Langfristiger Abkühlungstrend Nordeuropas über die letzten Jahrtausende erstmals präzise berechnet: Temperaturen zur Römerzeit und im Mittelalter wurden bis dato als zu kühl eingeschätzt

Am 8. Juli 2012 erschien im Fachmagazin Nature Climate Change eine neue Arbeit zur vorindustriellen Temperaturgeschichte Nordeuropas der vergangenen 2000 Jahre. Die Ergebnisse sind in der folgenden Pressemitteilung der Johannes Gutenberg Universität Mainz schön zusammengefasst:

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Klima in Nordeuropa während der letzten 2.000 Jahre rekonstruiert: Abkühlungstrend erstmalig präzise berechnet

Berechnungen der Mainzer Wissenschaftler beeinflussen auch die Beurteilung des aktuellen Klimawandels / Veröffentlichung in Nature Climate Change

Eine 2.000-jährige Klimarekonstruktion für Nordeuropa anhand von Baumjahrringen hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) vorgestellt. Die Gruppe um Univ.-Prof. Dr. Jan Esper vom Geographischen Institut der JGU kombinierte die Jahrringdichtemessungen fossiler Kiefernbäume aus dem finnischen Lappland zu einer Zeitreihe, die bis in das Jahr 138 v.Chr. zurückreicht. Dabei haben die Wissenschaftler erstmalig einen langfristigen Abkühlungstrend über die letzten Jahrtausende präzise berechnet. „Wir haben festgestellt, dass die historischen Temperaturen zur Römerzeit und im Mittelalter bis dato als zu kühl eingeschätzt wurden“, so Professor Esper. „Diese Befunde sind auch insofern von klimapolitischer Bedeutung, da sie die Beurteilung des aktuellen Klimawandels im Vergleich zu den historischen Warmphasen beeinflussen.“ Die neue Studie ist in der Zeitschrift Nature Climate Change erschienen.

War das Klima zur Römerzeit oder im Hochmittelalter wärmer als heute? Und welche Bedeutung haben diese frühen Warmzeiten für die Einschätzung des globalen Klimawandels, wie wir ihn heute kennen? Diese Fragen versucht die Paläoklimatologie zu klären: Wissenschaftler werten indirekte Klimazeugen wie Eisbohrkerne oder Seesedimente aus, um das Klima der Vergangenheit zu rekonstruieren. Für die letzten 1.000 bis 2.000 Jahre sind die wichtigsten Klimazeugen die Bäume, deren Jahrringe Informationen über kalte und warme Bedingungen speichern.

Für ihre Studie verwendeten die Forscher aus Deutschland, Finnland, Schottland und der Schweiz Messungen der Holzdichte von Bäumen aus dem finnischen Teil Lapplands. In dieser großflächigen und kalten, vorwiegend aus Gewässern und Wald bestehenden Landschaft fallen immer wieder Bäume in einen der zahlreichen Seen und bleiben dort über Jahrtausende sehr gut erhalten.

Das internationale Forscherteam kombinierte die Jahrringdichtemessungen dieser fossilen Kiefernbäume zu einer Zeitreihe zurück bis in das Jahr 138 v. Chr.. Die Messungen der Holzdichte korrelieren sehr gut mit den Sommertemperaturen in diesem Raum nahe der nordischen Waldgrenze; den Forschern gelang es daher, eine Temperaturrekonstruktion von bisher unerreichter Qualität zu erstellen. Diese Rekonstruktion zeigt nun in hoher Auflösung die Wärmebedingungen zur Römerzeit und im Hochmittelalter, aber auch die Kältephasen zur Zeit der Völkerwanderung oder der späteren kleinen Eiszeit.

Die neue Klimakurve zeigt neben diesen Kalt- und Warmphasen aber noch ein Phänomen, mit dem in dieser Form nicht zu rechnen war. Erstmalig konnten die Forscher anhand der Baumjahrringe einen viel längerfristigen Abkühlungstrend, der sich kontinuierlich über die letzten 2.000 Jahre abspielte, präzise berechnen. Auf Grundlage der neuen Befunde macht dieser Trend, der durch langsame Veränderungen des Sonnenstandes aber auch der Distanz der Erde zur Sonne verursacht wurde, ein Abkühlung von -0.3°C pro Jahrtausend aus.

„Eigentlich erscheint diese Zahl nicht sonderlich imposant“, so Professor Esper, „allerdings ist sie im Vergleich zur globalen Erwärmung, die bis heute auch weniger als 1°C beträgt, nicht zu vernachlässigen. Wir konnten nun zeigen, dass die großräumigen Klimarekonstruktionen, die auch vom internationalen Klimarat ‚IPCC‘ verwendet werden, den langfristigen Abkühlungstrend über die letzten Jahrtausende unterschätzen.“

-Ende der Pressemitteilung- 

Abbildung 1: Die Rekonstruktion zeigt die Wärmebedingungen zur Römerzeit und im Hochmittelalter, aber auch die Kältephasen zur Zeit der Völkerwanderung oder der späteren kleinen Eiszeit sowie einen längerfristigen Abkühlungstrend. Die Temperaturzyklen mit Schwankungen um etwa 1 Grad verliefen weitgehend synchon zu Änderungen der Sonnenaktivität (siehe Abbildung 4). Quelle: Universität Mainz.

 

In einer weiteren Arbeit die im Januar 2012 online im Fachmagazin Global and Planetary Change erschien, waren Jan Esper und seine Kollegen bereits näher auf die 1000-Jahreszyklik eingegangen. Die Autoren fanden, dass die Römische und Mittelalterliche Wärmeperiode deutlich wärmer waren als die Moderne Wärmeperiode des 20. Jahrhunderts (Abbildung 2). Die wärmsten und kältesten 30-Jahresabschnitte im 2000-jährigen Untersuchuchungszeitraum wichen um 2 Grad voneinander ab. Wenn man die Sommertemperaturen von 5-Jahres-Perioden betrachtet, findet man Unterschiede von bis zu 5 Grad.

Abbildung 2: Temperaturrekonstruktion der letzten 2000 Jahre für Nordskandinavien. Temperaturzyklen im Millenniumstakt sind klar erkennbar und verlaufen synchron zur Sonnenaktivität (siehe Abbildung 4). Hellgraue Balken markieren Wärmemaxima, dunkelgraue Balken markieren Temperaturminima. Abbildungsquelle: Esper et al. (2012a).


Eine ähnliche Temperaturentwicklung hatte bereits ein norwegisches Forscherteam um Ole Humlum, Jan-Erik Solheim und Kjell Stordahl 2011 im Fachmagazin Global and Planetary Change für Grönland publiziert (Abbildung 3) (siehe auch unser Blogartikel „Neue norwegische Studien: Ein erheblicher Teil der Klimaerwärmung der letzten 150 Jahre ist durch die Sonne verursacht„).

Abbildung 3: Temperaturentwicklung von Zentral-Grönland für die letzten 4000 Jahre. Abbildungsquelle: Humlum et al. (2011).

 

Abbildung 4: Die Temperaturzyklen mit Schwankungen um etwa 1 Grad verliefen weitgehend synchon zu Änderungen der Sonnenaktivität. Quelle: BuchDie kalte Sonne„, S. 61.

 

Siehe auch Berichte in der Wiener Zeitung, Daily Mail, im New Scientist, in notrickszone.com, IBD, Spiegel Online, EIKE und auf WUWT.
Mit Dank an Dr. Rainer Köthe für den Hinweis auf die Nature Climate Change Publikation.
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