Geoforschungszentrum Potsdam: Solarflaute vor 2800 Jahren löste Kälteperiode in Mitteleuropa aus

Seen bilden ein ausgezeichnetes Klimaarchiv. Lage für Lage stapeln sich die Sedimentschichten im Laufe der Zeit wie in einem Geschichtsbuch. Aus den Ablagerungen kann durch die Analyse charakteristischer Materialwechsel im Jahresrhythmus, Fossilinhalt und Schwankungen der chemischen Zusammensetzung das Klima der Vorzeit rekonstruiert werden. Geowissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ in Potsdam haben sich nun gemeinsam mit schwedischen und niederländischen Kollegen die Klimageschichte eines Eifel Maar vorgeknöpft, des Meerfelder Maar (Abbildung 1). Dabei konzentrierten sie sich auf die Zeit 3300 bis 2000 Jahre vor heute, die sogenannte Eisenzeit. Die Studie erschien Anfang Mai 2012 in Nature Geoscience.

Abbildung 1: Meerfelder Maar dessen Ablagerungen in der Studie analysiert wurde. Bildquelle: GFZ.

 

Bei ihrer Analyse stießen die Forscher auf eine abrupte Klimaverschlechterung die vor knapp 2800 Jahren begann und fast 200 Jahre andauerte. Die Temperaturen kühlten sich spürbar ab, es wurde feuchter und die Winde verstärkten sich. Eine ungemütliche Zeit. Danach entspannte sich die klimatische Situation wieder.

Was könnte die Ursache für diesen Kälteeinbruch gewesen sein? Um dies zu klären, analysierte das internationale Forscherteam im gleichen Sedimentkern neben den klimatischen Hinweisen auch Indikatoren für die Sonnenaktivität. Letztere rekonstruierten die Wissenschaftler über Beryllium-Isotope (10Be), die einen Näherungswert für die Stärke der kosmischen Strahlung liefert, welche wiederum vom Magnetfeld der Sonne beeinflusst wird. Die Sonne stellt dabei eine Art Schutzschild für die Erde dar. Je schwächer die Sonne, desto mehr Beryllium gelangt in das Sediment. Der Vergleich der auf diese Weise rekonstruierten Sonnenaktivität mit der Klimaentwicklung brachte ein deutliches Ergebnis: Die Forschergruppe um Celia Martin-Puertas konnte zeigen, dass die Abkühlungsphase zeitgleich zur solaren Schwächephase verlief. Als die Sonne schließlich wieder aufdrehte, begannen auch die Temperaturen wieder anzusteigen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Klimaschwankungen durch Änderungen der Sonnenaktivität verursacht wurden. Zum gleichen Resultat kamen in der Vergangenheit zahlreiche andere Studien, die wir in Kapitel 3 unseres Buches „Die kalte Sonne“ sowie in unseren Blogartikeln ausführlich zitiert und beschrieben haben. Die Fallstudien stammen aus den verschiedensten Regionen der Erde, so dass von einem nahezu global gültigen Effekt auszugehen ist.

Abbildung 2: Wind- und Kälteindikatoren (blaue Kurve oben) verlaufen weitgehend synchron zur Sonnenaktivitätsentwicklung (schwarze gestrichelte, rote, grüne Kurven unten). Grau markierter Zeitabschnitt stellt die Kältephase dar. Abbildung aus: Martin-Puertas (2012).

 

Die in der vorliegenden GFZ-Arbeit eindrucksvoll dokumentierte, signifikante Klimawirkung der Sonne steht im krassen Gegensatz zu theoretischen Überlegungen in den Berichten des Weltklimarats. In den Klimamodellen des IPCC besitzt die Sonne nämlich nur eine fast zu vernachlässigende Klimabedeutung. Der Grund ist, dass der IPCC nur die undifferenzierte Gesamtstrahlung der Sonne berücksichtigt, deren Änderung jedoch zu gering ist, als dass sie bedeutende Klimaänderungen hervorrufen könnte. Aus diesem Grund wird eine Reihe von Solarverstärkern in der Literatur diskutiert, insbesondere ein Mechanismus über die kosmische Strahlung und Wolken (Svensmark-Effekt) und ein UV-Verstärker. Letzteren favorisiert die internationale Forschergruppe um das GFZ. In einer Pressemitteilung des Geoforschungszentrums Potsdam vom 6.5.2012 zur Publikation heißt es:

„In Kombination mit Modellstudien konnte zudem ein Mechanismus festgestellt werden, der den Zusammenhang schwacher Sonnenaktivität und Klimaverschlechterung erklärt: ‚Die Änderung und Intensivierung der troposphärischen Windsysteme stehen vermutlich in einem ursächlichen Zusammenhang mit Prozessen in der Stratosphäre, die wiederum stark von der solaren UV-Strahlung beeinflusst werden‘, erläutert Achim Brauer vom GFZ, Leiter der Studie. ‚Diese komplexe Prozesskette könnte somit ein Verstärkungsmechanismus sein, der erklärt, warum die häufig als gering angesehenen Schwankungen der Solarstrahlung trotzdem zumindest regional deutliche klimatische Auswirkungen mit weitreichenden Konsequenzen haben.‘

Auch wenn diese Ergebnisse nicht direkt auf die Zukunft übertragbar sind, weil heute nicht nur natürliche, sondern auch anthropogene Faktoren das Klima beeinflussen, sind sie doch ein deutlicher Hinweis auf ungeklärte Fragen beim Verständnis des Klimasystems, betont Achim Brauer. Insbesondere muss offenbar der Wirkungsmechanismus der Solarstrahlung für die unterschiedlichen Wellenlängenbereiche noch genauer erforscht werden. Erst wenn diese Mechanismen genau verstanden sind, wird eine fundierte Aussage darüber möglich sein, welche klimatischen Konsequenzen das nächste große solare Minimum in unserer heutigen Welt des auch anthropogenen geprägten Klimawandels haben kann. Weil Binnensee-Sedimente jahresgeschichtet und präzise datierbar sind, kommt ihnen eine wichtige Rolle bei der Erforschung dieser Zusammenhänge zu.“ 

Auch Spiegel Online erkannte die Bedeutung des neuen Eifel-Maar-Papers und berichtet ausführlich über die beeindruckenden neuen Resultate des Potsdamer Geoforschungszentrums. Die offensichtliche Klimawirkung der Sonne wird im Beitrag detailliert erläutert und auch der mögliche UV-Solarverstärker besprochen. Auf der Suche nach weiteren Stimmen zur neuen Publikation befragt Spiegel Online dann einen Klimawissenschaftler im nur wenige hundert Meter vom GFZ entfernt gelegenen Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK. Leider gerät der Spiegel dabei an einen großen Unterstützer des IPCC, Georg Feulner, der in seinen vergangenen wissenschaftlichen Arbeiten zusammen mit Stefan Rahmstorf die Klimawirkung der Sonne unnötig kleingerechnet hat. Der offensichtliche Widerspruch mit den jetzt in der GFZ-Studie dokumentierten realen Daten ist für ihn eine harte Nuss. Wie passt das alles zusammen? Es ist interessant zu beobachten, wie sich Feulner herauswindet. Dies sei ja alles ganz interessant, sagt er, wäre aber nur lokal und daher letztendlich unbedeutend:

„[Georg Feulner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)] sprach von einer ‚interessanten Studie, die einen überzeugenden Zusammenhang zwischen einem großen Sonnenminimum und windigem, kühlem Frühlingswetter in Westeuropa aufzeigt‘. Sie ändere aber nicht die Einschätzung, wonach große Sonnenminima nur einen kleinen Einfluss auf die globale Mitteltemperatur hätten. Bei den von den GFZ-Forschern beschriebenen Auswirkungen handele es sich lediglich um ‚regionale und saisonale Effekte mit geringen Auswirkungen auf die globale Energiebilanz‘. Deshalb sei auch nicht zu erwarten, dass ein großes Sonnenminimum im 21. Jahrhundert eine stärkere Abkühlung hervorrufen könnte als bislang angenommen.“

Lieber Herr Feulner, was ist dann mit den anderen hunderten von Studien, die ähnliche Sonne-Klima-Zusammenhänge aus den unterschiedlichsten Teilen der Erde dokumentiert haben? (siehe Kapitel 3 unseres Buches „Die kalte Sonne“ sowie unsere Blogartikel). Ganz konkret: Was ist zum Beispiel hiermit? Neue Arbeit in PNAS belegt die Klimawirksamkeit der Sonne während der vergangenen 9000 Jahre. Auf die Antwort sind wir sehr gespannt.

Aber es gibt noch ein sehr viel schwerwiegenderes Problem mit Feulners Argumentation. Bereits im Jahr 2007  hatte ein internationales Forscherteam um Frank Chambers von der University of Gloucestershire in einem Paper in den Earth and Planetary Science Letters zeigen können, dass die Abkühlung vor 2800 Jahren an vielen Orten der Erde nachgewiesen werden konnte, mithin als global zu betrachten ist. Georg Feulner sollte diesen Artikel eigentlich kennen. Das vorgebrachte Argument der lokalen Begrenztheit des Abkühlungsereignisses ist daher nicht stichhaltig.

 

Siehe auch Berichte auf scinexx, k2p Blog, Science Daily, pro-physik.de, innovations report, SZ, Daily Mail, Potsdamer Neueste Nachrichten.
Mit Dank an dh7fb für wichtige Ergänzungen.
Teilen: