Die Sonne im Dezember 2015 und Klimamodell-Kopfstände in der Antarktis

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Der Fixstern in unserem Planetensystem war auch im letzten Monat recht inaktiv. Die festgestellte SSN (SunSpotNumber) betrug 57,7.  Dies sind nur 79% des zu dieser Zeit Üblichen bei den bisher systematisch beobachteten 23 kompletten Sonnenzyklen (SC für Solar Cycle). Einige Vergleiche:

Abb.1: Der aktuelle SC 24 (rot) in Relation zu einem durchschnittlichen SC, konstruiert durch die monatlichen Mittelwerte der Zyklen 1-23 ( blau), und dem über weite Strecken sehr ähnlichen Zyklus 5, der 1810 endete.

 

Für die vollendeten Jahre unseres aktuellen Zyklus zeigt sich die prozentuale Aktivität zum mittleren Zyklus so:

Abb. 2: Die relative Sonnenfleckenaktivität der Kalenderjahre im SC24

 

Im gesamten bisherigen Zyklus (7 Jahre und 1 Monat) erreichte die Sonne nur eine Aktivität von 56% des mittleren Wertes. Die einzelnen Zyklen seit März 1755 zeigen diese Abweichungen vom Mittelwert:

Abb. 3: Die aufsummierten monatlichen Differenzen zwischen dem mittleren Zyklus ( blau in Abb.1) und den beobachteten SSN bis zum aktuellen Monat.

 

Deutlich ist zu sehen, dass die Phase zwischen Zyklus 17 (Beginn 1933) und dem Ende des SC 23 im Jahre 2008 die dauerhaft  aktivste seit Beginn der systematischen Beobachtungen war. Sie ging recht abrupt zu Ende mit dem aktuellen Zyklus.

 

Antarktische Kopfstände- Modellgeflüster II

Eine Arbeit von Schmithüsen et al., die Mitte Dezember des vergangenen Jahres [2015] erschien, sorgte für große Aufmerksamkeit. Sie ging hervor aus einer Dissertation von Holger Schmithüsen von der Universität Bremen. Die Presseerklärung dazu ist hier einzusehen. Das überraschende Ergebnis der Forschung: In weiten Gebieten der Antarktis wirkt der Treibhauseffekt invers: Er führt zu mehr Abstrahlung von Wärme ins Weltall bei höheren Konzentrationen von Treibhausgasen in der Troposphäre.  (Wir hatten bereits hier kurz darüber berichtet.) In allen anderen Gebieten der Erde ist es anders herum, außer vielleicht  in den Höhenlagen von Grönland, wo eine ähnliche Topografie wie in Antarktika anzutreffen ist. Was steckt eigentlich physikalisch hinter dem Treibhauseffekt?

Trifft das Sonnenlicht auf die Erde erwärmt sich diese. Es entsteht eine Wärmestrahlung im Infrarotbereich (IR) des Spektrums, die von der Erde weg in den Weltraum gerichtet ist. Auf dem Weg dahin trifft das Infrarotlicht auf Moleküle von Treibhausgasen, zuvorderst Wasserdampf und Kohlendioxid (CO2). Diese Moleküle haben eine besondere Eigenschaft: Bei  einfallender  IR-Strahlung  werden Elektronen für sehr kurze Zeit auf energiereichere Zustände angehoben. Danach fallen sie wieder zurück und strahlen die gleiche Energiemenge mit exakt der gleichen Wellenlänge wieder ab. Energetisch ist das ein Nullsummenspiel mit jedoch einem Unterschied: die von den Molekülen  ausgehende Strahlung  ist nicht mehr gerichtet zum Weltall sondern wird gleichmäßig in alle Richtungen abgegeben.  Ein sehr ähnlicher Effekt  der Lichtstreuung ( englisch: Scatter) entsteht in der Lufthülle mit den dort reichlich vorhandenen Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen. Sie reagieren nicht auf IR-Strahlung sondern vor allem auf den kurzwelligen (blauen) Anteil im einfallenden gerichteten Sonnenlicht. Diese Strahlung wird von den Molekülen ebenfalls ungerichtet wieder abgestrahlt mit dem Ergebnis, dass wir einen blauen Himmel beobachten wenn er wolkenlos ist. Dieses „Himmelslicht“ ist das aktive Leuchten der entsprechenden Moleküle unserer Luft bei Anregung durch Sonnenlicht.

Zurück zu  den Treibhausgasen: sie bewirken durch ihre Streuwirkung, dass die IR-Strahlung zu gewissen Teilen nicht in den Weltraum entkommt sondern auch zurück zur Erdoberfläche gelangt, wo sie weitere Erwärmung bewirkt. Wer also eine erwärmende Wirkung von Treibhausgasen bezweifelt sollte unbedingt an einem wolkenlosen Tag zum blauen Himmel aufsehen um auch seine Zweifel  zu zerstreuen.

Der Treibhauseffekt selbst bewirkt also zunächst keine Erwärmung der Troposphäre, die einzige Wärmequelle ist die Erdoberfläche.  In der Antarktis liegen die Verhältnisse anders. Dort ist die Oberfläche in ca. 3000m Höhe über NN sehr kalt.

Abb.4: Die Temperaturen in den Höhen über der Antarktis in verschiedenen Monaten im Vergleich zu den Standard-Zuständen,  schwarz gestrichelt. (Quelle: Bild 1 der zitierten Arbeit Schmithüsen et al.).

 

Hinzu kommt, dass in bestimmten Monaten (vor allem im Südhalbkugel – Herbst: dafür steht „März“ in Abb. 4 blau),  über der Antarktis auch die Stratosphäre an ihrem unteren Ende am Übergang zur darunter liegenden Troposphäre wärmer  ist als der Boden.  Auch das ist eine Besonderheit dort. In der Standardatmosphäre ist dies ganz anders: Die Temperatur fällt in der Regel mit der Höhe, dann steigt sie wieder an in der Stratosphäre. Bei jedem Flug bekommen Sie die Außentemperatur angezeigt und in Reiseflughöhe (ca. 11km) herrschen Temperaturen von -55°C und wenn Sie landen empfangen Sie gottlob weitaus freundlichere Werte. Landen Sie in der Antarktis muss das nicht so sein. Dort kann der Boden tatsächlich kälter sein als alle Luft darüber, in Abb. 4 für den März deutlich zu sehen.

Wenn der Boden kälter ist als die Stratosphäre bis in ca. 40 km Höhe und die Troposphäre wärmer (vgl. Abb.4) führt das nun dazu, dass durch die Streuwirkung  der Treibhausgase die IR-Strahlung des Bodens geringer ist als  die  Abstrahlung von Wärme aus der Troposphäre in den Weltraum. Nach der Stefan-Bolzmann Gleichung geht die Temperatur mit der vierten Potenz in die Abstrahlung ein. Der Treibhauseffekt wird negativ: je mehr Streuung desto mehr Wärme entkommt und es wird kälter.

Abb.5: Der antarktische Treibhauseffekt in verschiedenen Monaten über der CO2- Konzentration. In den Monaten Februar, März, April und Oktober ist er unter den heutigen Bedingungen (ca. 400ppm) negativ. Quelle: Bild 2.19 der Dissertation von Schmithüsen

 

Je höher die Konzentration von Treibhausgasen umso mehr Wärme wird vom System Erde-Atmosphäre abgestrahlt, genau anders herum als unter Standard- Bedingungen. Die Wärme muss nicht zum Boden, sie wird direkt troposphärisch abgestrahlt.

Abb.6: Die Wärmeabstrahlung über der Wellenlänge unter Standardbedingungen ( oben) und über der zentralen Antarktis im März bei unterschiedlichen CO2-Konzentrationen . Quelle: Bild 2 der Arbeit Schmithüsen et.al

 

Daher findet sich bei der spektralen Abstrahlung  (Abb.6 ) über dem Südpol eine „Delle“ wo unter Standardbedingungen eine „Beule“ zu beobachten ist. Ein überraschendes, jedoch physikalisch naheliegendes  Phänomen. Wie gehen nun Modelle damit um? In seiner Dissertation untersuchte der Hauptautor auch das, in der veröffentlichten Arbeit wird es nur angerissen.

Abb. 7: Der Vergleich verschiedener CMIP5 – Modelle mit den Beobachtungen, vgl. Abb. 5. (Quelle: Tabelle 2.4 der Dissertation von Schmithüsen)

 

Die Beobachtungen zeigen, wie die einzelnen Monate vom inversen Treibhauseffekt betroffen sind. Das Ergebnis: ein Großteil der Modelle liegt weit daneben. Acht der untersuchten 22 Modelle zeigen viel zu hohe Werte (dunkelrot eingefärbt in Abb.6) für den Treibhauseffekt.  Hier muss die Frage erlaubt sein warum sie nicht im Einklang mit der Physik sind, warum sie vom IPCC überhaupt für tauglich befunden wurden für irgend eine Art von Vorhersage. Das Modellmittel  (letzte Zeile in Abb.7) liegt so in jedem Monat zu hoch, im Jahresmittel um 8W/m², sehr wahrscheinlich weil die Oberflächentemperaturen global und  auch in der Antarktis deutlich zu warm modelliert worden sind.

Und ein zweiter Punkt ist zu beachten: Die Erde nimmt Wärme in den Tropen auf, diese wird letztendlich auch in den Polargebieten wieder in den Weltraum „entsorgt“. Die Atmosphäre ist gewissermaßen das „Transportmedium“. Daher wäre ein hoher positiver südpolarer Treibhauseffekt  für die gesamte Bilanz  problematisch, es käme zu mehr globaler Erwärmung. Genau  so wird es in den Modellen jedoch gerechnet.  Die Atmosphäre kann ihrer Rolle besser entsprechen wenn der Treibhauseffekt am Südpol beim Wärmetransport Richtung Weltall hilft statt ihn zu erschweren. Daher haben die Ergebnisse der Arbeiten sehr wohl  auch globale Auswirkungen: Der Temperaturanstieg mit antarktischem inversen Treibhauseffekt erfolgt langsamer. Modelle  geben die Wirklichkeit ein weiteres Mal  deutlich zu warm wieder. Keine gute Grundlage für belastbare Prognosen für die nächsten Jahrzehnte.

 

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