent schneller angestiegen sei als der Weltklimarat IPCC dies noch im seinem letzten Sachstandsbericht 2007 konstatiert habe. Nach Satellitenmessungen habe die Erhöhung seit 1990 im Jahresdurchschnitt 3,2 Millimeter betragen, und nicht nur zwei Millimeter wie vom IPPC angenommen.. […]

Zitat: “Satellitenmessungen zeigen für den Zeitraum 1993-2003 einen Anstieg um 3,1 mm/Jahr – berücksichtigt man die neuesten Daten bis 2006, sogar um 3,3 mm/Jahr.” Autor dieses Zitates: Stefan Rahmstorf. Erschienen in: UN-Weltklimareport (2007). Ist ja auch schon lange her. Und es standen damals so viele Daten in dem dicken Buch. Auch über den Meeresspiegel, manche waren höher, manche niedriger. Aber Rahmstorf, der Meeresforscher, war Lead Author in jenem Weltklimareport. Zumindest für ihn sollten diese Daten deshalb eigentlich nicht neu sein. Prognostiziert wurde damals in dem Bericht ein Anstieg für das laufende Jahrhundert zwischen 18 und 59 Zentimeter.

Alarm, Alarm. Wir steigern das Datenwachstum. Oder, um mit Honecker zu reden: Höher immer, runter nimmer!
(weiterlesen auf Donna + Doria)

In späteren Jahren wird zu studieren sein, weshalb viele Medien den PIK-Klimaalarm regelmäßig unkritisch, ohne inhaltliche Überprüfung einfach so nachdrucken. Entsprechende Berichte in der Frankfurter Rundschau, Zeit Online, ntv, Süddeutsche Zeitung, web.de, Krone, scinexx, solarportal24, Tagesanzeiger lesen sich wie die Hofberichterstattung aus vergangenen Jahrhunderten. Der Herr König hat gesprochen. Und er hat immer recht. Eine Ausnahme macht übrigens das Wochenmagazin Focus. Der Erwärmungsstop wird hier offen thematisiert und die Diskrepanz mit den Klimamodellen kritisiert.

Ein viel ergiebigeres Medienthema wäre übrigens, warum die real am Boden gemessenen Küstenpegel nur etwa zwei Drittel des per Satellit gemessenen Meeresspiegelanstiegs bestätigen können. Ist es nur Zufall, dass die Satellitenwerte just in dem Moment in die Höhe schnellten, als ein neuer „Korrekturfaktor“ bei den Satelliten eingeführt wurde (siehe „Nachträgliche Korrekturen der Satelliten-Meeresspiegeldaten: Was nicht passt wird passend gemacht?“)? Warum will der Senat von North Carolina dem Rahmstorfschen Klimaalarm nicht folgen? (siehe „Senat von North Carolina erteilt Rahmstorfs beschleunigtem Meeresspiegel eine Absage„). Es gäbe so viele spannende Themen. Der deutsche Wissenschaftsjournalismus hat ein ernsthaftes Qualitäts-Problem. Ein Aufruf an alle Journalisten-Schulen: Bitte nehmen Sie das Fach „Fact-Checking“ wieder in Ihren Lehrplan auf. Danke.

 

Siehe auch Beitrag auf WUWT.
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