British Antarctic Survey: Antarktische Halbinsel kühlt sich seit 1998 ab

Immer wieder wird den Klimaskeptikern vorgeworfen, sie hätten den Erwärmungs-Hiatus der letzten anderthalb Jahrzehnte nur erfunden. Ein schlechtes Argument, denn der Hiatus ist mittlerweile ein eigenes Forschungsgebiet an dem eine Vielzahl von Wissenschaftlergruppen arbeitet. Die neueste Untersuchung zum Thema stammt von einer Gruppe des British Antarctic Survey (Turner et al. 2016), die am 21. Juli 2016 in Nature eine Studie zum Hiatus auf der Antarktischen Halbinsel vorlegte. Ja, sie haben richtig gelesen, auch hier scheint es einen Hiatus zu geben. Die Verwunderung ist berechtigt, denn von Presse und deutsche Behörden wird regelmäßig behauptet, die Antarktische Halbinsel wäre derzeit eine der sich am stärksten erwärmenden Regionen der Erde.

Kostprobe gefällig? Artikel auf der Webseite des deutschen Umweltbundesamtes (UBA) vom 23.7.2013:

Das Klima der Antarktis
Antarktika ist der trockenste und kälteste Kontinent der Erde. Die Temperaturen erreichen nur im Westen während des wärmsten Monats Januar Werte um den Gefrierpunkt und liegen ansonsten im Jahresdurchschnitt mit – 55°C weit darunter. Jedoch ist auch die Antarktis vom globalen Klimawandel betroffen und erwärmt sich vor allem im Bereich der antarktischen Halbinsel stärker als der Rest der Welt. […] Nur einige Gebiete der Antarktischen Halbinsel erreichen im Sommer regelmäßig Temperaturen über dem Gefrierpunkt. Jedoch ist vor allem die Antarktische Halbinsel im Westen des Kontinents stark vom globalen Klimawandel betroffen. Keine Region der Erde wärmt sich derzeit schneller auf. So geben Temperaturdaten des „Oak Ridge National Laboratory” von Forschungsstationen auf der Antarktischen Halbinsel eine Erhöhung der Jahresmittelwerte von bis zu 2°C in den letzten 50 Jahren an. Für den gesamten Kontinent wurde eine Erwärmung von etwa 0,12°C pro Jahrzehnt nachgewiesen.

John Turner und seine Kollegen vom British Antarctic Survey (BAS) haben nun die Temperaturmessdaten diverser Forschungsstationen auf der Antarktischen Halbinsel zusammengefasst und gemittelt. Anhand dieser Daten können Sie die Entwicklung in eine Erwärmungsphase 1979-1997 und eine Abkühlungsphase 1999-2014 unterteilen. Letztere stellt den Hiatus dar. Das Ergebnis schreiben die Autoren sogar in den Titel ihrer Nature-Arbeit:

Absence of 21st century warming on Antarctic Peninsula consistent with natural variability
Since the 1950s, research stations on the Antarctic Peninsula have recorded some of the largest increases in near-surface air temperature in the Southern Hemisphere1. This warming has contributed to the regional retreat of glaciers2, disintegration of floating ice shelves3 and a ‘greening’ through the expansion in range of various flora4. Several interlinked processes have been suggested as contributing to the warming, including stratospheric ozone depletion5, local sea-ice loss6, an increase in westerly winds5, 7, and changes in the strength and location of low–high-latitude atmospheric teleconnections8, 9. Here we use a stacked temperature record to show an absence of regional warming since the late 1990s. The annual mean temperature has decreased at a statistically significant rate, with the most rapid cooling during the Austral summer. Temperatures have decreased as a consequence of a greater frequency of cold, east-to-southeasterly winds, resulting from more cyclonic conditions in the northern Weddell Sea associated with a strengthening mid-latitude jet. These circulation changes have also increased the advection of sea ice towards the east coast of the peninsula, amplifying their effects. Our findings cover only 1% of the Antarctic continent and emphasize that decadal temperature changes in this region are not primarily associated with the drivers of global temperature change but, rather, reflect the extreme natural internal variability of the regional atmospheric circulation.

Abbildung: Temperaturentwicklung auf der Antarktischen Halbinsel seit 1979 (schwarze Kurven). Rote Linien stellen Trends dar. Grauer Balken bei 1998 markiert Trendumkehr von Erwärmung auf Abkühlung. Quelle: Turner et al. 2016.

 

Turner und Kollegen machen deutlich, dass auf der Antarktischen Halbinsel eine starke natürliche Variabilität herrscht, die das anthropogene Temperatursignal weit übersteigt. Der Wechsel von natürlichen Erwärmungs- und Abkühlungsphasen ist ein bekanntes Phänomen auf der Halbinsel, wie Eisbohrkernstudien zur Entwicklung der letzten 1000 Jahre zeigten. Die BAS-Forscher warnen vor einer simplistischen Sichtweise zur Erwärmung im späten 20. Jahrhundert. Neben natürlicher Variabilität (Ozeanzyklen) und CO2 könnte hier auch das Ozonloch eine Rolle gespielt haben. Im Haupttext der Arbeit heißt es:

The recent change in SAT [surface air temperature] trend can be set in a longer-term perspective through examination of regional ice core records. An ice core from James Ross Island, which is close to Marambio station, showed that the region experienced several periods of rapid warming and cooling in the last 1,000 years, and that the warming trend over the last 100 years was ‘highly unusual’, although not unprecedented. However, the period since the late 1970s includes the ozone hole, which is unique in the record.

Die Erwärmungsrate der Antarktischen Halbinsel im späten 20. Jahrhundert ist zwar hoch, jedoch hat es laut Eiskernmessungen im 18. Jahrhundert wohl ein 50-Jahresintervall gegeben, als die Temperaturen schon einmal schneller nach oben schossen als 1979-1997:

The Ferrigno ice core from the coast of West Antarctica shows a warming from the 1950s to the early twenty-first century that agrees well with the warming observed at Vernadsky. In the longer term, this record revealed marked decadal variability and, importantly, resolved a 50-year period in the eighteenth century when SATs increased at a faster rate than observed at Vernadsky over the second half of the twentieth century

Hier die die wichtigste Erkenntnis der Studie: Die angeblich so außergewöhnlich starke Erwärmung der Antarktischen Halbinsel im späten 20. Jahrhundert liegt voll und ganz im Bereich der natürlichen Schwankungsbreite:

Therefore all these studies suggest that the rapid warming on the AP since the 1950s and subsequent cooling since the late-1990s are both within the bounds of the large natural decadalscale climate variability of the region.

 

Siehe auch Artikel auf t-online von Andreas Lerg

 

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