Die Statistik und der Meeresspiegelanstieg bei Kiribati

Immer wieder findet man statistische Kapriolen. Auf seinem Blog setzt sich Stefan Rahmstorf fortgesetzt mit dem Meeresspiegelanstieg auseinander. Er zitiert auch unsere Aussage vom Juli 2015 und setzt dagegen:

„Der lineare Trend (rot) beträgt 5,7 mm/Jahr, insgesamt 14 Zentimeter. Der mittlere Meeresspiegel ist dagegen nur um 8 Zentimeter angestiegen – Beispiel dafür, dass an manchen Orten durch nichtlineare Effekte die für Überflutungen verantwortlichen Spitzen des Meeresspiegels stärker ansteigen können als der Mittelwert.“ ( Bildunterschrift Abb. 1).

Ist eine solche Aussage wissenschaftlich haltbar wenn man die Variabilität der Meeresspiegelhöhe in dieser Region mit berücksichtigt? Wir begeben uns auf Entdeckungsreise. Die von Rahmstorf verlinkten Daten sind auch unsere Grundlage. Was ist damit wirklich begründet auszusagen? Es gibt einige Datenlücken zu Beginn der Erfassung sodass wir uns auf den Zeitraum ab Januar 1995 beschränken. Wir haben die Abbildung 3 des Blogartikels nachvollzogen:

 

Abb.1: Die Maximalwerte des Meeresspiegels bei Kiribati ( blau), der lineare Trend (rot) und ein nichtlinearer Trend (Loess) gemittelt über 5 Jahre (fett blau).

 

Was an den monatlichen Daten auffällt: die Meeresspiegelhöhe bei der Insel Kiribati schwankt sehr stark. Die geglättet Linie kann das gut ausgleichen und was sehen wir? Der momentane (2017) Meeresspiegel ist genauso hoch wie zu Beginn der Messungen. Das muss nicht viel besagen, denn die Streuung ist sehr groß. Wir versuchen es mit jährlichen Daten:

Abb.2: Die aus den Monatsdaten  jährlich gemittelte Meeresspiegelhöhe bei Kiribati (blau), der lineare Trend (rot) und der obere und untere 95%-Konfidenzbereich des Trends (grau).

 

In dieser Abbildung fällt der ausgesprochen tiefe Meeresspiegel im Jahre 1998 besonders auf. Beim Nachrechnen ergibt sich, dass er mehr als 2 Standardabweichungen vom Mittelwert nach unten ausbricht. Es ist ein klassischer Ausreißer, der aus einer seriösen Statistik ausgeschlossen gehört. Dieser Dip in 1998 beeinflusst jedoch den Trend, er macht ihn steiler. Tatsächlich ergeben sich für den Zeitraum ab 2000 nur noch Trendanstiege von knapp 4 mm/Jahr anstatt der von Rahmstorf ermittelten 5,7mm/Jahr. Ein statistischer Ausreißer vor 20 Jahren ist also der wahre Grund für die „nichtlinearen Effekte, die an manchen Orten den Meeresspiegel stärker ansteigen lassen“.

Und noch etwas wird aus Abb. 2 ersichtlich: Die großen jährlichen Schwankungen machen jede lineare Trendberechnung sehr unsicher. Man kann mit 95%iger Sicherheit nur sagen: Der Trend 1990…2017  bewegt sich zwischen 1,4mm/Jahr und 8,9 mm/Jahr.  Für die Jahre ab 1999 (den Ausreißer 1998 also ausgeklammert) kommt es noch schlimmer für die Untergangsprognosen: Dann nämlich sind die Daten so stark streuend, dass man noch nicht einmal mit 95%iger Sicherheit einen fallenden Trend ausschließen kann. Die natürlichen Einflüsse in dieser Region der Welt tragen sehr viel Variabilität in die Messwerte ein.

Und noch etwas wird aus den Daten offenbar: Der Tidenhub bei Kiribati beträgt im Mittel 2,25 m, die Wellenhöhe (ohne Sturm!) etwa 3 m.  Es erscheint sehr stark übertrieben, dass bei der realen ca. 8 cm Meeresspiegelerhöhung die Bewohner  „verzweifelt um eine Zukunft für ihre Inseln kämpfen“. Es ist das bekannte Spiel: Die Daten werden ungenügend gewürdigt und mit der moralischen Keule wird auf die eingeknüppelt, die die Schlussfolgerungen aus diesem Spiel bezweifeln.

 

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