Gelangt ein Teil des grönländischen Schmelzwassers gar nicht in den Ozean, sondern gefriert wieder im Untergrund?

Das grönländische Inlandeis schmilzt, das steht außer Frage. Aber ist der Beitrag zum Meeresspiegelanstieg wirklich so große wie immer angenommen? Ein Artikel von Horst Rademacher in der FAZ am 14. Januar 2018 zu einem interessanten neuen Paper lässt aufhorchen:

Klimawandel: Wohin strömt Grönlands schmelzender Eispanzer?
Große Mengen des abfließenden Schmelzwassers versickern vor Ort auf Grönland und gelangen daher nicht ins Meer. Ist der Beitrag des schmelzendes Eispanzers zum Meeresspiegelanstieg überschätzt worden? […] Wie die Wissenschaftler um Smith in den „Proceedings“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften berichten, fließt aus der Wasserscheide aber erheblich weniger Schmelzwasser ab, als es die Berechnungen verschiedener numerischer Modelle eigentlich erwarten lassen. Die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der Modellrechnungen und den aktuell gemessenen Werten beträgt dabei bis zu sechzig Prozent. Diese deutliche Diskrepanz ist nach Meinung von Smith und seinen Kollegen teilweise darauf zurückzuführen, dass ein Teil des Schmelzwassers in poröse, tiefer unter der Oberfläche liegende Eisschichten eindringt, dort längere Zeit verbleibt und möglicherweise sogar wieder gefriert. Nun wird überlegt, wie sich jene theoretischen Modelle, welche die Massenbilanz des Eises auf Grönland numerisch simulieren, an die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort anpassen lassen.

Ganzen Artikel in der FAZ lesen.

Eine spannende Sache. Steckt hier auch  die Lösung für die Diskrepanz des globalen Meeresspiegelanstiegs, der laut Küstenpegeln nur gut halb so hoch ist als theoretisch von Satelliten abgeleitet?

Immer wieder müssen grönländische Küstengletscher als Klimaalarmthema herhalten. Eine Gruppe um  Anders Anker Bjørk hat sich die Entwicklung dieser Gletscher nun für die vergangenen 100 Jahre angeschaut und kommt zu einem überraschenden Schluss: Die Gletscher „tanzen“ im Takte der Nordatlantischen Oszillatuion (NAO), einem wichtigen atlantischen Ozeanzyklus, der Schmelzen und Wachstum steuert. Momentan schmelzen sie wieder. Allerdings schmolzen sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts schonmal deutlich schneller, als natürlicher Wärmerebound nach der Kleinen Eiszeit. Hier der Abstract aus nature climate change:

Changes in Greenland’s peripheral glaciers linked to the North Atlantic Oscillation
Glaciers and ice caps peripheral to the main Greenland Ice Sheet contribute markedly to sea-level rise1,2,3. Their changes and variability, however, have been difficult to quantify on multi-decadal timescales due to an absence of long-term data4. Here, using historical aerial surveys, expedition photographs, spy satellite imagery and new remote-sensing products, we map glacier length fluctuations of approximately 350 peripheral glaciers and ice caps in East and West Greenland since 1890. Peripheral glaciers are found to have recently undergone a widespread and significant retreat at rates of 12.2 m per year and 16.6 m per year in East and West Greenland, respectively; these changes are exceeded in severity only by the early twentieth century post-Little-Ice-Age retreat. Regional changes in ice volume, as reflected by glacier length, are further shown to be related to changes in precipitation associated with the North Atlantic Oscillation (NAO), with a distinct east–west asymmetry; positive phases of the NAO increase accumulation, and thereby glacier growth, in the eastern periphery, whereas opposite effects are observed in the western periphery. Thus, with projected trends towards positive NAO in the future5,6, eastern peripheral glaciers may remain relatively stable, while western peripheral glaciers will continue to diminish.

 

Foto: Russell Gletscher bei Kangerlussuaq in Grönland, Kalben im Spätsommer. Foto: Greenland Travel. Verwendung mit freundicher Genehmigung.

 

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