Höchste Wiedervereisungsrate des arktischen Ozeans der Messgeschichte

Über das arktische Meereis ist diesen Sommer viel gesprochen worden. In einer kleinen Artikelserie wollen wir noch einmal die Ereignisse Revue passieren lassen und mögliche Zusammenhänge aufzeigen.

Mit 3,4 Millionen Quadratkilometern wurde gegen den 16. September 2012 die geringste Ausdehnung seit Beginn der Satellitenmessungen verzeichnet. Dies als noch „nie dagewesenen Rekord“ zu bezeichnen ist jedoch trotzdem nicht sehr glücklich, da das arktische Eis bereits in den 1930er und 40er Jahren stark abgenommen hatte (siehe „Noch nie wurde eine sprachliche Nachschulung so dringend benötigt wie heute: Journalistische Panne bei der Berichterstattung zum arktischen Meereis“). Dummerweise gab es damals noch keine Satelliten. Das Gleiche gilt für die Mittelalterliche Wärmeperiode als Wikingerschiffe ungehindert durch das zuvor zugefrorene Nordmeer schippern konnten.

Wie kam es zum neuen Schmelzrekord? Zunächst einmal erwärmt sich die Arktis, wie soll es in einer „Modernen Wärmeperiode“ denn auch anders sein. Die Erwärmung läuft dabei allerdings zwei bis viermal so schnell ab wie im globale Durchschnitt. Naja, wenn man mal die letzten 16 Jahre betrachtet, in denen sich die Erde überhaupt nicht erwärmt hat, dann ist das schon eine putzige Rechnung: Vier mal Null ist nämlich bekanntlich auch Null. Aber wollen wir mal nicht so streng sein. Laut neuesten Forschungsergebnissen könnte ein Teil der gesteigerten Erwärmung der Arktis mit dem Eintrag von Ruß zu tun haben (siehe „NABU: „Bis zu 50 Prozent der Erwärmung in der Arktis sind auf den Einfluss von Rußpartikeln zurückzuführen““). Eine andere Studie sieht das schwindende Meereis als Mitverursacher der starken arktischen Erwärmung. Andere Stimmen sehen hier einen Beitrag der Atlantischen Multidekaden Oszillation (AMO) und der Arktischen Oszillation (AO). Wiederum andere Forscher haben warme Strömungen ausgemacht, die jetzt vermehrt in die Arktis eindringen.

Trotz des neuen Schmelzminimums sollte man sich daran erinnern, dass sich noch im Juni diesen Jahres (2012) zwei kanadische Versorgungsschiffe im unerwarteterweise sehr dicken Packeis der Labradorsee festgefahren hatten. Mitte September 2012 musste Shell nördlich von Alaska eine Ölbohrung in der Chukchi See unterbrechen, da sich eine 50 mal 12 Kilometer große Meereisfläche auf die Bohrstelle zubewegte. Bereits im Juli hatte die Firma über überdurchschnittlich viel Eis in der entsprechenden Region geklagt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich wohl die Schmelzsaison insgesamt seit 2005 etwas verkürzt hat, obwohl das Jahr 2012 hier sicher etwas aus dem Rahmen fällt. Bemerkenswert ist auch, dass nach dem Schmelzminimum im September 2012 die höchste Wieder-Vereisungsrate der gesamten Satellitenmessperiode festgestellt wurde. So schnell wie sich die Lücke im Sommer auftat, fror sie nun auch wieder zu.

Bei der ganzen Eisschmelzdiskussion geht manchmal verloren, dass es auch Vorteile eines weniger eisreichen arktischen Ozeans gäbe. Auf den Spuren der Wikinger könnten nun zum Beispiel abgekürzte Schiffsrouten geplant werden, wobei weniger Treibstoff verbraucht wird. Zugang zu neuen Bodenschätzen wäre ein weiterer Vorteil. Russland wäre der größte Gewinner hiervon.

 

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