Ideologie statt Lösungen

Robert Waas, ehemaliges Mitglied der Reaktorsicherheits-Kommission, fährt in der Berliner Zeitung schwere Geschütze gegen die Grünen auf.

“Wegen der Umstellung der Energieverbraucher auf elektrische Technologien ist mindestens mit einer Verdopplung bis Verdreifachung des heutigen Strombedarfs zu rechnen. Wie lange wird es dauern, bis bei so erheblich wachsendem Strombedarf eine Lösung ohne Kohle, Erdgas, Erdöl und Kernenergie gefunden ist?

Wäre eine Umstellung auf Erneuerbare bis Mitte nächstens Jahres ohne große sonstige Einschränkungen machbar, müssten wir nicht so dringend über einen Weiterbetrieb von Kernkraftwerken diskutieren. Wenn das aber 15 Jahre und mehr dauern wird – wie zahllose Erfahrungsträger in Energiewirtschaft und -technik befürchten –, muss die Überlegung ganz anders aussehen.

Optimisten rechnen mit einer Dauer bis zur vollständigen Umstellung von ungefähr 15 Jahren, Realisten eher mit 30 Jahren. Bis letztes Jahr wollten selbst prominente Optimisten der Energiewende (Rainer Baake, ehemals Staatssekretär unter Trittin, Patrick Graichen, Staatssekretär jetzt unter Habeck) massiv Erdgaskraftwerke als „Brückentechnologie“ zubauen (zusätzlich rund 50.000 Megawatt). Denn sie sahen bis 2035 keine ausreichende Lösung für die großtechnische Speicherung von Energie aus Wind und Sonne.”

In dem von Waas ausführlich genannten Bereichen geht er dabei Fehlbehauptungen und Missverständnissen nach und lässt kein gutes Haar an den Protagonisten, die eher Ideologie als Lösung im Sinn haben.

Spannend ist hier auch die Aussage, dass Gas als Brückentechnologie angesehen wird, weil es bis 2035 keine ausreichende Lösung für die großtechnische Speicherung von Energie aus Wind und Sonne gibt.  Vor Kurzem durften wir noch Patrick Graichen in der ZDF-Dokumentation Blackout zuhören als er sagte, wir hätten nur das falsche Mindset und Claudia Kemfert ließ uns wissen, es gäbe Speicher noch und nöcher, alles andere wäre ein Mythos.

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Die Reduzierung von CO2 in Deutschland könnte ganz anders kommen als geplant. Laut BR planen Unternehmen in Bayern die Abwanderung der Produktion, weil die Energiepreise gerade explodieren.

“Laut aktuellem Energiebarometer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) sehen sich 14 Prozent der Industriebetriebe gezwungen, ihre Produktion zurückzufahren oder einen Teil ihrer Geschäftsbereiche aufzugeben.

Jedes fünfte Unternehmen plant, Kapazitäten ins Ausland zu verlagern oder hat das bereits getan. BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl nennt diese Zahlen „alarmierend“. Die hohen Energiepreise bei Öl, Erdgas und Strom sowie die fehlende Versorgungssicherheit gefährdeten den Industriestandort Bayern massiv.

Drei Viertel der befragten Betriebe sind laut Umfrage noch nicht abgesichert, sollte es zu einem Gas-Lieferstopp kommen. Viele Unternehmen müssten aktuell noch erhebliche Mengen Gas für 2022 beschaffen. Erst die Hälfte habe ihren Gasbedarf bereits über Verträge gedeckt.”

Das Thema Energie betrifft aber auch andere Orte, es ist nicht exklusiv auf Bayern beschränkt. Hellma Materials stellt kristalline Materialien her, die z. B. in der Chipindustrie benötigt werden. Statt in Jena will man jetzt laut Wirtschaftswoche (Bezahlschranke) in Schweden ein neues Werk bauen.

“Doch statt in Deutschland zu erweitern, geht es für das Unternehmen nach Schweden, Nicht, weil man sowieso expandieren wollte, sondern weil das Unternehmen sich in Deutschland nicht mehr auf die Versprechen der Politik verlassen will. „Die stabile und kalkulierbare Energieversorgung ist für unser Unternehmen existentiell und hat zum Ausschlag für die Entscheidung wesentlich beigetragen“, sagt Töpfer.”

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Laut En-former, dem Energieblog von RWE, könnte eine Gaspipeline von Spanien nach Italien die Situation rund um flüssiges Erdgas etwas entspannen.

“Spanien mit ungenutzten LNG-Terminals

Das augenfälligste Beispiel für ungenutzte LNG-Terminals ist Spanien. Das Land verfügt über eine LNG-Importkapazität von fast 60 Mrd. m3, was etwas mehr als einem Viertel der gesamten europäischen Anlagen entspricht. Dennoch hat das Land, das auch Gas über Pipelines aus Algerien bezieht, im Jahr 2021 nur knapp 19 Milliarden m3 LNG importiert – die Terminals waren also nur zu einem Drittel ausgelastet.

Italien mit geringen Importkapazitäten und hoher Auslastung

Das Gegenbeispiel dazu ist Italien. Das Land, das stark von Erdgas in der Energieversorgung und dabei insbesondere von russischen Gasimporten abhängig ist, verfügt lediglich über LNG-Terminals mit einer Kapazität von etwa 15 Mrd. m3 pro Jahr. Diese wurde in den vergangenen Jahren zu mehr als 80 Prozent genutzt und ist aktuell voll ausgelastet.

Im Jahr 2020 importierte Italien nach Angaben von BP 19,7 Milliarden m3 russisches Pipelinegas und 12,1 Milliarden m3 LNG aus dem Ausland und verbrauchte insgesamt 67,7 Milliarden m3 Gas. Dies lässt wenig Spielraum für eine Erhöhung der LNG-Lieferungen über die bestehenden Anlagen.

Problem: Fehlende Leitungen zwischen Spanien und Frankreich

Spaniens LNG-Importterminals können auch deshalb nicht effektiv genutzt werden, weil es an großen Gasleitungen über die Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich fehlt. Und das, obwohl die Verbindung in den vergangenen Jahren ausgebaut wurde.

Ein Vorschlag für eine neue Pipeline namens MIDCAT, die die beiden Länder miteinander verbinden sollte, scheiterte damals daran, dass die Gasströme zwischen den beiden Ländern überwiegend in Nord-Süd-Richtung und nicht in Süd-Nord-Richtung verliefen. Denn in Südfrankreich mangelt es an Weiterleitungskapazitäten in Regionen mit höherem Bedarf, wie zum Beispiel Norditalien und Nordeuropa.”

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Fingrid, der finnische Netzwerkbetreiber für Strom, warnt vor möglichem Strommangel im kommenden Herbst und Winter. Die Gründe sind interessant. Fingrid weist auf mögliche Probleme mit dem Kernkraftwerk Olkiluoto 3 hin. Bei der neuen Anlage ist es im Zuge der Inbetriebnahme zu Verzögerungen gekommen. Erst vor kurzem gab es Meldungen, dass einen Test gab, den Reaktor mit dem nationalen Stromnetz zu verbinden, wie yle.fi berichtete.

“Teollisuuden Voima’s (TVO) Olkiluoto 3 nuclear power plant was connected to the national electricity grid for the first time on 12 March this year, after years of delays.

At that time, it was assumed that the test operations would last a few months, after which regular electricity production would begin in July.

The trial run was interrupted first due to repair work and system updates, delaying production to December of this year.

The next trial run is slated to continue until the end of August. It is expected to cause another increase in web traffic to TVO’s website, where many people want to monitor how much power the reactor is generating for the grid.

The interest in the test trials has been so great in recent months that it could be considered a phenomenon.”

Sicherlich auch ein interessanter Hinweis zum Windstrom. Fingrid sagt, dass der Ausbau zwar zügig vorankomme, aber die Produktion letztlich von den Wetterbedingungen abhängt. Solche Aussagen hört man in Deutschland selten. Eine sehr realistische Einstellung gibt es zu möglichen Importen:
Andere Länder haben ihre eigenen Probleme. Russland fällt als Lieferant aus, in Zuge des Krieges in der Ukraine hat man den Finnen schon im Mai den Strom aus Russland abgedreht. Wenn Olkiluoto 3 komplett läuft, wird die Anlage die russischen Strom-Importe komplett ersetzen können.

“Schedule for the commissioning of the Olkiluoto 3 nuclear power plant. A possible delay in the commissioning of the plant would significantly reduce the adequacy of electricity in Finland.

Electricity trade with Sweden and Estonia. In previous years, in a situation of peak consumption, significant amounts of electricity have been imported from Sweden and Estonia, as well as from Russia. The availability of electricity from Sweden and the Baltics is affected by the countries‘ possible own problems with the adequacy of electricity, such as possible problems in the availability of natural gas in the Baltics.

Failures of significant domestic power plants or electricity transmission connections in operation, as well as problems with the availability of power plant fuels, especially natural gas

The rapid growth in wind power capacity contributes to improving the availability of electricity in Finland, but the impact of wind power on the adequacy of electricity is determined by wind conditions. Wind power capacity is estimated to be approximately 5,000 megawatts in full production by the end of 2022. 

Energy saving and timing the use of electricity have a significant impact on the adequacy of electricity.”

Kurzum, die finnische Kommunikation ist das genaue Gegenteil der deutschen Kommunikation, die aber in erster Linie ein Sprechtext der Grünen ist. “Wir haben ein Wärmeproblem aber kein Stromproblem.” Die Wahrheit ist wohl eher, wir haben beides. Mal sehen, wer es als erstes sagt.

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Martin Schlumpf berichtet am 22.August 2022 im Nebelspalter: 

Energiestrategie: Das Blackout von Simonetta Sommaruga – Schlumpfs Grafik 53

Die europäische Gasmangellage wegen Putin hat die Frage der Energie-Versorgungssicherheit in der Schweiz zwar verschärft, die grundlegenden Fehlentscheide sind aber viel früher gefallen. Und das Hauptproblem für uns ist nicht das Gas, sondern die nicht mehr gesicherte Stromversorgung. Das ist besonders pikant, weil das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) in seinen Risikoberichten ausgerechnet beim Fall einer Strommangellage seit Jahren die Schadenskosten am höchsten veranschlagt. Der fehlende Strom könnte uns einige hundert Milliarden Franken kosten (siehe hier).

Was wichtig ist:

– Der Stromkollaps droht nur in kalten Wintertagen

– Grüner Solarstrom bringt dann fast nichts

– Die einzig verlässliche Rückversicherung sind die Kernkraftwerke

Indessen spricht Energieministerin Simonetta Sommaruga von Stromabschaltungen und predigt uns, wie wir uns einzuschränken haben, damit wir den nächsten Winter schadlos überstehen. Sommaruga hätte die Weichen schon seit langem so stellen können, dass unser Stromsystem heute resistenter wäre. Erinnern wir uns kurz an die wichtigsten Fehlentscheidungen, für die Bundesrätin und ihre Spitzenbeamten im Bundesamt für Energie verantwortlich sind.

Weiterlesen im Nebelspalter. Auch verfügbar auf schlumpf-argumente.ch.

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Leserpost von Dipl. Ing. Martin Krohn:

Betreff: Energiesicherheit

Sehr geehrte Damen und Herren,

einige Anmerkungen zum Blog vom 23. 08. 22. Darin wird ein Kommentar aus der Welt beschrieben, in welchem durch den Ukraine-Krieg Fortschritte für den Klimaschutz angesprochen werden. In dem kurzen Auszug wird erklärt, dass die Energiesicherheit den Kurs der Politik geändert habe. Neben Subventionierung für Solaranlagen und E-Autos wird auch das Angebot an erneuerbaren Energien dereguliert.

Dabei muss ich an die Ausführungen von Robert Habeck denken, der schon vor einiger Zeit gefordert hat, aufgrund der unsicheren Gaslieferungen aus Russland, die Windenergie möglichst schnell auszubauen. Bedenken, bezüglich des Artenschutzes sollen dabei zurückgestellt werden. Gesundheitliche Probleme bei Menschen standen auf Seiten der Grünen nie zur Debatte, obwohl bereits in Frankreich und in Australien Gerichte zugunsten von Betroffenen entschieden haben.

Doch was mich in dem Bericht besonders aufregt ist die Aussage zu „Energiesicherheit“ und „Solaranlagen, E-Autos und erneuerbaren Energien“ (wobei auch Solaranlagen zu den erneuerbaren Energien zählen). Doch mit Solar und Wind ist sicherlich keine Energiesicherheit festzustellen. Es ist bekannt, dass an etlichen Tagen im Jahr wenig oder gar kein Wind weht, um ausreichend Strom zu erzeugen. Eine vermehrte Aufstellung von Windkraftanlagen führt nur dazu, dass diese sich gegenseitig ausbremsen. Auch Photovoltaik stellt keine sichere Lösung dar. Nachts oder bei bedecktem Wetter liefern die Anlagen keinen oder nur sehr wenig Strom. Gerade im Winter, wenn viel Strom benötigt wird, ist die Dunkelheit am Tag länger. Außerdem ist Deutschland aufgrund der geografischen Lage nicht unbedingt der ideale Ort für Sonnenenergie.

Ein weiteres Problem stellen die E-Autos dar. Wenn – wie von den Grünen gewünscht – die Fahrzeugflotte zum großen Teil auf E-Antrieb umgestellt wird, wird deutlich mehr Strom benötigt. Das lässt sich mit den erneuerbaren Energien nicht bewerkstelligen. Das Ganze sind grüne Traumschlösser, hat aber mit sicherer Versorgung nichts zu tun.

Viele Grüße
Dipl. Ing. Martin Krohn

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